Houston/Oberthal (dpa)
Der Countdown läuft - Astronaut Maurer vor dem Start zur ISS
In wenigen Wochen soll Matthias Maurer als nächster Deutscher zur Raumstation ISS fliegen. Er bekommt schon Gänsehaut, wenn er an den Blick von oben auf die Erde denkt.
Nach jahrelangem Training rückt der Start ins All immer näher. Noch zwei Monate, dann soll Astronaut Matthias Maurer zur Internationalen Raumstation (ISS) abheben.
Wenn alles nach Plan läuft, wird der Saarländer nach seinem Start vom Kennedy Space Center in Florida der zwölfte Deutsche im All sein - und der vierte Deutsche auf der ISS. „Ich freue mich natürlich sehr, dass es endlich losgehen wird. Ich arbeite schon einige Jahre darauf hin, endlich in den Weltraum zu fliegen und glaube, dass ich erst aufgeregt sein werde, wenn ich wirklich auf der Startrampe in der Kapsel sitze“, sagte er zum geplanten Start am 31. Oktober.
Als erster Deutscher wird Maurer mit dem „Crew Dragon“-Raumschiff von SpaceX zur ISS gelangen. In dem fliegenden Labor wird er in rund 400 Kilometern Höhe zahlreiche internationale Experimente stellvertretend für Forscher auf der Erde machen - in der Schwerelosigkeit. Als ausgebildeter Werkstoffwissenschaftler hat er besonders im Blick: Aktivitäten zur Entwicklung neuer Werkstoffe, aber auch Lösungen für Life Sciences und für physikalische Experimente.
Gänsehaut und Vorfreude
Auf was sich der 51-Jährige am meisten freut? „Ich hoffe, dass ich sehr bald nach meiner Ankunft den Ausblick auf unsere wunderschöne Erde genießen kann. Ich werde mich dann sozusagen auf eine 90-minütige Weltreise begeben. Diesen Moment stelle ich mir unglaublich vor. Jedes Mal, wenn ich nur daran denke, habe ich schon Gänsehaut.“ Etwa 90 Minuten braucht die ISS, um die Erde einmal zu umrunden.
Für die voraussichtlich sechs Monate im All ist Maurer gut vorbereitet. 2015 trat er in das Astronautenkorps der europäischen Raumfahrtagentur Esa ein und trainiert seitdem für seinen ersten Raumflug. Dazu gehörten eine 16-tägige Unterwasser-Mission, ein geologisches Feldtraining und ein Überlebenstraining auf hoher See. Aber auch Kniffe, wie er seinen Körper im All fit halten kann, hat er trainiert - und Mahlzeiten für die Zeit im erdnahen Orbit ausgewählt.
„Essen ist ungemein wichtig, um in guter Stimmung zu bleiben“, sagt Maurer. Die Lebensmittel kommen meist in Dosen oder in Beuteln, bei Trockennahrung muss man Wasser hinzufügen. Er möge lieber die thermostabilisierten Gerichte als die getrockneten, sagt Maurer. Und: Er plane für seine Mission, selbst Joghurt im Weltraum herzustellen. „Aber ich bin mir noch nicht so sicher, ob das klappen wird.“
Noch mal zum üben bei SpaceX
Gerade hat Maurer in Houston ein Training für einen möglichen Außeneinsatz im All abgeschlossen. Nun geht es noch mal nach Kalifornien zum Üben bei SpaceX. Dann steht noch ein kurzer Urlaub in der Heimat auf dem Programm, bevor es zurück in die USA geht. Zwei Wochen vor dem Start ist Quarantäne angesagt.
Maurers Mission fällt in eine Zeit der Ungewissheit über die Zukunft des Außenpostens der Menschheit. Russland hat zuletzt wenig Interesse an einem Weiterbetrieb des mehr als 20 Jahre alten Kolosses im Kosmos gezeigt. Dennoch schickte Moskau unlängst ein neues Forschungsmodul zur ISS. Europas langjähriger Raumfahrtchef Jan Wörner wertet dies als Zeichen für eine längere Nutzung des Himmelslabors. Manche sehen eine Kommerzialisierung als Zukunftsperspektive für die ISS. So soll es während Maurers Mission zwei Besuche von Weltraumtouristen geben.
Und wie steht es um die deutsche Raumfahrt? Eigentlich sehr gut, sagt Astronaut Alexander Gerst in einem Video der Bundesregierung. „Wir sind da auf Augenhöhe vorne mit dabei.“ Gerst war zweimal auf der ISS und gilt als Kandidat für einen Mond-Flug. Eine deutsche Astronautin gab es bisher nicht. Das werde sich ändern, meint Raumfahrer Thomas Reiter, 2006 der erste Deutsche auf der ISS. „Je mehr Frauen sich an einem Astronauten-Auswahlverfahren beteiligen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, in der Endrunde mit dabei zu sein.“
35 Experimente aus Deutschland geplant
Mit Maurer werden im Herbst die Nasa-Astronauten Thomas Marshburn, Raja Chari und Kayla Barron aufbrechen. Geplant sind etwa 35 Experimente aus Deutschland und viele internationale Versuche. Möglicherweise steigt der Ingenieur Maurer, der einen Doktor in Materialwissenschaft hat, auch zu einem Außeneinsatz ins All aus.
Es ist die erste Mission des Esa-Astronauten, Maurer hat sie „Cosmic Kiss“ genannt. Der Name sei eine „Liebeserklärung an den Weltraum“ und die Verbindung, die die Raumstation zwischen der Menschheit und dem Kosmos herstellt. „Schon vor 4000 Jahren haben sich die Menschen für den Weltraum begeistert.“
Maurers Heimatgemeinde im Saarland fiebert mit. „Die Spannung steigt, die Freude steigt. Ja, wir sind riesig stolz“, sagt der Bürgermeister von Oberthal, Stephan Rausch. An den Ortseingängen werde man große Banner aufstellen, die auf Maurer und seine Mission hinweisen. Zudem sei eine „Take off“-Veranstaltung für den 31. Oktober geplant. Wie genau diese aussehen werde, müsse noch geplant werden. Maurer ist im Oberthaler Ortsteil Gronig mit rund 1300 Einwohnern aufgewachsen.
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