Berlin (dpa)
Bundesregierung prüft 3G-Regel für Züge und Inlandsflüge
Werden Passagiere demnächst auch in Zügen nachweisen müssen, dass sie geimpft, genesen oder getestet sind? Die neuen Überlegungen der Bundesregierung im Kampf gegen Corona stoßen teils auf große Skepsis.
Soll die sogenannte 3G-Regel künftig auch in Fernzügen und bei Inlandsflügen gelten? Genau das prüft die Bundesregierung im Kampf gegen die Corona-Pandemie derzeit, wie Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag bestätigte.
Zuvor hatte „Bild“ über Pläne der Bundesregierung berichtet, den Zugang zu Zügen im Fernverkehr und Flügen im Inland nur noch Geimpften, Genesenen oder getesteten Personen zu gewähren.
Es müsse alles getan werden, um die hohen Corona-Fallzahlen einzudämmen, betonte Seibert. Vor allem bei jungen Menschen zwischen null und 14 Jahren gebe es derzeit hohe Ansteckungszahlen, sie könnten sich in den meisten Fällen noch gar nicht impfen lassen. Die Bundesregierung prüfe deshalb, ob die 3G-Regel auch in Fernzügen und im inländischen Flugverkehr angewendet werden könne.
Bislang nur Auslandsflüge betroffen
In Deutschland gilt die 3G-Regel bislang nur bei Auslandsflügen und in einigen Bereichen des öffentlichen Lebens - etwa beim Restaurantbesuch in Innenräumen. Sie besagt, dass nur solche Menschen Zugang zu bestimmten Bereichen haben, die nachweisen können, dass sie gegen Corona geimpft sind, von Covid-19 genesen oder frisch negativ getestet.
Vorbild für eine Einführung im Fernverkehr sei Frankreich, erklärte Seibert. Dort gelte die 3G-Nachweispflicht bereits seit August. Die Kontrollen übernehme das Bahnpersonal.
Doch wäre das auch ein umsetzbares Modell für Deutschland? Das sei „eine der zu prüfenden Fragen“, sagte Seibert. Ein Sprecher des Innenministeriums wies darauf hin, dass zusätzliche Kontrollen in Zügen ja bereits wegen der Maskenpflicht nötig seien. Er schätze es als „nicht ganz ausgeschlossen“ ein, auch die 3G-Regeln im Zug kontrollieren zu können.
Passagieraufkommen bei der Bahn fast halbiert
Nach Angaben der Deutschen Bahn gab es selbst im Pandemiejahr 2020 im Fernverkehr 81,3 Millionen Reisende, im Jahr davor waren noch knapp 151 Millionen Fahrgäste im Fernverkehr unterwegs. Zu den Plänen der Bundesregierung wollte sich die Bahn auf Anfrage zunächst nicht äußern.
Ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums gab an, den Auftrag der Bundesregierung „ordnungsgemäß abarbeiten“ zu wollen, verwies aber zugleich auf unterschiedliche Fernverkehrssysteme in Deutschland und Frankreich. Während man in Deutschland zum Beispiel ohne vorherige Kontrolle in einen Zug einsteigen könne, gebe es in Frankreich im Fernverkehr mehr Hürden - etwa eine Reservierungspflicht bei den TGV-Tickets und Kontrollen beim Zugang zu den Waggons. Das System in Frankreich könnte also vorteilhafter für die Kontrolle von 3G-Nachweisen sein.
Gewerkschaft sieht die Maßnahmen kritisch
Kritik kam aus den Reihen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). EVG-Vorstandsmitglied Kristian Loroch mahnte, dass Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung auch „umsetzbar und praktikabel“ sein müssten.
Corona-Nachweispflichten im Fernverkehr dürften nicht auf dem Rücken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgen, warnte Loroch. Die Bahn wolle das Personal in Zügen reduzieren, „was ohnehin schon zu einer erhöhten Belastung für die Beschäftigten führen wird“. Zudem habe die Zahl der Übergriffe auf Beschäftigte „massiv“ zugenommen, sagte Loroch weiter. „Eine 3G-Kontrolle würde diese Situation weiter verschärfen und ist deshalb für uns nicht tragbar.“
Die EVG hatte bereits bei der Einführung der Maskenpflicht in Zügen darauf hingewiesen, dass die Einhaltung der Regeln schwer kontrollierbar sei.
Zu den Überlegungen für den Flugverkehr im Inland äußerte sich auch der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) kritisch. Die etablierten Hygienekonzepte hätten sich bewährt und würden sicheres Fliegen ermöglichen. „Eine solche Regelung für den innerdeutschen Verkehr würde die Mobilität in Deutschland erschweren“, erklärte BDL-Hauptgeschäftsführer Matthias von Randow.
Im grenzüberschreitenden Reiseverkehr diene die 3G-Pflicht dazu, eine weitere Einschleppung des Virus zu verhindern. Sie werde lückenlos kontrolliert. „Aber das Einschlepprisiko rechtfertigt keine innerdeutsche Regelung.“ Die Lufthansa als größte Anbieterin von Inlandsflügen äußerte sich am Freitag nicht.
Virologe Streeck hegt Zweifel
Der Virologe Hendrick Streeck hegt Zweifel am Sinn der angedachten Ausweitung der 3G-Regel. Grundsätzlich halte er das Prinzip für sinnvoll, erklärte Streeck bei „Bild Live“. Allerdings würden mit Blick auf Herbst und Winter „nicht die Bahn oder das Flugzeug“ zum „Super-Spreading-Event“ werden. Dies sei im vergangenen Herbst und Winter auch nicht der Fall gewesen.
Es habe „nicht die großen Ausbrüche“ in Zügen gegeben, obwohl es damals weder Impfstoff noch Schnelltests gab, gab Streeck zu bedenken. Die Menschen würden sich mit dem Corona-Virus weiterhin „vor allem in privaten Haushalten“ anstecken.
Unterstützung für die Pläne aus Berlin kam dagegen aus dem Saarland. Im Gespräch mit der „Rheinischen Post“ sagte der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU): „Im Moment gibt es noch zu viele Ungeimpfte. Wenn im Herbst die 4. Welle durchschlägt, ist es umso wichtiger, die 3G-Regeln in Flug und Bahn anzuwenden.“ Es sei gut, dass sich die Bundesregierung rechtzeitig vor Beginn der kalten Jahreszeit darüber Gedanken mache. Gleichzeitig sprach sich Hans dafür aus, Kinder von der Nachweispflicht auszunehmen. Die Kontrolle könne für alle anderen „dann automatisch mit der Kontrolle des Tickets erfolgen“.
© dpa-infocom, dpa:210827-99-990445/5