Darmstadt (dpa)
Fahnder sehen Mordversuch nach Anschlag an TU Darmstadt
Sieben Menschen auf einem Uni-Campus in Darmstadt erleiden Vergiftungen, einer schwebt vorübergehend akut in Lebensgefahr. Eine 40-köpfige Mordkommission wurde eingeschaltet.
Die Gift-Attacke trifft die Universitätsmitarbeiter und Studenten wohl völlig arglos: Nach dem mutmaßlichen Anschlag mit toxischen Stoffen an der Technischen Universität Darmstadt wird nun wegen versuchten Mordes ermittelt.
Das Hessische Landeskriminalamt habe in den auf einem Uni-Campus sichergestellten Lebensmitteln Stoffe festgestellt, die zu den Vergiftungserscheinungen bei sieben Menschen geführt haben könnten, teilten die Ermittler mit. Um welche Stoffe es sich handelt, gaben sie nicht preis. „Manche Dinge können und wollen wir nicht veröffentlichen“, hieß es mit Blick auf mögliches Täterwissen. Die Hochschule meldete am Nachmittag, dass es allen Opfern besser geht.
Noch keine Hinweise auf Täter oder Motiv
Eine 40-köpfige Mordkommission mit dem Namen „Licht“ will nun möglichst rasch den oder die Verursacher finden. „Das kann je nach Stand der Ermittlungen noch aufgestockt werden, je nach Lage“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Robert Hartmann. Aktuell gebe es noch keine Hinweise auf einen möglichen Täter oder die Motive. Auch werde noch ermittelt, wer möglicherweise am Wochenende Zugang zu dem Gebäude hatte.
Als Reaktion auf die Vergiftungserscheinungen bei mindestens sieben Menschen war am Montag ein Großaufgebot von Einsatzkräften am Gebäude L201 des Campus. Sechs Menschen mussten mit Symptomen wie Unwohlsein und Verfärbungen in Kliniken gebracht worden. Ein 30 Jahre alter Student befand sich zunächst in einem kritischen Zustand, der sich nach Polizeiangaben aber stabilisierte. Laut Hartmann bestand vorübergehend akute Lebensgefahr.
Allen Opfern geht es besser
Umso größer war am Dienstagnachmittag die Freude an der Uni. Allen Opfern geht es inzwischen besser. „Große Erleichterung!“, schrieb die Hochschule in einer entsprechenden Twitter-Mitteilung. Auch die letzten beiden Betroffenen könnten noch am selben Tag die Klinik verlassen.
Am Vormittag erinnerte an dem Gebäude L201 nichts mehr an das Großaufgebot. Ingenieur Falk Münch arbeitete in einem Nachbargebäude, als er am Montag durch Freunde und soziale Medien von den Vergiftungen hörte. Plötzlich seien überall Polizeifahrzeuge und Krankenwagen gewesen, schilderte Münch, der ein Opfer kennt. Es sei nur das eine Gebäude betroffen gewesen. „Wir sind trotzdem vorsichtig.“
Bei der weiteren Suche in Gebäuden auf dem Campus, auf dem unter anderem Maschinenbauer, Bau-Ingenieure und Naturwissenschaftler ausgebildet werden, seien aber keine weiteren verdächtigen Gegenstände gefunden worden, teilten die Ermittler mit. Bis Dienstagmorgen hätten sich auch keine weiteren Menschen mit Vergiftungserscheinungen gemeldet.
Hochschul-Präsidentin „erschüttert“
Die Ermittler hatten am Montag mitgeteilt, dass mehrere Milchpackungen und Wasserbehälter mit dem gesundheitsschädlichen Stoff versetzt worden sind. Die Polizei riet dringend dazu, auf dem Campus nur Lebensmittel zu verzehren, die jederzeit unter Aufsicht aufbewahrt wurden. Es gebe aber keine akute Gefährdung mehr.
„Wir sind erschüttert angesichts der offensichtlichen Straftat, die sich an unserer Universität ereignet hat“, teilte die Präsidentin der Hochschule, Tanja Brühl, mit. „Ich werde so schnell wie möglich mit ihnen persönlichen Kontakt aufnehmen, sofern es ihr Zustand erlaubt.“ Nach Angaben des TU-Kanzlers Manfred Efinger soll auch psychologische Hilfe angeboten werden. „Natürlich sind die Beschäftigten besorgt, beunruhigt.“
Giftattacken am Arbeitsplatz gibt es immer wieder. Im hessischen Bad Nauheim backt eine Krankenschwester Kekse für die Kollegen. Was wie eine nette Geste klingt, sorgt bei einigen Kollegen für Schwindel und Bewusstlosigkeit. Die Frau mixt nach Auffassung des Landgerichts Gießen Beruhigungs- und Schlafmittel in ihre Naschereien und wird Mai vergangenen Jahres wegen gefährlicher Körperverletzung zu drei Jahren Haft verurteilt. In der Gemeinde Schloß Holte-Stukenbrock in Nordrhein-Westfalen vergiftete ein Mann nach Auffassung des Landgerichts Bielefeld die Pausenbrote seiner Kollegen. Gegen ihn wird wegen Mordversuchs eine lebenslange Haft verhängt.
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