Amsterdam (dpa)
Holocaust-Monument in Amsterdam: Ein Stein für jedes Opfer
102.000 niederländische Juden sowie Sinti und Roma wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Ein Monument erinnert an jeden Einzelnen - 76 Jahre nach Kriegsende. Nicht jeder ist darüber froh.
Mehr als 76 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges und nach jahrelangem Rechtsstreit ist in Amsterdam das Nationale Holocaust-Denkmal eingeweiht worden. König Willem-Alexander enthüllte das „Namenmonument“, das auf Initiative des niederländischen Auschwitz Komitees errichtet wurde.
Es ist das erste Denkmal des Landes, das namentlich an alle 102.000 niederländische Juden sowie Sinti und Roma erinnert, die von den deutschen Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkrieges ermordet worden waren.
Es sei ein Monument gegen das Vergessen, sagte Ministerpräsident Mark Rutte. „Dieses Monument sagt: Nein, wir vergessen euch nicht. Nein, wir lassen nicht zu, dass eure Namen ausgelöscht werden. Nein, das Böse hat nicht das letzte Wort.“
Der Premier betonte auch, dass das Mahnmal die Niederlande dazu zwinge, Rechenschaft über den „kalten Empfang“ der wenigen Juden abzulegen, die die Vernichtungslager überlebt hatten und zurückgekehrt waren. Rutte sprach von „einem schwarzen Kapitel unserer Geschichte“.
„Im Gedenken“
Der polnisch-amerikanische Architekt Daniel Libeskind hatte das Mahnmal entworfen. Es befindet sich im Zentrum der Stadt nahe dem Jüdischen Viertel. Das Monument besteht aus Backsteinmauern in der Form von vier hebräischen Buchstaben. Sie bedeuten „Im Gedenken“.
Die Amsterdamer Bürgermeisterin Femke Halsema erinnerte daran, dass die Stadt während der deutschen Besatzungszeit die jüdische Bevölkerung nicht genügend vor der Verfolgung geschützt habe. Zu Beginn der deutschen Besatzung im Mai 1940 lebten nach ihren Worten rund 140.000 Juden in den Niederlanden, 80.000 von ihnen in Amsterdam. Nur 15.000 hätten überlebt. „Die jetzt in Stein gemeißelten Namen, diese Mauern, stehen wie eine Festung zwischen uns und dem Vergessen“, sagte Halsema.
„Ich bin froh, dass es endlich da ist“, sagte der Vorsitzende des Auschwitz Komitees, Jacques Grishaver (79), der Deutschen Presse-Agentur in Amsterdam. „Dieses Monument gibt den Opfern 76 Jahre nach Kriegsende ihren Namen zurück und beweist, dass sie gelebt haben.“ Das Monument wurde vorwiegend durch Spenden finanziert.
Erinnerung an ausgelöschte Familien
Besucher können um die Buchstaben herumlaufen. Die Mauern werden oben von einem Stahlrand abgeschlossen, in dem sich Steine, Bäume und Wolken spiegeln. Auf jedem Backstein stehen der Name eines Opfers, sein Geburtsdatum sowie das Sterbealter. 70 bis 80 Prozent der namentlich aufgeführten Familien wurden von den Nationalsozialisten völlig ausgelöscht.
Für die jüdische Gemeinschaft sei es ein wichtiges Monument, sagte Grishaver. „Die unglaubliche Zahl von 102 000 kann man sich jetzt vor Augen führen.“ Für Angehörige sei es auch ein Gedenkort. Außerdem solle das Monument auch für Aufklärung von Jugendlichen genutzt werden.
Anwohner hatten jahrelang versucht, vor Gericht das Denkmal zu verhindern. Sie hatten unter anderem beklagt, dass es zu groß sei, und befürchteten einen Besucherzustrom. Das höchste Gericht des Landes hatte Ende 2019 endgültig grünes Licht gegeben. „Das war für viele Überlebende zu spät“, sagte Grishaver. „Das ist sehr bitter.“
Christoph Heubner, der Exekutiv Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, erklärte: „Der jahrzehntelange Kampf gegen die Gleichgültigkeit und das Wegschieben der Geschichte hat sich gelohnt.“
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