Santiago de Compostela (dpa)
Weiterentwickelter Roglic nimmt Anlauf für Tour-Traum
Primoz Roglic ist neun Jahre älter als sein Landsmann und Toursieger Tadej Pogacar. Und doch macht der Slowene noch Leistungssprünge. Sein dritter Vuelta-Sieg war der beeindruckendste.
Der Telemark auf dem Siegerpodest in Santiago de Compostela verrutschte Primoz Roglic etwas. Das spielte aber auch keine Rolle mehr. Die Zeiten, in denen er über Bakken sprang, sind längst vorbei.
Der ehemalige Skispringer ist angekommen im kleinen Club der Radsport-Profis, die die großen Rundfahrten unter sich ausmachen. In Spanien bei der Vuelta gewann er jetzt zum dritten Mal - ein Rekord, den er sich mit nur drei weiteren Profis, darunter dem Schweizer Tony Rominger, teilt. „Ich achte nicht viel auf Statistiken. Ich fühle mich aber geehrt, dass ich jetzt diesen Platz einnehme“, sagte er. Es ist ein Platz in der Radsportgeschichte.
Drei Vuelta-Siege in Serie, dazu Platz drei beim Giro 2019 und unglücklicher Zweiter bei der Tour de France im vergangenen Jahr - Roglic ist längst ein kompletter Rundfahrer geworden. Was fehlt, ist noch die Krönung bei der Tour. Dafür müsste er seinen jungen Landsmann Tadej Pogacar schlagen. „Sein Verbesserungspotenzial ist riesig und er ist eines Tages in der Lage, die Tour zu gewinnen“, sagt sein Sportdirektor Merijn Zeeman. Auch wenn Roglic schon 31 Jahre ist, stellt der Niederländer eine andere Rechnung auf. Demnach fahre Roglic erst seit fünf Jahren in der WorldTour und entdecke gerade erst die Feinheiten des Sports.
Beachtliche Weiterentwicklung
Und tatsächlich ist beim Olympiasieger eine beachtliche Weiterentwicklung erkennbar. Roglic zeigte dieses Mal keine Nerven, wirkte in allen Situationen souverän und war vor allem in der dritten Woche immer noch der Stärkste, was früher sein Makel war. So gelangen ihm vier Tagessiege, je zwei in den Zeitfahren und zwei in den Bergen. Diesen Siegen wohnte mitunter ein Überwältigungsmoment inne. Den Erfolg an den Bergseen von Covadonga holte Roglic nach einer beeindruckenden 60-Kilometer-Flucht, lange Zeit gemeinsam unterwegs mit dem früheren Toursieger Egan Bernal, um diesen dann einfach stehen zu lassen. Im Zeitfahren am Sonntag in Santiago de Compostela holte Roglic auf den letzten Metern noch den zwei Minuten vor ihm gestarteten Gesamtzweiten Enric Mas ein.
„Es ist unglaublich, es ist verrückt“, entfuhr es Roglic zwar im Ziel. Statt verrückt zu sein, war sein Gesamterfolg vor allem ein Produkt von Logik und Mathematik. Seinen vier Etappensiegen fügte er noch vier zweite Tagesränge hinzu. Das unterstreicht die Dominanz. Roglic war in allen Belangen überlegen. Er entschied sogar, wann er das Rote Trikot an Ausreißer abgeben würde.
„Er ist in diesem Jahr seine stärkste Vuelta gefahren“, sagte sein Sportlicher Leiter Addy Engels der Deutschen Presse-Agentur. Bei früheren Rundfahrten startete der Slowene oft überwältigend. Er hielt dann aber nicht die Formkurve oben. In diesem Jahr war das anders. „Wenn man auf die letzten Tage schaut: Er zeigt gar keine Anzeichen von Schwäche, er ist einfach super stark“, meinte Engels.
Slowenisches Tour-Duell 2022?
Das eröffnet dem Slowenen neue Perspektiven im Kampf gegen Pogacar um das Gelbe Trikot in Frankreich. Roglic versprach zwar, zur Vuelta wiederzukommen, für den Versuch, den historisch einmaligen vierten Gesamtsieg zu holen. Vorher aber dürfte er die Tour de France ins Auge fassen.
In diesem Jahr will Roglic noch bei der Lombardei-Rundfahrt angreifen. Ein WM-Start ist offen, auch wegen der Ungewissheiten um die neue sportliche Leitung im Nationalteam. Aber an potenziellen Siegfahrern hat das kleine Land ja eine ganze Menge. Das bewies zuletzt auch der Auftritt von Tour de France-Etappensieger Matej Mohoric bei der Benelux-Tour.
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