Washington (dpa)
USA erwägen Lockerung von Reisebeschränkungen für Geimpfte
Seit vielen Monaten können Europäer bis auf wenige Ausnahmen wegen der Corona-Einreisebeschränkungen nicht in die USA reisen. Bewegt sich nun etwas? Die US-Behörden arbeiten vorsichtig an Plänen für eine Lockerung.
Vage Hoffnung auf künftige USA-Reisen für Europäer: Die US-Regierung arbeitet an Plänen, wie eine mögliche Lockerung der geltenden Einreisebeschränkungen ausgestaltet werden könnte.
Der Corona-Koordinator des Weißen Hauses, Jeff Zients, betonte am Donnerstag in Washington zwar, vorerst blieben die geltenden Reisebeschränkungen bestehen. Arbeitsgruppen entwickelten aber derzeit Pläne für den Zeitpunkt, an dem Einreisen wieder erlaubt werden könnten. Dafür „könnte“ der Nachweis der Impfung zur Voraussetzung werden, „aber das ist zum jetzigen Punkt nicht entschieden“, sagte Zients.
Es blieb zunächst also völlig offen, wie genau eine solche Regelung aussehen und wann sie kommen könnte. Zients betonte, angesichts der hochansteckenden Delta-Variante sei dies aktuell kein Thema. Auch die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, sagte, noch sei der Zeitpunkt für eine Aufhebung der Sperren nicht gekommen. Es seien verschiedene Optionen im Gespräch, wie eine Lockerung ausgestaltet werden könnte. Ein verpflichtender Impf-Nachweis werde dabei intensiv erwogen. Ein grundsätzliches Ziel sei, eine nachvollziehbare und gerechte Lösung zu finden, sagte Psaki weiter und räumte ein, dies sei bei den geltenden Beschränkungen nicht immer der Fall.
Deutsche Wirtschaftsvertreter äußerten sich trotz der vielen offenen Fragen bereits hoffnungsvoll angesichts der vorsichtigen Signale aus Washington. US-Medien hatten zuvor berichtet, die Regierung wolle ein System einführen, wonach alle ankommenden Ausländer künftig eine vollständige Corona-Impfung nachweisen müssten. In den Berichten hieß es, bei der erwogenen Impfvorschrift für Reisende seien „begrenzte Ausnahmen“ angedacht. Die Überlegungen stünden aber noch am Anfang.
Die praktische Umsetzung ist demnach insgesamt noch unklar - einschließlich der Frage, welche Impfnachweise anerkannt werden könnten. Auch soll noch nicht entschieden sein, ob die US-Behörden nur Impfungen mit Präparaten akzeptieren würden, die auch in den USA zugelassen sind. Möglich wäre auch, die Zulassung durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum Maßstab zu machen.
Die deutsche Industrie reagierte aber bereits erleichtert angesichts der Aussichten auf eine mögliche Rückkehr zu Reisen. Jede Lockerung der Beschränkungen helfe den in den USA aktiven deutschen Unternehmen, sagte Wolfgang Niedermark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie, der Deutschen Presse-Agentur. Die US-Regierung müsse nun bald Taten folgen lassen und „unbedingt sicherstellen, dass deutsche und europäische Impfnachweise in den USA anerkannt werden“, mahnte er.
In den USA sind bislang nur die Impfstoffe der Hersteller Moderna, Biontech/Pfizer und Johnson & Johnson erlaubt - Astrazeneca zum Beispiel aber nicht. Offen wäre somit auch, wie die Regelung aussehen könnte, wenn jemand verschiedene Präparate gespritzt bekommen hat - zum Beispiel Biontech/Pfizer und Astrazeneca.
Seit 2020 gilt in den USA wegen der Pandemie ein weitreichendes Einreiseverbot für Reisende aus dem Schengen-Raum. Es gibt nur wenige Ausnahmen, etwa für enge Verwandte von US-Amerikanern, Diplomaten oder Mitarbeiter internationaler Organisationen. In Einzelfällen werden Sondergenehmigungen für die Einreise erteilt. Doch für die ganz große Mehrheit der Europäer gibt es derzeit keinen Weg, ins Land zu kommen. Auch Einreisen aus China, Südafrika und Brasilien sind auf Ausnahmen begrenzt. Alle Fluggäste müssen bei der Einreise in die USA einen negativen Corona-Test vorweisen. Das gilt auch für Amerikaner.
Die EU dagegen hatte die Mitgliedsstaaten bereits im Juni aufgefordert, Beschränkungen für Reisende aus den USA und mehreren anderen Ländern schrittweise aufzuheben. Deutschland hatte daraufhin Einreisen unter anderem aus den USA „zu allen zulässigen Aufenthaltszwecken einschließlich Tourismus“ wieder erlaubt - und sich im Gegenzug von Washington ebenfalls eine Lockerung erhofft.
US-Präsident Joe Biden hatte Mitte Juli beim Besuch von Kanzlerin Angela Merkel im Weißen Haus in Aussicht gestellt, sich innerhalb weniger Tage zu den Beschränkungen der Einreisen aus Europa zu äußern. Das weckte viele Hoffnungen. Nach einigem Warten verkündete das Weiße Haus dann in der vergangenen Woche jedoch lediglich: Alles bleibt vorerst so, wie es ist. Die Dramaturgie - Bidens Ankündigung, nur um dann beim Status quo zu bleiben - gab einige Rätsel auf.
Laut CNN war die US-Regierung in diesem Jahr bereits kurz davor, einige Einreisebeschränkungen zu lockern, nahm dann wegen der Ausbreitung der Delta-Variante aber Abstand davon. Das Weiße Haus hatte die Delta-Variante in der vergangenen Woche auch explizit als Grund für die Entscheidung genannt, vorerst nichts zu ändern.
Die weitgehende Einreisesperre trennt nicht nur Familien und Freunde. Sie plagt auch die Geschäftswelt und den Tourismus. Die deutsche Wirtschaft macht bei diesem Thema seit längerer Zeit Druck.
Nun geht einmal mehr Hoffnung um. Die Lufthansa erwartet schon in naher Zukunft Einreisemöglichkeiten für voll geimpfte EU-Bürger in die USA. Entsprechende Verlautbarungen der US-Regierung werte er als klares Signal, dass mit hohem Tempo an einem Plan gearbeitet werde, sagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr in Frankfurt. Ein Zeitplan für Reiseerleichterungen liege zwar nicht vor. Lufthansa plane bislang konservativ, dass bis Ende September Geimpfte wieder in die USA einreisen können. Er sei aber hoffnungsvoll, dass dies auch schon früher geschehen könne, meinte Spohr.
Angesichts fortschreitender Impfkampagnen hatte sich die Corona-Lage auf beiden Seiten des Atlantiks in den vergangenen Monaten deutlich gebessert. Wegen der Delta-Variante steigen die Fallzahlen sowohl in den USA als auch in einigen Ländern Europas nun aber wieder.
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