Hilfe für die Flutopfer
Wiederaufbau zwischen den Trümmern
Drei Wochen nach der Flutkatastrophe versuchen die Betroffenen in Eschweiler und Stolberg noch immer, zu retten, was zu retten ist. Diese Zeitung sammelt Spenden für die Opfer des Unwetters.
Gemeinsam mit der Aachener Zeitung (AZ) sammelt diese Zeitung Spenden für die Flutopfer. Dieser Text ist in der AZ erschienen.
Eschweiler - Auf den ersten Blick wirkt die Eschweiler Innenstadt fast schon normal. Zumindest hat die Bäckerei an der Kreuzung Indestraße/ Grabenstraße wieder geöffnet. Bei genauerem Hinsehen wird allerdings klar, dass die Folgen des Hochwassers noch nicht überstanden sind. Der Verkauf von Backwaren läuft zwar, jedoch gibt es keinen Strom. Somit wird kein Geschirr an die Kunden ausgegeben – die Spülmaschine ist außer Betrieb. Drei bis vier Wochen könne das noch soweitergehen, erläutert die Verkäuferin.
Wer die Neustraße entlang in die Innenstadt läuft, sieht Überreste von Sandsäcken. Unmengen an Schutt erinnert an die Flutkatastrophe – auch wenn es beeindruckend ist, wie viel bereits aufgeräumt und weggeschafft wurde. Der Blick ins Innere zeigt, dass noch viel zu tun ist. Unzählige Gebäude sind nach wie vor voller Schlamm; vor einer Apotheke werden von Dreck überzogene Mülltonnen mit Wasserschläuchen abgespritzt.
Fast alles wurde von der Flut zerstört
Jörg Drescher lädt in diesem Moment Bücher in sein Auto. Bestellungen nimmt der Inhaber der Buchhandlung Oelrich & Drescher zurzeit über das Internet an. Diese liegen drinnen sortiert auf einem Tisch. Ansonsten ist der einst mit Bücherregalen gefüllte Raum leer. „Die Kunden holen ihre Bestellungen in ein paar Tagen ab“, sagt Drescher. Internet gibt es nicht, deswegen sei nur Bargeldzahlung möglich. „Wir werden umziehen und für die kommenden Monate provisorisch einen Pop-Up-Store einrichten.“ Denn bald starten die Bauarbeiten in der Buchhandlung. Drescher spricht von einem „Totalschaden“. 90 Prozent der Ware und die komplette Einrichtung habe er entsorgen müssen. Denn nicht nur Wasser, sondern auch Öl, Benzin und Abwasser sind in die Räume gedrungen. „Selbst wenn Bücher oben gelagert waren, sind sie durch die Luft vollgesogen und somit beschädigt“, erläutert Drescher. Bis 5 Uhr morgens am Hochwasserdonnerstag, 15. Juli, habe er Wasser rausgeschippt – am Ende vergeblich, weil es irgendwann durch den Kellerboden nach oben kam.
Ein paar Meter weiter sieht sich ein Passant vor einem Friseursalon auf der Straße liegende Haarwaschbecken an. „Ich wohne in Röhe und war im Urlaub, als das alles passiert ist“, sagt er und geht weiter. Nicht nur er hört permanent Geräusche von Bohrmaschinen; viel Knall und Getöse. Handwerker laden mit Schubkarren Schutt in Baucontainer. An den meisten Geschäftstüren hängen Zettel: „Aufgrund der Flutkatastrophe sind wir nur telefonisch per Handy erreichbar.“
Fühlte sich an „wie im Krieg“
Aber es gibt auch Hoffnung. Am Eingang eines Bekleidungsgeschäfts steht: „Wir machen weiter – übergangsweise findet ihr uns demnächst an der Jülicher Straße.“ Daneben gibt es ein Dankesschild an die Helfer, das sich eine Anwohnerin der Josefstraße durchliest. „Es ist schrecklich. Wenn man durch die Innenstadt läuft, möchte man nur weinen.“ Den Dankeszettel haben die Kinder von Anwohner Günter Fore angebracht. „Sie haben drei Tage geholfen, den Dreck im Laden zu beseitigen.“ Die Zeit unmittelbar nach dem Hochwasser hat er in keiner guten Erinnerung: „Es gab kein Wasser, kein Licht, es herrschte Totenstille. So müssen sich meine Eltern im Krieg gefühlt haben.“
Gegenüber ist Modistin Brigitte Schuster-Gruppe dabei, in ihrem Hutgeschäft die restliche Tapete von der Wand zu entfernen. Der Teppichboden ist ebenfalls herausgerissen. Im hinteren Ladenbereich steht ein Luftentfeuchter. „Wir waren schon mit der Coronavirus-Krise gebeutelt, und nun das“, sagt sie. Ihre Möbel, Schaukasten und Deko musste sie entsorgen. Nur ihre Theke hat sie retten können. Dennoch ist der Verkauf pausiert, denn viele ihrer Kleidungsstücke wie Strickmützen, Schals und Handschuhe waren unrettbar. Stoffe und Filze musste sie auch wegwerfen. Lediglich die Winterware, die oben in den Regalen lag, ist bei Verwandten im Keller und auf dem Speicher in Sicherheit. Auch mit ihren elektrischen Geräten wie Nähmaschinen und Bügeleisen hatte die Modistin Glück. Nun müssen die Räume durchtrocknen und danach der Laden erneuert werden – das macht Brigitte Schuster-Gruppe größtenteils selbst, denn eine Versicherung gegen Elementarschäden habe sie nicht. Sie ist optimistisch, dass sie zum Herbst hin wiedereröffnen kann.
