Patong (dpa)

Keine Party auf Phuket - Trauminsel mit Pilotprojekt

Carola Frentzen, dpa
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Von Carola Frentzen, dpa
| 12.08.2021 15:45 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
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Thailands Trauminsel Phuket ist eines der ganz wenigen Fernziele, wo Europäer seit einigen Wochen wieder quarantänefrei Urlaub machen können. Wie erleben Touristen die exotische Modellregion?

Der Himmel über Phuket klart auf, gerade rechtzeitig vor Sonnenuntergang. Eilig bringt ein Mann Plastikstühle herbei und positioniert sie im Sand am Patong Beach.

Vielleicht hat ein Tourist ja Lust auf einen Sundowner zum abendlichen Farbenspektakel über der Andamanensee? Gekühlte Getränke stehen bereit.

Aber es kommt keiner. Wo vor Corona das Leben tobte, herrscht jetzt tote Hose. Volle Strände sind zu einsamen Buchten mutiert, sonst gut besuchte Tempel und Monumente wie der 45 Meter hohe Big Buddha bleiben menschenleer.

Am 1. Juli hat die größte Insel Thailands ihr mit Spannung erwartetes Corona-Modellprojekt „Sandbox“ zur Wiederbelebung des Tourismus gestartet. Seither ist Phuket weltweit eines der wenigen Fernziele, wo Menschen aus fast 70 Ländern quarantänefrei Ferien machen können - sofern sie vollständig geimpft sind.

Weniger Touristen als erhofft

Aber so viele, wie die Behörden sich ausgemalt haben, sind nicht gekommen. Rund 17.000 waren es in den ersten sechs Wochen. Yuthasak Supasorn, der Gouverneur des Thailändischen Fremdenverkehrsamtes, hatte von Juli bis September auf mindestens 100.000 gehofft. Und selbst das wäre immer noch ein Bruchteil dessen, was einmal war: Vor Corona reisten jährlich mehr als neun Millionen Menschen an. 80 Prozent aller Einnahmen Phukets stammen aus dem Tourismussektor.

Der fehlende Enthusiasmus hat nicht nur damit zu tun, dass Regenzeit herrscht. Denn Sonnenstunden gibt es immer noch genug. „Die meisten waren sicher von dem komplizierten Papierkram im Vorfeld und den strengen Regeln abgeschreckt“, sagt Hardy Wutke. Der 59-jährige Zugführer aus der Nähe von Berlin ist gekommen, weil er seinen Lebenspartner Watt aus Pattaya schon seit März 2020 nicht mehr gesehen hat. Die beiden sind seit 17 Jahren zusammen - dass sie sich einmal so lange nicht sehen würden, hätten beide nie erwartet.

„Aber für zwei, drei Wochen Urlaub ist das alles schon extrem aufwendig“, meint Wutke. Einige sind hier, weil sie in Thailand arbeiten und die Hotelquarantäne in Bangkok umgehen wollen. Andere - wie Nina und Noé aus Köln - haben ein Auslandssemester in Thailand geplant und deshalb das Sandbox-Programm gewählt. Aber manche hatten auch einfach Fernweh nach der langen Corona-Pause.

Ein Stapel Dokumente im Gepäck

Wie anders ein Thailand-Urlaub 2021 ist, wird schon am Flughafen klar. Ankommende werden von Airport-Mitarbeitern in Schutzkleidung samt Masken und Gesichtsschirm empfangen. Freundlich, aber bestimmt. Jeder Reisende hat einen ganzen Stapel Dokumente dabei, die streng kontrolliert werden. Negativer PCR-Test? Hotelbuchung? Impfpass? Certificate of Entry? Auslandskrankenversicherung?

Ist alles in Ordnung, geht es umgehend zu einem weiteren PCR-Test - durch beide Nasenlöcher. „Die sind hier nicht zimperlich, ich dachte, die bohren mir ins Hirn“, sagt Wutke. Drei Tests stehen innerhalb von zwei Wochen an. Wer Corona-positiv ist, muss in Quarantäne - ins Krankenhaus.

Im Hotel wird derweil jeden Morgen Fieber gemessen. Zudem müssen die Gäste eine Tracking-App installieren. In Tempeln stehen Desinfektionsmittel gleich neben Buddha-Statuen. Selbst beim Mieten einer Strandliege ist oft eine schriftliche Registrierung nötig.

