Los Angeles (dpa)
Filmemacher Werner Herzog schreibt Dschungel-Abenteuer
Mit dem Buch „Das Dämmern der Welt“ bleibt sich der Regisseur Werner Herzog treu. Ein japanischer Soldat lebt bis 1974 im Dschungel versteckt, ohne vom Ende des Zweiten Weltkriegs zu wissen.
Werner Herzog liebt starke Persönlichkeiten und extreme Welten. Diese verarbeitet der Filmemacher in seinen Werken. Jetzt hat Herzog ein Buch geschrieben.
Mit „Das Dämmern der Welt“ zieht es den Weltenbummler zu einem außergewöhnlichen Außenseiter - einem japanischen Soldaten, der sich fast 30 Jahre auf der philippinischen Insel Lubang im Urwald versteckt hält. Bis 1974 wusste Hiroo Onoda nicht, dass Japan vor den USA kapituliert hatte und der Zweite Weltkrieg längst zu Ende war.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich Herzog unter die Schriftsteller begibt. Über die abenteuerliche Entstehung von „Fitzcarraldo“ (1982) im Amazonasgebiet führte er Tagebuch und schrieb die Strapazen später in dem Roman „Eroberung des Nutzlosen“ (2004) auf. Zuvor hatte er schon in dem Buch „Vom Gehen im Eis“ (1978) seinen Extrem-Fußmarsch im Winter 1974 von München nach Paris zu Papier gebracht.
Ja, die Extreme liebt Herzog. Die Doku „In den Tiefen des Infernos“ führte den deutschen Regisseur an den Rand von Vulkanen, die Oscar-nominierte Dokumentation „Encounters at the End of the World“ in die Antarktis. Den Öko-Thriller „Salt and Fire“ drehte er im bolivianischen Hochland. Nicole Kidman holte er in „Königin der Wüste“ als die Forscherin Gertrude Bell bildgewaltig vor die Kamera. Mit Klaus Kinski, dem exzentrischen Star gemeinsamer Filme wie „Aguirre, der Zorn Gottes“ und „Fitzcarraldo“, drehte er unter schwierigsten und gefährlichen Bedingungen im südamerikanischen Dschungel.
In seinem neuesten Werk, „Das Dämmern der Welt“, führt der im Dschungel versteckte Nachrichtenoffizier Onoda pflichtbewusst eine Art privaten Guerillakrieg. Flugblätter, die das Kriegsende verkündeten, misstraut er. Erst als er 1974 aufgespürt wird und ihm sein ehemaliger japanischer Vorgesetzte den Befehl zur Kapitulation erteilt, ergibt er sich. Zu dem Zeitpunkt trägt Onoda immer noch seine Uniform, sein Schwert und sein Gewehr samt Munition bei sich.
Für Herzog und die Leser ist das faszinierender Stoff. Umso mehr, als der Filmemacher mit Onoda 1997 persönlich in Japan zusammentraf. „Onoda und ich hatten sofort einen Draht zueinander, kamen uns in vielen Gesprächen nahe, weil ich im Dschungel unter schwierigen Bedingungen gearbeitet hatte und mit ihm über Dinge reden und ihm Fragen stellen konnte, die ihm sonst niemand stellte“, schreibt Herzog in dem Buch.
„Das Dämmern der Welt“ über den Dschungel-Soldaten, der 2014 im Alter von 91 Jahren starb, ist kein Sachbuch. Herzog, der auch in seinen Filmen Fiktion und Wirklichkeit gerne vermengt, blickt durch Onodas Überlebenskampf mit der Natur und seinen eigenen Dämonen in die Extreme der menschliche Seele - und auf den Wahnsinn von Kriegen. Der Hanser Verlag, wo das Buch am 23. August erscheint, beschreibt es als „glühender, bewegender Bildertanz vom Sinn und Unsinn unserer Existenz“.
„Viele Details stimmen, viele stimmen nicht. Dem Autor kam es auf etwas anderes an, auf etwas Wesentliches, wie er es bei seiner Begegnung mit dem Protagonisten dieser Erzählung zu erkennen glaubte“, heißt es im Vorspann des Buches.
Auf 128 Seiten fasst Herzog die Essenz von Onodas Jahrzehnten im Dschungel zusammen. Die eigenen Urwald-Erlebnisse dürfen dabei geholfen haben, wenn er Fäulnis und Feuchtigkeit, die alles zersetzt, anschaulich beschreibt. Wie das Fernrohr des Soldaten durch allmählichen Pilzbefall immer nebliger wird, wie seine Uniform mehr und mehr zerfällt, während er eisern an seiner Pflicht festhält, die Insel vor dem imaginären Feind zu verteidigen.
Für den Leser ist es nicht erkennbar, was Onoda dem Autor bei ihrem Treffen tatsächlich erzählt hat und was Herzog sich selber ausmalt. Doch es ist offensichtlich, dass der kompromisslose Überlebenskünstler den Filmemacher fasziniert. Onoda habe ihm ein Lied übersetzen lassen, das der Soldat in den Jahren auf Lubang zur eigenen Ermutigung immer wieder gesungen habe, schreibt Herzog: „Ich mag wie ein Landstreicher oder ein Bettler erscheinen. Aber stiller Mond, Du bist Zeuge vom Glanz meiner Seele“.
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