SPD-Kanzlerkandidatur „Keine Selbsthilfegruppe“: Heil verärgert über SPD-Querelen

Michael Fischer und Basil Wegener, dpa
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Von Michael Fischer und Basil Wegener, dpa
| 23.11.2024 05:32 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Juso-Chef Türmer attackiert die Parteiführung, jetzt reagiert der stellvertretende Parteivorsitzend Heil. Foto: Sebastian Willnow/dpa
Juso-Chef Türmer attackiert die Parteiführung, jetzt reagiert der stellvertretende Parteivorsitzend Heil. Foto: Sebastian Willnow/dpa
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Nach der quälenden Debatte um die K-Frage in der SPD greifen die Jusos die Parteispitze scharf an. Als erster aus der Parteiführung reagiert Arbeitsminister Heil.

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Hubertus Heil hat sich verärgert über die Querelen um die Kanzlerkandidatur seiner Partei gezeigt. „Das war nicht gut in den letzten Tagen, damit muss jetzt Schluss sein“, sagte der Arbeitsminister auf dem Bundeskongress der Jungsozialisten in Halle (Saale) in Sachsen-Anhalt. „Unsere sozialdemokratische Partei, das ist kein Selbstzweck und das ist keine Selbsthilfegruppe.“ 

Zum Auftakt des Juso-Kongresses hatte der Vorsitzende Philipp Türmer unter dem Applaus der rund 300 Delegierten den Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken Führungsversagen vorgeworfen: „So geht’s nicht weiter. Was war das eigentlich für eine Shit Show in den letzten Wochen“, sagte er an ihre Adresse.

Die Parteiführung hatte nach dem Koalitionsbruch und der Neuwahl-Entscheidung darauf verzichtet, Regierungschef Olaf Scholz sofort als Kanzlerkandidaten zu nominieren. Dadurch war in den vergangenen zwei Wochen eine Debatte über eine Einwechslung des weitaus beliebteren Verteidigungsministers Boris Pistorius entstanden. Sie wurde erst am Donnerstag durch Pistorius‘ Verzicht auf die Kandidatur beendet. Am Montag will der Vorstand nun Scholz als Kanzlerkandidaten nominieren.

Heil: „Ich habe persönlich darunter gelitten“

Heil kritisierte die Querelen mit klaren Worten, benannte anders als Türmer aber keine Verantwortlichen. „Ich habe persönlich auch darunter gelitten, dass diese SPD sich mit sich selbst beschäftigt hat“, sagte Heil. „Wir sind nicht für uns selbst da, sondern wir müssen das Richtige für die Menschen in unserem Land tun.“ 

Heil rief die Jusos aber auf, die Debatte nun zu beenden, den Blick nach vorne zu richten und sich auf die Wahl in genau drei Monaten am 23. Februar zu konzentrieren. „Wir müssen uns besser aufstellen als in den letzten Tagen“, sagte er. Bei der Wahl gehe es um eine „Richtungsentscheidung“ und die SPD müsse darum kämpfen, wieder stärkste Partei zu werden. „Kämpft mit, es geht nicht nur um uns, es geht um unser Land“, rief er den Jusos zu. Die SPD müsse sich jetzt „verdammt nochmal zusammenreißen und gemeinsam stehen, damit wir gewinnen“.

Scholz wieder nicht auf dem Juso-Kongress

Die Jungsozialisten sind die Jugendorganisation der SPD mit rund 70.000 Mitgliedern zwischen 14 und 35 Jahren. Sie stellen fast ein Viertel der SPD-Abgeordneten im Bundestag. Auf dem Bundeskongress werden am Nachmittag auch Parteichefin Esken und Generalsekretär Matthias Miersch erwartet. Kanzler Scholz wird wieder nicht teilnehmen. Er war in seinen fast drei Jahren als Regierungschef noch nie auf einen Juso-Kongress.

Juso-Chef zeigt keine Präferenz in K-Frage

Türmer hatte am Freitag keine Präferenz für Scholz oder Pistorius erkennen lassen. Den Kanzler und designierten Kanzlerkandidaten Scholz erwähnte er mit keinem Wort. Die Parteichefs Esken und Klingbeil griff er dagegen frontal an. Diskussionen seien zwar wichtig, aber sie müssten „ordentlich moderiert und angeleitet“ werden. „Und liebe Saskia, lieber Lars: Leider hatte ich zu keinem Zeitpunkt in den letzten Wochen den Eindruck, dass ihr die Herrschaft über diesen Prozess oder die Diskursherrschaft über die Partei oder gar einen klaren Plan hattet.“ 

Klingbeil verteidigt sein Vorgehen 

Heil ist nun der erste Vertreter der Parteiführung, der die Debatte um die Kanzlerkandidatur kritisiert. Klingbeil hat sein Vorgehen zuvor verteidigt. Natürlich müsse diskutiert werden in der Partei, sagte er am Freitag bei einer Konferenz von SPD-Kommunalpolitikern in Berlin. „Ich bin ein Parteivorsitzender, der nicht sagt Basta (...), sondern ich will auch reinhorchen in die Partei, ich will auch ernst nehmen, was diskutiert wird.“

Pistorius: „Ich liebe meine gegenwärtige Aufgabe“

Pistorius betonte heute bei einer Veranstaltung im Sauerland erneut, dass er sich als Kandidat nie ins Spiel gebracht und die Debatte nicht gewollt habe. „Ich liebe meine gegenwärtige Aufgabe, wirklich“, sagte er. Er sei mit seiner Arbeit für die Bundeswehr noch nicht fertig und strebe eine zweite Amtszeit als Verteidigungsminister an. „Es gibt noch viel zu tun. Also sorgen Sie dafür, dass ich Verteidigungsminister bleibe.“

Pistorius stellte sich bei der Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung vor 200 Zuhörern erneut klar hinter Scholz und nannte ihn den „richtigen Kanzlerkandidaten“. Er stehe für „Vernunft, Ruhe und Besonnenheit und für einen klaren Kompass“.

Scholz hält nächste Woche erste große Wahlkampfrede

Nach der Nominierung von Scholz durch den Parteivorstand am Montag ist eine gemeinsame Pressekonferenz von Scholz und den beiden Vorsitzenden Klingbeil und Esken geplant. Am 30. November soll der Kanzler und Kanzlerkandidat dann auf einer „Wahlsiegkonferenz“ im Berliner Willy-Brandt-Haus vor Kandidatinnen und Kandidaten seine erste große Wahlkampfrede halten. Am 11. Januar soll Scholz auf einem Parteitag dann noch einmal offiziell gekürt werden. 

Die Ausgangslage für Scholz könnte ungünstiger kaum sein. Wenn er wiedergewählt werden will, muss er eine extreme Aufholjagd hinlegen. In den Umfragen liegt die SPD mit Werten zwischen 14 und 16 Prozent noch 16 bis 19 Punkte hinter der Union.

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