Frankfurt/Main (dpa)
Deutsche Chemie-Industrie kommt kraftvoll aus der Krise
Trotz Engpässen bei Rohstoffen und Vorprodukten brummt die deutsche Chemie-Industrie. Gefahr wittert der Verband vor allem von politischer Seite und stellt den EU-Kurs in Frage.
Die deutsche Chemie-Industrie lässt die Corona-Krise schnell hinter sich: Im zweiten Quartal dieses Jahres konnte die Branche nach Angaben ihres Verbandes VCI an den guten Jahresstart anknüpfen und steuert auf ein Rekordjahr zu.
Nach sechs Monaten haben kräftig gestiegene Preise und eine um 5,9 Prozent gewachsene Produktion die Umsätze der drittgrößten deutschen Industriebranche um 12 Prozent auf den Rekordwert von 111 Milliarden Euro getrieben, wie der Verband am Mittwoch in Frankfurt berichtete. Voraussetzung sei die weltweite Erholung der Industrieproduktion gewesen, so dass die Nachfrage aus sämtlichen Kundenbranchen komme.
Für das laufende Jahr erwartet VCI-Präsident Christian Kullmann trotz angespannter Lieferketten und Engpässen bei Vorprodukten einen Umsatzrekord von 211 Milliarden Euro. Bisheriger Bestwert ist das Jahr 2018 mit 203 Milliarden Euro, während im Corona-Jahr 2020 nur knapp 190 Milliarden Euro erlöst wurden. „Das ist ein kraftvolles Comeback. Es zeigt eindrucksvoll, wie wichtig eine international wettbewerbsfähige Chemie- und Pharmaindustrie als Stabilitätsanker für unser Land ist“, sagte der Evonik-Chef. Auch bei den Investitionen sei wegen einiger Nachholeffekte ein Rekord zu erwarten. Die Zahl der Beschäftigten werde ungefähr konstant bei 464 400 bleiben.
Laut Verband haben fast alle Produktbereiche von dem Aufschwung profitiert. Besonders dynamisch legte die Grundstoffchemie zu: Die Produktion von Kunststoffen (Polymeren) stieg um über 20 Prozent. Aber auch die Hersteller von Spezialchemikalien konnten ihr Produktionsniveau um 8,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr ausweiten. Verhaltener lief trotz der Corona-Impfstoffe das Wachstum bei Herstellern von Pharmazeutika (plus 1,4 Prozent), während es bei chemischen Konsumgütern wie Seifen, Wasch- und Reinigungsmitteln einen Mengenrückgang von 1,8 Prozent gab.
Vor der Bundestagswahl verlangte die Industrie schnellere Genehmigungen, geringere Steuern und mehr Forschungsförderung. Akuten Handlungsbedarf sehe man beim Strompreis, der für die Unternehmen derzeit drei Mal so hoch sei wie im Vorjahr. Für die Klimawende werde es absehbar viel mehr Strom brauchen, der aber gleichzeitig künstlich verteuert werde, klagte Kullmann. „Gegen die politisch gewollte Strompreisspirale können die Unternehmen nichts ausrichten.“ Es drohe die Abwanderung energieintensiver Produktionsteile aus Europa.
Der VCI-Chef machte auch Front gegen die Klimapläne der EU-Kommission. Der geplante CO2-Ausgleich für klimaschädlich hergestellte Produkte aus dem EU-Ausland werde nicht funktionieren, sagte der Manager. Die EU-Kommission plant unter anderem eine CO2-Abgabe an den Außengrenzen zum Schutz der europäischen Industrie. „Grenzsteuern sichern nicht die Wettbewerbsfähigkeit in den globalen Märkten.“ Statt der erhofften Steuerung werde es zu Gegenmaßnahmen der großen Handelspartner wie USA oder China kommen. Das Ergebnis wäre mehr Protektionismus anstelle einer gemeinsamen Klima-Strategie.
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