Berlin/Köln (dpa)
„Persönlich wie nie“: Helene Fischers neues Album „Rausch“
Der Lebensabschnitt Mitte 30 wird auch als „Rush Hour“ in der Vita bezeichnet - Job, Familie, irgendwie kommt alles zusammen. Mit 37 meldet sich nun Helene Fischer mit einem neuen Album zurück.
Helene Fischers neues Album heißt „Rausch“ und so ähnlich müssen sich die vergangenen Tage und Wochen auch für all jene angefühlt haben, die ihr Leben mit einer gewissen Neugier verfolgen.
Schlag auf Schlag rauschten die Meldungen herein: ein geplantes, gigantisches Konzert vor rund 150.000 Menschen in München, Medienberichte über eine Schwangerschaft, eine angekündigte Zusammenarbeit mit Show-Altmeister Stefan Raab (54). Was in all der Zeit fast übersehen werden konnte, war die Maschine, die Fischers Karriere am Laufen hält: neue Musik. Das ändert sich nun. Jetzt ist „Rausch“ auf dem Markt.
Das mit 24 Liedern satt gefüllte Werk dürfte die Neugier der Helene-Anhänger eher verstärken als einhegen. Die Platte soll ganz bewusst auch als autobiografisches Werk gelesen werden können. „Ich habe bei vielen Songs mitgeschrieben und zeige mich somit so persönlich wie nie, da die Lieder aus meinem Leben erzählen“, sagt Fischer der Deutschen Presse-Agentur.
Privates bleibt privat
Interessant ist das, weil ihr Leben natürlich nicht gänzlich einsehbar ist. Auf die Frage zu den Berichten über eine Schwangerschaft sagt sie etwa: „Bitte haben Sie Verständnis, dass ich mich zu privaten Dingen nicht äußern möchte.“ Auf Instagram schrieb sie von einem „überwältigenden und einzigartigen Gefühl“. Von einer Schwangerschaft sprach sie wörtlich nicht.
Wer sich durch „Rausch“ hört, kann also auf Spurensuche gehen. Wobei man aber zunächst versucht sein dürfte, sich tanzfähige Schuhe anzuziehen. Fischers größter Hit ist „Atemlos durch die Nacht“, mit dem sie ihr Schlager-Image hinter sich ließ und zur deutschen Dancing-Queen aufstieg. Lieder dieser Kategorie finden sich viele auf „Rausch“, etwa „Liebe ist ein Tanz“, „Wenn alles durchdreht“ oder „Blitz“. Es geht um das Verlieben und das, was daraus folgt - unterlegt mit perfekt produzierten elektronischen Beats. Man sollte sich wohl vor Überinterpretation hüten.
Anders verhält es sich bei etwas ruhigeren Nummern mit Klavier oder auch mal Streichern, die mehr den Kopf bedienen als die Beine. Etwa das Lied „Volle Kraft voraus“, das schon vorab veröffentlicht und damit geradezu ins Schaufenster gestellt wurde. Fischer besingt darin einen Abschied, der aber nötig ist, um zu neuen Ufern aufzubrechen. „Volle Kraft voraus, zurück auf's offene Meer hinaus. Es tat weh, doch ich muss weiterziehen - und du auch“, heißt es darin.
Jeder, der die Sängerin ein wenig kennt, dürfte beim Hören zumindest einmal kurz an Florian Silbereisen (40) gedacht haben. Zehn Jahre lang waren die beiden liiert. Ende 2018 machte Fischer dann ihre neue Beziehung zu dem Akrobaten Thomas Seitel öffentlich. Ähnlich interessiert lauscht man dem Stück „Alles von mir“, einer Liebeshymne, die man 1:1 als Trauspruch vor dem Altar zitieren könnte. „Für heute, für immer bleib' ich bei dir, durch Höhen und Tiefen, egal, was passiert. Ich geb' dir mein Wort. Auf ein Leben mit dir“, singt Fischer. Und das Kopfkino springt an.
Die Stimme klingt reifer
Auffällig ist auch, dass Fischer stimmlich etwas rauer zu klingen scheint als früher. Nicht wie Bonnie Tyler, aber doch reifer. Und dass auch Songs zu finden sind, die sich politisch lesen lassen. Etwa „Engel ohne Flügel“, bei dem sich Pfleger und Kindergärtnerinnen angesprochen fühlen dürfen. Alles aber wohl dosiert. Der Titel „Rausch“ bedeutet nicht, dass im Helene-Kosmos plötzlich das Irrationale regiert.
Beworben wird die neue Musik zum Teil aber damit, dass man beobachten könne, wie sich Helene Fischer „noch einmal erfunden“ habe. Genug Zeit hat sie sich dafür gelassen - mehr als eineinhalb Jahre arbeitete sie an dem Album. Die Fallhöhe ist auch denkbar hoch. Über Fischer kommt im deutschen Showgeschäft niemand mehr. Da will jeder Schritt wohldurchdacht sein.
In einem eigenen Musikfilm („Im Rausch der Sinne“) wird sie am Samstagabend (16. Oktober, 21.45 Uhr) im ZDF durch ihre neues Repertoire führen.
Was bleibt? Im Lied „Genau dieses Gefühl“ singt Fischer: „Das Leben stellt uns die Weichen. Doch ich weiß, tief in uns drin sind wir noch immer die gleichen.“ Viele Zuhörer dürften diese Sätze beruhigen.
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