Flucht aus der Ukraine Dem Abschied so nah

| | 10.06.2022 19:32 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Yurii Bieliaiev steht zusammen mit seiner Frau Marianna Bieliaieva vor der ukrainischen Flagge. Nur knapp drei Wochen kann der 42-Jährige in Aurich sein. Foto: Franziska Otto
Yurii Bieliaiev steht zusammen mit seiner Frau Marianna Bieliaieva vor der ukrainischen Flagge. Nur knapp drei Wochen kann der 42-Jährige in Aurich sein. Foto: Franziska Otto
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Der Ukrainer Yurii Bieliaiev hat nach gut drei Monaten Trennung endlich wieder seine Familie in Aurich in seine Arme schließen können. Doch das Glück ist nur von kurzer Dauer.

Aurich - Für Yurii Bieliaiev war es unbeschreiblich, endlich wieder seine Frau und seine Kinder in den Armen halten zu können. Zuletzt sah er sie an der slowakisch-ukrainischen Grenze vor über drei Monaten. Aber die Freude der Familie ist nur von kurzer Dauer.

Zusammen mit seiner Frau Marianna und seinen Kinder Veronica und Egor lebte Yurii Bieliaiev in Charkiw. Als der russische Angriff auf die Ukraine begann, war für die Familie sofort klar, dass sie fliehen müssen. Die Straßen waren verstopft, nachts mussten sie in völliger Dunkelheit fahren. Zu groß war die Angst, dass sie durch das Licht zur Zielscheibe für russische Angriffe werden könnten. Großstädte mieden sie aus demselben Grund.

Von der Familie getrennt

Marianna Bieliaieva kam mit ihren Kindern, Eltern, ihrer Schwester sowie ihrer Nichte bei Dr. Jochen Wessels in Aurich unter. Dort leben sie seit knapp drei Monaten. Sie besuchen Integrations- und Sprachkurse, die Kinder gehen zur Schule. Yurii Bieliaiev blieb in der Ukraine zurück. Männer zwischen 18 und 60 dürfen das Land nicht verlassen. Der Vater wurde von seiner Familie getrennt.

Aber auch Yurii Bieliaiev blieb nicht in Charkiw. Die Stadt im Osten der Ukraine wurde heftig bombardiert, viele Gebäude sind zerstört. Der 42-Jährige hat eine Möbelfirma. Büros des Unternehmens sind auch in Lwiw. Der Westen der Ukraine blieb von Angriffen länger verschont als der Osten. Dort arbeitete er erst einmal weiter.

Eine zerstörte Grundschule in der Nähe des Bezirks Saltiwka, die von russischen Truppen beschossen wurde. Foto: DPA
Eine zerstörte Grundschule in der Nähe des Bezirks Saltiwka, die von russischen Truppen beschossen wurde. Foto: DPA

Einsatz für sein Land

Mit der Zeit meldeten sich immer mehr vor allem junge Mitarbeiter der Firma bei der Armee. „Sie wollten unser Land beschützen“, sagt Yurii Bieliaiev, seine Schwägerin Olga Kolchkova übersetzt für ihn im Gespräch mit den ON. Er unterstützte seine Mitarbeiter, wo er konnte. Das Engagement wuchs immer weiter. Inzwischen unterstützt die Firma die ukrainische Armee zum Beispiel mit Lieferungen. Auch Autos wurden bereits eingezogen, sagt Yurii Bieliaiev.

Bevor der Ukrainer das Land verlassen durfte, musste er zahlreiche Anträge ausfüllen. Denn nur unter bestimmten Voraussetzungen können Männer die ukrainische Grenze übertreten. In Yurii Bieliaievs Fall ist es die humanitäre Hilfe. Er ist mit einem Transporter nach Aurich gekommen. Auf dem Rückweg wird er sich dem Konvoi von Michael Kröger aus Barßel anschließen.

Das beste Geburtstagsgeschenk

Bis zuletzt war nicht klar, ob die Ausreise des 42-Jährigen genehmigt würde. Deswegen erzählte seine Frau Marianna Bieliaieva den Kindern nichts davon, dass ihr Vater auf dem Weg ist. Als er dann endlich vor knapp drei Wochen in Aurich ankam und wieder bei seiner Familie sein konnte, war vor allem die Freude bei den Kindern riesengroß. Yurii Bieliaiev hatte es rechtzeitig zum Geburtstag seiner Tochter am 20. Mai geschafft. „Für sie war es das beste Geschenk“, sagt Yurii Bieliaiev.

Bei aller Freude ist für Yurii Bieliaiev die Sorge über seine Eltern gewaltig. Sie leben in einem kleinen Dorf, das bereits von russischen Truppen besetzt wurde. „Dort können sie nicht bleiben“, sagt er. Am liebsten würde er sie nach Aurich bringen, zu ihrer Schwiegertochter und den Enkelkindern. Aber noch fehlt ihm dafür eine geeignete Unterkunft.

Vor allem Medikamente benötigt

Am Sonntagnachmittag fährt der Ukrainer Yurii Bieliaiev zurück in die Ukraine. In seinem Lastwagen ist noch Platz für Spenden. Dringend benötigt werden vor allem Medikamente. Aber auch Babynahrung und Windeln sind Mangelware. Wer noch spenden möchte, kann sich an Dr. Jochen Wessels unter Tel. (0 15 2) 07 78 20 34 oder (0 17 0) 10 34 84 3 wenden oder die Waren direkt zu Dr. Wessels bringen in die Eschener Gaste 22 in Aurich. Bei Bedarf werden die Spenden auch abgeholt.

Zudem sucht Yurii Bieliaiev eine Unterkunft für seine Eltern in der Nähe der Eschener Gaste 22, damit sie möglichst nah bei ihren Enkelkindern sein können. Angebote können ebenfalls an Dr. Wessels gerichtet werden.

So groß die Freude über das Wiedersehen war, so groß wird der Schmerz beim Abschied sein. Am Sonntag muss Yurii Bieliaiev zurück in die Ukraine. Seine Ausreisegenehmigung ist zeitlich begrenzt. Wann die Familie das nächste Mal vereint sein wird, weiß sie nicht. Schon beim letzten Mal hatten sie nicht damit gerechnet, dass die Trennung vom Vater über drei Monate andauern würde. Aber sie hoffen, dass diesmal nicht so viel Zeit vergehen wird, bis sie sich wieder sehen. Immerhin hat es mit der Ausreise schon einmal geklappt.

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