Berlin (dpa)
GDL droht weiter mit Streik
Die Atempause für die Fahrgäste könnte bald vorüber sein: Im Tarifkonflikt bleiben die Fronten verhärtet, nun droht die GDL auch vor der Bahn-Zentrale mit Streik - lässt sonst aber alles offen.
Fahrgäste der Deutschen Bahn müssen weiterhin einen Streik befürchten. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) erneuerte am Dienstag die Drohung mit einem Arbeitskampf.
Vor Mitgliedern sagte der Vorsitzende Claus Weselsky bei einer Protestkundgebung vor der Zentrale des Staatskonzerns in Berlin: „Ihr wisst, dass wir dieses letzte Mittel wieder zum Einsatz bringen müssen, wenn das Management, unterstützt vom Eigentümer, sich weiter so verhält.“ Wann die GDL wieder streiken könnte, sagte er nicht.
„Wir werden - anders als beim letzten Mal - rechtzeitig die Information absetzen“, sagte Weselsky. Eine Zeitspanne wollte er aber nicht nennen.
Eine Lösung im Tarifkonflikt könne zum Greifen nahe sein, sagte eine Bahn-Sprecherin. „Daher rufen wir die GDL auf, auf weitere Ferienstreiks zu verzichten und endlich seriös zu verhandeln.“ Es sei nicht die Zeit für permanente Konfrontation zulasten der Kunden.
Die GDL werde sich nicht auf einen Tarifvertrag wie an den Flughäfen einlassen, sagte Weselsky unter Bezug auf das Angebot des Konzerns. Auch der Abschluss des öffentlichen Dienstes sei angesichts der gestiegenen Inflation ein schmaler Abschluss.
Eine Schlichtung lehnte der Gewerkschaftschef ab. Mit der Schlichtung im vergangenen Herbst sei „die letzte Patrone“ verschossen worden. „Was hier stattfindet, ist nicht zu schlichten.“ Weselsky warf dem Management auch vor, die Betriebsrenten kürzen zu wollen. Die Bahn weist das zurück. Weselyks nannte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler in diesem Zusammenhang einen „Lügenbaron“.
Ein neuer Streik dürfte wieder Millionen Fahrgäste treffen, darunter viele Urlaubsreisende. In zehn Bundesländern sind noch Schulferien. Die GDL hatte erst vergangene Woche zwei Tage lang große Teile des Personenverkehrs lahmgelegt, im Güterverkehr dauerte der Streik noch einige Stunden länger. Sie kämpft um eine bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten; zugleich will sie ihren Einfluss im Bahn-Konzern ausdehnen.
Die GDL fordert Lohnerhöhungen wie im öffentlichen Dienst von rund 3,2 Prozent sowie eine Corona-Prämie von 600 Euro im laufenden Jahr. Anders als die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) will sie in diesem Jahr keine Nullrunde bei den Gehältern akzeptieren.
Wegen Milliardenverlusten in der Pandemie will die Bahn die Erhöhung in Stufen auf spätere Zeitpunkte verteilen, bei einer Vertragslaufzeit von 40 Monaten. Hinzu kämen Leistungen zur Altersvorsorge und der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen.
Der Fahrgastverband Pro Bahn zeigte sich zufrieden mit den Ersatzfahrplänen, die während des ersten Streiks in der vergangenen Woche galten. „Das war schon relativ ordentlich“, sagte der Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann. Besonders im Fernverkehr seien die Ersatzfahrpläne verlässlich gewesen.
Der Verband fordert Änderungen am Tarifeinheitsgesetz. „Wir brauchen schon eine Regelung, wie man mit zwei verschiedenen Gewerkschaften umgeht. Es darf aber nicht zu einem Konkurrenzkampf der Gewerkschaften kommen“, sagte Naumann. Die GDL versucht seit Monaten, neue Mitglieder zu gewinnen, auch von der EVG. Das heizt den Tarifkonflikt mit der Bahn um mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen zusätzlich an.
Hintergrund ist das Tarifeinheitsgesetz. Es sieht vor, dass in einzelnen Betrieben nur noch der Tarifvertrag der Gewerkschaft zur Geltung kommt, die dort die meisten Mitglieder vertritt. Das soll eigentlich einen Anreiz dafür bieten, dass Gewerkschaften ihr tarifpolitisches Vorgehen abstimmen, wie das Bundesarbeitsministerium bekräftigte.
Weseslsky wies die Vermutung zurück, einen politischen Streik zu planen. „Wir streiken für Geld, wir streiken für Arbeitsbedingungen. Das steht uns zu.“ Die Frage der Tarifeinheit werde vor Gerichten geklärt.
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, kritisierte, Weselsky sei „fürchterlichen persönlichen Angriffen“ ausgesetzt. „Es ist eine Schande, wie hier mit einem aufrechten Gewerkschafter umgegangen wird“, sagte Wendt bei der Kundgebung.
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