Wer trotz allem die Reise gewagt hat, erlebt Phuket so, wie es früher einmal war: still und verschlafen, keine Spur von Party in Patong, gedrängten Sonnenanbetern am Surin Beach oder überfüllten Ausflugsbooten in Chalong Bay. Die Kehrseite: Viele Thais haben durch das Virus ihre Existenz verloren. Manche dösen in ihren Tuk Tuks in der schwülen Hitze, andere preisen lächelnd ihre Waren an, meist für wenige Thai Baht. Oft warten sie einen ganzen Tag lang vergeblich.

„Bisher läuft es nicht so gut“, sagt Pip, die an der berühmten Bangla Road in Patong einen Massagesalon betreibt. „Keine Prostitution. Keine Waffen“, steht an der Tür. Es muss hier hoch hergegangen sein, vor Corona.

Die zierliche Thai sitzt im Schatten und zieht sich den roten Sarong zurecht. „Sandbox gibt es jetzt seit über einem Monat, aber es sind kaum Leute da. Gestern hatte ich gar keinen Kunden und heute zwei.“ Dennoch ist sie dankbar. „Wenigstens haben wir wieder etwas Arbeit - und das ist besser als gar nichts zu verdienen.“

Santos betreibt gegenüber die Schneiderei „Andaman“. Edler Zwirn für maßgeschneiderte Mode stapelt sich bis zur Decke. Kaschmir, Seide, feinstes Leinen - auch dafür ist Thailand bekannt. „Vor der Pandemie konnte man hier vor lauter Leuten die Straße kaum sehen“, sagt der Mann aus Myanmar, der seit 15 Jahren auf Phuket ist. Und jetzt? In den Lokalen türmen sich Barhocker auf den Tischen, Türen sind vernagelt, Bars verwaist, nur einige Souvenirshops sind offen. Sein Geschäft sei seit Corona um 90 Prozent eingebrochen, sagt Santos.

Die Regeln ändern sich ständig

Bei manchen Touristen regt sich derweil Unmut. Denn die Regeln ändern sich ständig. Das hat vor allem damit zu tun, dass auch auf Phuket - wie im Rest des Landes - die Corona-Zahlen bei der lokalen Bevölkerung steigen. Das hatte die Regierung wohl nicht erwartet - hatte sie doch im Eiltempo 70 Prozent der Inselbewohner geimpft und auf Herdenimmunität gehofft. Gespritzt wurde das chinesische Vakzin Sinovac. Mittlerweile sind sich aber auch Experten sicher, dass die Mittel aus dem Reich der Mitte nicht besonders zuverlässig wirken.

Wurde Urlaubern zunächst versprochen, dass sie nach 14 obligatorischen Tagen auf Phuket auch andere Landesteile besuchen dürfen, so hat sich diese Hoffnung derzeit für viele zerschlagen. Inlandsflüge wurden bis mindestens Mitte August ausgesetzt, Phuket ist weitgehend abgeriegelt, auch die Hauptstadt Bangkok ist dicht.

Bernhard aus Westfalen hatte es Ende Juli noch geschafft, mit einem Motorrad die Insel zu verlassen. Er fuhr Richtung Norden, war in der Provinz unterwegs. „Da haben selbst die Behörden noch nie was vom Phuket-Sandbox-Projekt gehört“, erzählt er. In einem Dorf wollten sie den Deutschen umgehend in Quarantäne stecken, trotz aller Dokumente. Als er in Pattaya ankam - vor Corona ein weiterer Touristen-Hotspot -, musste er feststellen, dass die Strände abgeriegelt sind.

Auf Phuket wurde derweil über Nacht der Alkoholausschank verboten. Plötzlich nicht einmal ein Glas Singha- oder Chang-Bier trinken zu können, stößt vielen bitter auf. „Die Idee der Phuket Sandbox ist gut“, sagt Hardy Wutke und schaut am Patong Beach auf das türkise Meer. „Nur war es nicht in letzter Konsequenz durchdacht.“ Und der Schneider Santos ist überzeugt, dass es mindestens noch zwei Jahre dauern wird, bis Phuket wieder so sein wird, wie es vor Corona war.

© dpa-infocom, dpa:210812-99-815531/2

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