„Diese Gewalt kann man sich nicht vorstellen“
Ortswechsel: Das Hochwasser hat auch die nahe der Inde gelegene Gutenbergstraße schwer getroffen. Anders als in der Innenstadt liegt dort nicht mehr Schutt an der Straße. Dafür sind zahlreiche Wagen von Betrieben für Sanitär, Heizung, Kanal und Bautenschutz ein Hinweis darauf, dass Arbeiten im Inneren der Gebäude stattfinden. An der angrenzenden Steinstraße nahe dem städtischen Hallenbad hingegen stehen noch Baucontainer mit Schutt an den Straßenrändern, fast alle Haustüren stehen offen. Baustellengeräusche dringen nach draußen, an den Wänden hat das Wasser einen Abdruck hinterlassen. 2,20 Meter hoch stand es bei einem Anwohner, der fassungslos sagt: „Diese Gewalt kann man sich nicht vorstellen.“
Auch Olga Treskau hat es schwer getroffen: Sie und ihr Mann haben gerade erst renoviert und eine neue Küche gekauft – nun ist alles dahin. Eine Versicherung gegen Hochwasserschäden haben sie nicht. Sie und ihr Mann wollen, soweit es geht, das Meiste in Eigenregie erneuern. Melissa Patti hingegen hat eine Elementarschadenversicherung. Sie ist gerade dabei, mit den Stuckateuren die Wände zu inspizieren. Ihr Haus ist derzeit unbewohnbar. Erst im vergangenen Jahr ist die junge Familie – bestehend aus Melissa Patti, ihrem Mann Giovanni, dem dreijährigen Sohn Emilio sowie Hund und Katzen – dort eingezogen. Nun müssen sie bei ihren Eltern unterkommen. Bereits um 15 Uhr am Hochwassermittwoch des 14. Juli brachte die Feuerwehr der Familie Sandsäcke. Aber es half nichts. „Wir haben das Wasser mit Eimern herausgetragen, aber es hatte keinen Sinn, dagegen anzukämpfen. Irgendwann kam es aus den Wänden und Fliesen.“
Kindheitsalben verloren
Die Kindheitsalben ihres Sohnes habe sie nicht mehr retten können. „Emilio ist seit dieser Erfahrung sehr anhänglich. Eigentlich schläft er seit seiner Geburt durch, aber in letzter Zeit kommt er immer zu uns ins Bett.“ Der Dreijährige frage seine Mutter ständig: Geht beim nächsten Regen unser Haus wieder kaputt? Mittlerweile kann Melissa Patti gefasst über ihre Erlebnisse sprechen. „Aber am Freitag nach dem Hochwasser konnte ich noch nicht hierherkommen, da habe ich nur geweint.“
Wenn sie und ihr Mann das Haus an der Steinstraße nicht gekauft hätten, wäre sie nicht mehr zurückgekehrt, sagt sie. So ist sie nun mit Renovierungsarbeiten beschäftigt – wie mehr als drei Wochen nach der Hochwasserkatastrophe viele Menschen in Eschweiler, die zwischen all den Trümmern ihr Zuhause oder Geschäft wiederaufbauen.
So können ON-Leser helfen
Seit über zwei Wochen läuft die Spendenaktion der Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO), zu der auch diese Zeitung gehört. Über das Hilfswerk „Ein Herz für Ostfriesland“, eine Tochter der ZGO, wird Geld für Menschen in Eschweiler und Stolberg gesammelt. Die Orte wurden besonders hart von der Flut getroffen.
Das Spendenkonto lautet: „Ein Herz für Ostfriesland gGmbH“, IBAN: DE 51 2856 2297 0414 5372 00 bei der Raiffeisen-Volksbank Aurich. Gespendet werden kann auch hier direkt über Paypal. Jeder einzelne Spenden-Euro geht an die Flutopfer. Die Verwaltungskosten der „Ein Herz für Ostfriesland gGmbH“ werden komplett von der Zeitungsgruppe Ostfriesland getragen. Es gibt keinerlei Verrechnungen oder Abzüge.
Wer nicht möchte, dass sein Name in der Zeitung veröffentlicht wird, muss das bitte auf der Überweisung vermerken. Bis zu einer Spende von 199 Euro erkennt das Finanzamt den Einzahlungsbeleg an. Bei höheren Beträgen können Spendenquittungen ausgestellt werden. Nähere Informationen gibt es per E-Mail.
Weitere Infos zur Aktion gibt es hier.