Berlin/Dresden (dpa)
Kurt Biedenkopf ist tot - Politik würdigt Charakterkopf
Er war so etwas wie der Übervater der sächsischen Union: Biedenkopf prägte die Nachwendezeit. Nun starb „König Kurt“. Nicht nur Politiker aus dem eigenen Lager würdigen den Ex-Ministerpräsidenten.
Trauer um den gestorbenen früheren sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf: Politiker in ganz Deutschland haben Biedenkopf als prägende politische Gestalt gewürdigt.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier betonte die großen Verdienste um das Zusammenwachsen von Ost und West. „Ihr Mann war eine wichtige Integrationsfigur, ein Symbol der inneren Einheit“, heißt es in einem Kondolenzschreiben an die Witwe Ingrid Biedenkopf. „Als Modernisierer hat er die Volkspartei CDU und die Reformfähigkeit Deutschlands gestärkt.“ Der Name Kurt Biedenkopf werde für ihn immer mit dem politischen Aufbruch in Ostdeutschland nach der Friedlichen Revolution verbunden bleiben, schrieb Steinmeier.
Bundesregierung: „Land mit geprägt“
Kanzlerin Angela Merkel würdigte die Aufbauleistung Biedenkopfs in seinem Bundesland. „Es ist ein Glück, dass er sich 1990 für den Freistaat Sachsen in die Verantwortung nehmen ließ“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin in der Bundespressekonferenz. „Er hat dort zwölf erfolgreiche Jahre als Ministerpräsident gearbeitet und in sehr herausfordernden Zeiten das Land mit geprägt.“
Seibert erklärte weiter: „Kurt Biedenkopf war ein herausragender politischer Kopf, ein Intellektueller und ein politischer Macher.“ Die Kanzlerin bleibe ihm „dankbar für viele Begegnungen und Gespräche, für einen immer anregenden Austausch und für guten, vertrauensvollen Rat“.
Sachsen plant Trauerakt
Biedenkopf war am Donnerstagabend im Alter von 91 Jahren gestorben. Er sei im Kreis seiner Familie friedlich eingeschlafen, teilte die Staatskanzlei in Dresden im Auftrag der Familie am Freitag mit. Die Beisetzung soll im engsten Familienkreis stattfinden. In Abstimmung mit der Familie will Sachsen einen Trauerakt ausrichten.
„Er war ein Ausnahmepolitiker, ein Staatsmann und ein Landesvater im besten Sinne“, sagte Unionskanzlerkandidat Armin Laschet. Biedenkopf sei als erster Ministerpräsident Sachsens ein „Motor der deutschen Einheit“ gewesen. Er habe das Land zu einer blühenden Landschaft und zu einem Hightech-Standort gemacht. Als Generalsekretär der CDU habe Biedenkopf die Partei in den siebziger Jahren modernisiert. „Er war der Architekt der modernen CDU und programmatischer Taktgeber“.
„Großer Sachse ist von uns gegangen“
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) würdigte den auch als „König Kurt“ bekannten Politiker als große deutsche Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts. „Ein großer Sachse ist von uns gegangen.“ Unter der Biedenkopf-Ägide seien die sächsische Verwaltung neu errichtet sowie Hochschulen und Wissenschaft grundlegend reformiert worden. Kretschmer erinnerte zudem an das Engagement bei der Ansiedlung von Unternehmen sowie wichtige Weichenstellungen für Infrastruktur, Kultur und Kunst. Kretschmer bezeichnete Biedenkopf als „begnadeten Redner und Erklärer der Weltlage.“ „Wir alle haben einen großartigen Menschen verloren.“
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) lobte Biedenkopf auf Twitter unter anderem für seine klare Abgrenzung zur AfD und dankte ihm für vielfältige Gespräche. „Kurt Biedenkopf war eine außergewöhnliche Person. Prägend in Ost&West“, schrieb Ramelow. FDP-Bundeschef Christian Lindner sprach von Biedenkopf als „Vordenker und Visionär“ über Parteigrenzen hinweg. Er sei ein unabhängiger Charakterkopf gewesen, so Lindner.
Wende seine Chance fürs Comeback
Biedenkopf war am 28. Januar 1930 in Ludwigshafen zur Welt gekommen. 1973 wurde der Rechtsprofessor auf Vorschlag des damaligen Parteichefs Helmut Kohl Generalsekretär der CDU. Später avancierte er zum Rivalen Kohls. In den 1980er Jahren machte er nur noch bei der CDU Nordrhein-Westfalen von sich reden, am Ende des Jahrzehnts war Biedenkopfs politische Laufbahn im Grunde zu Ende. Doch die Wende in der DDR eröffnete ihm die Chance für ein Comeback.
Der CDU-Politiker Lothar Späth überredete ihn, in den Osten zu gehen und sich in Sachsen um das Amt des Ministerpräsidenten zu bewerben. Biedenkopf gab als Grund später an, er habe gemeinsam mit seiner Ehefrau Ingrid dem Land dienen wollen. Sachsen erlebte unter seiner Führung in den 1990er Jahren eine Gründerzeit. Drei Mal beschaffte er der Union im Freistaat bei Landtagswahlen eine absolute Mehrheit. Die Sachsen nannten ihn „König Kurt“. Ministerpräsident in Sachsen war er von 1990 bis 2002.
Das Ende von Biedenkopfs Amtszeit war allerdings weniger rühmlich. Affären wie die um Rabattkäufe beim Möbelhaus Ikea beschleunigten seinen Fall. Schon zuvor war der Konflikt um seine Nachfolge offen ausgebrochen. Letztlich unterlag Biedenkopf in einem parteiinternen Machtkampf seinem früheren Finanzminister Georg Milbradt. Im April 2002 schied Biedenkopf im Alter von 72 Jahren aus dem Amt. Dennoch blieb er in der Sachsen-CDU präsent - vor allem, wenn es mal nicht so lief in der Partei. Er arbeitete später wieder als Rechtsanwalt und publizierte. Auch der Politik blieb er verbunden - etwa als Ombudsrat für Hartz-IV-Beschwerden.
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