Berlin (dpa)

Wie Radfahren im „Autoland“ attraktiver werden soll

Andreas Hoenig, dpa
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Von Andreas Hoenig, dpa
| 11.08.2021 15:55 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
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Fahrradfahren muss im Alltag stressfreier werden, fordert der Fahrrad-Club ADFC. Welche grundlegende Veränderungen er will - und was in den Wahlprogrammen der Parteien steht.

Radfahren wird immer beliebter in Deutschland - aber viele Radfahrerinnen und Radfahrer kennen das: Es gibt zu wenig Radwege und kein lückenloses Netz, man muss auf die Straße ausweichen.

An Kreuzungen ist es oft unsicher, zum Beispiel wenn Lastwagen abbiegen. Und an Bahnhöfen und anderen Orten gibt es oft nicht genügend Stellplätze. Beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club ADFC heißt es wenige Wochen vor der Bundestagswahl ernüchternd: „Deutschland ist leider immer noch Autoland und noch nicht Fahrradland“, sagt Bundesgeschäftsführerin Ann-Kathrin Schneider der Deutschen Presse-Agentur.

Deutschland hinke im internationalen Vergleich hinterher. „Das Fahrrad ist aber ein Schlüssel für die Verkehrswende und für unseren Kampf gegen die Klimakrise. Beim Fahrrad könnte man mit relativ wenig Geld in kurzer Zeit enorm viel erreichen.“

Infrastruktur unzureichend

Der ADFC hält grundlegende Veränderungen für nötig. Da ist zum einen die Finanzierung. „Die Fahrrad-Infrastruktur in Deutschland ist unzureichend, auch die Finanzierung. Das ist ein himmelweiter Unterschied zum Auto“, sagt Schneider. Zwar sind die Ausgaben für den Radverkehr unter Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) angehoben worden. Im neuen Nationalen Radverkehrsplan heißt es, die finanzielle Förderung des Radverkehrs durch Bund, Länder und Kommunen solle sich an rund 30 Euro je Person und Jahr orientieren - perspektivisch. Das wäre bei den Pro-Kopf-Ausgaben eine Verdreifachung, so Schneider. Sie fordert eine Verstetigung der Mittel und eine gesetzliche Grundlage dafür, dass es jährlich ausreichende Etats für die Fahrradinfrastruktur gebe.

Beim Radverkehr geht es außerdem um die Frage, wie Radfahren sicherer werden soll. Zwar ist die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten insgesamt deutlich gesunken. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes ging aber die Zahl der getöteten Radfahrer unterdurchschnittlich zurück.

Im Nationalen Radverkehrsplan wird folgendes Ziel genannt: Gegenüber 2019 soll sich die Zahl der im Verkehr getöteten Radfahrenden um 40 Prozent verringern, trotz deutlich mehr Radverkehr. Denn der Verkauf von Fahrrädern boomt: Nach Zahlen des Zweirad-Industrie-Verbands legte im Pandemie-Jahr 2020 der Absatz an Fahrrädern und E-Bikes um knapp 17 Prozent zu.

Für weniger Stress

Mehr Fahrräder - aber wie hält die Förderung des Radverkehrs Schritt? Fahrradfahren müsse im Alltag stressfreier werden, sagt Schneider. „Wir brauchen dafür viel mehr geschützte Radwege, vor allem an Hauptstraßen. An Kreuzungen muss es einen geschützten Bereich geben, wo man als Radfahrer steht und nichts passieren kann.“ Es müsse weniger Platz für Autos in Städten geben - und mehr Raum für die anderen Nutzer wie Fußgänger und Radfahrer.

Außerdem müsse das Straßenverkehrsgesetz reformiert werden - der Bau von Radwegen in Kommunen müsse erleichtert werden. Bisher müssten Kommunen für neue Fahrradstraßen beweisen können, dass der Radverkehr der dominante Verkehr sei oder werde, oberste Prämisse sei bisher ein flüssiger und möglichst zügiger Autoverkehr. „Alles andere, was gemacht wird, gilt als Gefahrenabwehr gegenüber dem Autoverkehr“, so Schneider. „Das heißt, man darf einen Radweg eigentlich nur anlegen, wenn eine ganz gefährliche Stelle entschärft wird. Man muss künftig Radwege einrichten können aus Gründen des Klimaschutzes und zur Förderung des Radverkehrs.“

Debatte um Tempo 30 innerorts

Eine weitere Debatte ist Tempo 30 innerorts, damit Fahrradfahren sicherer werde, wie Schneider sagt. Scheuer lehnt dies ab. Er hatte der dpa gesagt: „Wir wollen den Kommunen mehr Handlungsspielräume für Erprobungen geben und haben das Einrichten von Tempo-30-Zonen an Gefahrenstellen oder in Wohngebieten schon längst erleichtert. Aber ein generelles, flächendeckendes Tempo 30 in Innenstädten ist mir zu pauschal.“

Auch die Grünen wollen Tempo 30 innerorts als Regel. Deutschland solle ein „Fahrradland“ werden, fordern sie in ihrem Wahlprogramm: „Das Fahrrad hat für die Mobilitätswende riesiges Potenzial. Bereits jetzt boomt die Fahrradindustrie und schafft Arbeitsplätze.“ Die Anzahl der Wege mit Rad und zu Fuß solle bis 2030 verdoppelt werden.

Auch die meisten anderen großen Parteien sind sich in ihren Programmen einig: Radfahren soll im Alltag sicherer und attraktiver werden. Die Union setzt auf gut ausgebaute und gut vernetzte Radwege, Radschnellwege und mehr Abstellmöglichkeiten. Die SPD will Kommunen dabei unterstützen, in Städten mehr Fläche für Radfahrer zu schaffen und den Straßenverkehr sicherer zu machen. Aus Sicht der FDP müssen bei der Verkehrsplanung die Bedürfnisse des Radverkehrs umfassend berücksichtigt werden - mit mehr sicheren Radwegen und Radfahrstreifen.

Auch die Linke will mehr Platz fürs Fahrrad auf Straßen, mehr sichere und intakte Rad- und Fußwege und mehr Fahrradabstellanlagen. In den Städten und Ballungsgebieten müssten Radschnellwege mit grüner Welle geschaffen werden. Die AfD dagegen präsentiert sich als Autofahrer-Partei. Sie will den „motorisierten Individualverkehr“ als beliebteste Möglichkeit der Fortbewegung fördern. Innerstädtische Fahrspuren und Parkraum sollten ausgebaut werden, um das wachsende Verkehrschaos zu vermeiden.

© dpa-infocom, dpa:210811-99-806344/2

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