Berlin (dpa)
TV-Triell: Dritter Schlagabtausch vor Bundestagswahl
Eine Woche vor der Bundestagswahl stellen sich Scholz, Baerbock und Laschet nochmals einem Triell. Es geht um den Mindestlohn, Klimakrise und Clan-Kriminalität.
Die Kanzlerkandidaten von SPD und Grünen haben den Wählern bei ihrem letzten Triell vor der Bundestagswahl einen Umbau des Sozialsystems versprochen. „Ich glaube, dass wir an dem Rechensystem was ändern müssen“, sagte SPD-Bewerber Olaf Scholz am Sonntag bei der TV-Debatte.
Das Triell wurde diesmal von den Privatsendern ProSieben, Sat.1 und Kabeleins ausgestrahlt. Scholz forderte, Regelsätze großzügiger zu bemessen und höhere Leistungen für Wohnungen und die Sicherung des Lebensunterhaltes sowie ein höheres Kindergeld zu zahlen. Die Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock äußerte sich weitgehend im Schulterschluss mit Scholz und sagte: „Jeder dritte Empfänger ist ein Kind im Hartz-IV-System.“ Die Grünen wollten eine Garantiesicherung und dass Sätze um 50 Euro erhöht würden.
Scholz und Baerbock verlangten außerdem übereinstimmend eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf zwölf Euro. „Es sind zehn Millionen Bürgerinnen und Bürger, die von einem Mindestlohn von zwölf Euro profitieren, weil sie dann etwas mehr verdienen“, so Scholz.
Baerbock kritisierte, gerade Alleinerziehende befänden sich in einer „Armutsfalle“. Diese Ungerechtigkeiten müssten endlich aufgehoben werden. „Zum einen brauchen wir einen Mindestlohn von zwölf Euro. (...) Und wir müssen Kinder endlich aus der Armut holen.“
Laschet: Menschen in Arbeit bekommen
Widerspruch kam von Unionskandidat Armin Laschet. „Hartz IV ist kein Beruf“, sagte er. „Das größte Problem von Armut ist, wenn Eltern keine Arbeit haben.“ Deswegen müsse eine Bundesregierung alles tun, um Menschen in Arbeit zu bekommen. Es gelte „fördern und fordern“, aber andere Vorschläge bedeuteten „nur noch fördern“.
Er sagte zwar, Menschen mit niedrigsten Einkommen müssten besser gestellt werden. Er lehnte eine Anhebung durch den Staat jedoch ab und nannte dies eine Aufgabe der Tarifparteien. Laschet betonte, eine gute Politik müsse mehr Wachstum und Arbeitsplätze schaffen - „und dann den Unterschied zwischen denen, die viel verdienen und die wenig verdienen in der Mitte klein machen“. Das gehe etwa durch steuerliche Maßnahmen oder Tarifverträge.
Scholz sagte an die Adresse von Laschet: „Mir geht es um die Würde der Bürgerinnen und Bürger. Das ist vielleicht das, was uns unterscheidet.“
Zeitloses Thema: Klimawandel
Die Privatsender setzten bei dem TV-Dreikampf auf eine Mischung von Gespräch und Magazin-Beiträgen. Ein Thema im TV-Gespräch war der Klimawandel. ProSieben-Moderatorin Linda Zervakis, die bis vor einigen Monaten „Tagesschau“-Sprecherin war, zog dazu ein Kindermagazin hervor und hielt es den Kandidaten entgegen. „Ich habe Ihnen was Schönes mitgebracht.“ Die Zeitschrift stamme aus dem Jahre 1993, Kosten 3 Mark 90. „Meine Eltern hatten früher einen Kiosk, deswegen habe ich mich daran erinnert.“ Darin gehe es um die Abholzung der Regenwälder. „Vor über 30 Jahren hat sich die Mickey Maus schon mit dem Klimawandel beschäftigt.“
An Unionskanzlerkandidat Laschet gerichtet, sagte Zervakis, dass in der CDU anscheinend nicht so oft „Mickey Maus“ gelesen werde. Laschet konterte: Zu Zeiten der „Mickey Maus“-Ausgabe habe der CDU-Politiker Klaus Töpfer als Umweltminister das Thema Klima bereits auf der Tagesordnung gehabt.
Redezeit wird gemessen
Auch im dritten TV-Triell wurde die Redeanteil-Zeit der Kandidaten gemessen, um Chancengleichheit herzustellen. Von Zeit zu Zeit wurde die Zeit eingeblendet. Sat.1-Moderatorin Claudia von Brauchitsch sagte bei der zweiten Einblendung, ihr selbst sei ein Fehler unterlaufen. Sie bezog das auf die frühere Zeit-Einblendung in der ersten Sendehälfte, bei der Laschet 9:26 Minuten, Scholz 07:00 Minuten und Baerbock 06:49 Minuten Redezeit hatten. Von Brauchitsch hatte allerdings dann Baerbock empfohlen, zu versuchen, sich etwas kürzer zu fassen.
Beim zweiten TV-Triell von ARD und ZDF hatte es beim Thema Redezeit vor einer Woche ebenfalls einen Fehler gegeben, dieser war allerdings anders gelagert: Nach Senderangaben war ein Softwarefehler der Grund, warum zeitweise die Uhr weiterlief und so falsche Daten gezeigt hatte.
Terrorismus und Clan-Kriminalität
Laschet betonte in dem Triell, härter gegen extremistische Gefährder und Clan-Kriminalität vorgehen zu wollen. Er wolle die Bekämpfung des Terrorismus und den Einsatz für innere Sicherheit zu einem Schwerpunktthema machen. Er kündigte bei Terror „Null Toleranz“ an. Bislang sei oftmals gesagt worden: „Gefährder kann man nicht abschieben, die haben ja noch nichts gemacht. Wir haben seit 2017 35 Gefährder abgeschoben“, so Laschet. Sicherheit zu garantieren sei eine ganz wichtige Aufgabe. Die Namen von Gefährdern müssten in Europa ausgetauscht werden.
Zudem wolle er gegen kriminelle Familienverbünde vorgehen. „Clan-Kriminalität hat sich in 30 Jahren entwickelt. Alle haben tatenlos zugeschaut“, sagte Laschet. Nun sei erstmals ein Lagebild erstellt worden. „Die Clans sagen: Wir beherrschen die Straße, wir setzen Recht.“ Das könne der Staat nicht dulden.
Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sagte, Deutschland sei ein Rechtsstaat und es dürfe nicht alles in einen Topf geworfen werden. Sie teile die Sorge, dass es einen Anstieg bei Rechtsextremismus und Islamismus gebe. Die richtige Antwort seien mehr Einstellungen bei Polizei und Justiz, um Defizite zu beseitigen. Mit Blick auf extremistische Gefährder sage sie „klar und deutlich, die müssen überwacht werden“.
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