Moskau (dpa)
Kremlpartei feiert Wahlsieg trotz Manipulationsvorwürfen
Die Wahl der neuen Staatsduma galt als wichtiger Stimmungstest für den russischen Präsidenten Putin. Die Kremlpartei Geeintes Russland hat sich wohl erneut als stärkste Kraft behauptet.
Bei der von Manipulationsvorwürfen überschatteten Wahl der neuen Staatsduma hat sich die Kremlpartei Geeintes Russland laut ersten Ergebnissen als stärkste Kraft behauptet.
Die Machtbasis des russischen Präsidenten Wladimir Putin kam nach Auszählung von mehr als 25 Prozent der Stimmzettel auf 44,9 Prozent, wie die Wahlkommission am späten Sonntagabend mitteilte. Sie regierte bisher mit absoluter Mehrheit. Die Partei feierte in der Hauptstadt Moskau ihren Wahlsieg. Die Kommunisten erhielten demnach 22 Prozent.
Opposition ausgeschlossen
Vertreten waren im Parlament mit den 450 Abgeordneten bisher auch die rechtspopulistische Partei LDPR des Ultranationalisten Wladimir Schirinowski und die Partei Gerechtes Russland. Die LDPR landete bei 8,4 Prozent in den Wählerbefragungen, Gerechtes Russland bei 7,3 Prozent. Sie alle gelten als systemtreue Parteien. Als fünfte Partei konnte sich die neue Kraft Nowyje Ljudi - auf Deutsch: Neue Leute - Hoffnung auf den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde machen. Sie kam den ersten Ergebnissen zufolge auf 6,4 Prozent.
Die Opposition um den inhaftierten Kremlgegner Alexej Nawalny war ausgeschlossen von der Abstimmung, die erstmals für drei Tage angesetzt war. Die Wahlbeteiligung wurde wenige Stunden vor Schließung der Wahllokale mit rund 45 Prozent angegeben.
Beschwerden über Verstöße
In Russland und im Ausland waren rund 110 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen gewesen, eine neue Staatsduma für die kommenden fünf Jahre zu bestimmen. 14 Parteien standen zur Auswahl, unter den Kandidaten waren kaum echte Oppositionelle. Überschattet wurde der Urnengang von Hunderten Beschwerden über massenhafte Verstöße. Das Innenministerium sprach von 750 Beschwerden, die eingegangen seien. Es habe keine schwerwiegenden Verstöße gegeben.
Die Wahl galt als ein wichtiger Stimmungstest für Kremlchef Putin und seine Politik. Viele Menschen in Russland sind Umfragen zufolge unzufrieden mit der Lage wegen sinkender Löhne und massiv steigender Preise. Die Kremlpartei Geeintes Russland war im Vorfeld dafür verantwortlich gemacht worden. Ihre Umfragewerte hatten unter 30 Prozent gelegen.
„Putin, Putin, Putin“
Die Anhänger feierten am Abend in Moskau den Wahlsieg - trotz Regens. „Wir sind die Mannschaft Putins“, riefen kremltreue Aktivisten. Parteifunktionäre sagten bei einem Auftritt, dass der Kurs Putins fortgesetzt werde. Sie riefen „Putin, Putin, Putin“. Der Ausgang der Wahl sei ein „Festtag“, sagte Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin.
Dagegen warf die Opposition um Nawalny der Kremlpartei Wahlbetrug vorgeworfen. Sie fühle sich an die Abstimmung von 2011 erinnert, als „uns die Wahl gestohlen wurde“, schrieb Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch auf Twitter. „Es ist unmöglich, sich damit abzufinden.“ Der Nawalny-Vertraute Leonid Wolkow meinte: „Diese Wahlen sind schmutziger als die von 2011 - viel schmutziger.
Unabhängige Beobachter der Organisation Golos hatten Tausende Verstöße landesweit aufgelistet - meist mit Foto- und Videoaufnahmen. Der Golos-Experte Andrej Busin nannte das Ausmaß „bedeutend“ - besonders in Putins Heimatstadt St. Petersburg. Dort kämpften die Menschen regelrecht um ihre Stimmen, wie auf Videos zu sehen war. Vielfach wurden Wahlurnen vollgestopft mit packenweise vorausgefüllten Stimmzetteln. Es gab zudem Berichte über Wählerzwang etwa unter Staatsbediensteten sowie über Mehrfachstimmabgaben.
Kommunisten kündigen Proteste an
Die zentrale Wahlkommission kündigte an, die Beschwerden zu prüfen. Bis Sonntagabend wurden mehr als 8500 Stimmzettel annulliert, hieß es. Wahlleiterin Ella Pamfilowa meinte, es seien bisher zwölf Fälle bestätigt, bei denen Stimmzettel packenweise in die Urnen gestopft wurden. Auch die Kommunisten, die angesichts der verbreiteten Unzufriedenheit mit der Politik des Kremls auf einen Stimmzuwachs hoffen, beklagten vielfach Verstöße. Sie kündigten Proteste an.
Golos-Beobachter Busin, meinte, dass die Wahlleitung kleine Zugeständnisse mache, aber die Abstimmung nicht grundsätzlich in Frage stellen werde. Wahlleitung wie die Gerichte und alle Entscheidungsebenen unterlägen der Kontrolle des Kremls, sagte er. Die von der Wahl ausgeschlossene Opposition um Nawalny hatte zur Protestwahl gegen Geeintes Russland aufgerufen.
Nawalny: Machtmonopol brechen
Zum Ärger der Kremlgegner hatten die Internetriesen Google, Youtube, Apple sowie der Nachrichtenkanal Telegram Empfehlungen des Nawalny-Teams für „schlaues Abstimmen“ gelöscht. Dabei wurden konkrete Namen genannt, für die Wähler stimmen sollten. Die von den Behörden verbotenen Inhalte waren aber weiter über Twitter abrufbar. Das Nawalny-Team wehrte sich gegen Kritik, dass dadurch etwa für kommunistische Bewerber geworben werde.
Es sei im Moment - angesichts des Ausschlusses der Opposition - die einzige Chance, das Machtmonopol von Geeintes Russland zu brechen, sagte Nawalnys Mitarbeiter Wolkow. „Wir werden auf jeden Fall in einem Russland leben, in dem man für gute Kandidaten mit unterschiedlichen Programmen abstimmen kann“, sagte er.
In der Hauptstadt Moskau waren an den Wahltagen verstärkt Polizisten im Einsatz. Rund um den Roten Platz am Kreml standen Absperrgitter bereit - offenbar für den Fall von Protesten.
Wahlbeobachtung gilt als personalaufwendig
Gewählt wurden auch neue Regional- und Stadtparlamente. Bei den insgesamt mehr als 4400 Wahlen wurden mehr als 31.000 Mandate neu vergeben. Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) waren diesmal nicht vertreten, weil sie mit den Bedingungen und der geringen Zahl zugelassener Experten nicht einverstanden waren. In dem Riesenreich gilt eine Wahlbeobachtung als besonders personalaufwendig.
Russland hatte die Einschränkungen für die westlichen Beobachter mit der Corona-Pandemie begründet. Wegen der Gefahr durch das Virus wurde die Abstimmung auf drei Tage angesetzt, damit Wähler die soziale Distanz und die Hygieneregeln einhalten können. Kritiker werfen den Behörden vor, Manipulationen zu erleichtern, weil Wahlurnen etwa nachts kaum zu kontrollieren seien.
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