Berlin (dpa)
Finanzausschuss befragt Scholz zu Geldwäsche-Ermittlungen
Hinweise auf Terrorfinanzierung sollen nicht rechtzeitig weitergeleitet worden sein. Im Rahmen der Ermittlungen kommt es auch zu Durchsuchungen im Finanzministerium. Scholz soll nun dazu Auskunft geben.
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) soll am Montag im Bundestag Fragen zur Durchsuchung seines Ministeriums im Zusammenhang mit Geldwäsche-Ermittlungen beantworten.
Der Finanzausschuss kommt dafür weniger als eine Woche vor der Bundestagswahl zu einer Sondersitzung zusammen. Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock forderte Scholz am Sonntagabend beim dritten TV-Triell zu „voller Transparenz“ auf.
Ob Scholz in den Bundestag kommen muss oder sich ebenfalls digital zuschalten kann, war zuletzt offen. Die Abgeordneten nehmen entweder digital oder vor Ort teil. FDP, Grüne und Linke hatten die Sondersitzung beantragt, nachdem die Osnabrücker Staatsanwaltschaft beim Finanz- und beim Justizministerium vor der Tür gestanden hatte.
Hintergrund der Aktion 17 Tage vor der Bundestagswahl sind Ermittlungen gegen Mitarbeiter der FIU, einer Anti-Geldwäsche- Spezialeinheit des Zolls in Köln, die Scholz' Finanzministerium zugeordnet ist. FIU-Mitarbeiter sollen Hinweise auf Terrorfinanzierung nicht rechtzeitig an Justiz und Polizei weitergeleitet haben. In diesem Zusammenhang wollten die Ermittler Unterlagen aus beiden Ministerien einsehen, darunter Emails zwischen FIU und Finanzministerium und Korrespondenz der beiden Ministerien.
Nach Darstellung des Justizministeriums waren der Staatsanwaltschaft Osnabrück die gesuchten Unterlagen bereits lange vor der Durchsuchung angeboten worden. Die Staatsanwaltschaft stellt das betreffende Telefonat dagegen so dar, dass das Ministerium die Herausgabe der Unterlagen zunächst ablehnte und auf „den großen Dienstweg“ verwies. So habe man entschieden, Durchsuchungen in beiden Häusern zu beantragen. Übereinstimmend heißt es, dass die Ermittler die fraglichen Unterlagen ohne Probleme einsehen konnten.
FDP, Grüne und Linke wollen im Ausschuss nun über die aus ihrer Sicht eklatanten Missstände bei der FIU sprechen - darunter deren personelle wie fachliche Aufstellung und fehlende Zugriffsrechte auf Datenbanken. Der Osnabrücker Ermittlungen geht FDP-Finanzexperte Markus Herbrand geht davon aus, dass deutlich mehr Verdachtsmeldungen nicht weitergegeben wurden, als von der Staatsanwaltschaft aufgeführt.
Das Finanzministerium sei konkreten Hinweisen auf folgenschwere Arbeitsfehler bei der FIU nicht nachgegangen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Uns liegen zahlreiche Hinweise vor, dass das Haus von Finanzminister Scholz sich einer Aufarbeitung der Geldwäschemissstände bewusst verweigert hat und stattdessen versucht hat, die Fehler zu vertuschen und auszusitzen.“
Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann forderte von Scholz Aufklärung. „Es gab da offenbar große Versäumnisse. Die müssen noch vor der Wahl alle ans Licht“, sagte der CDU-Politiker der „Rheinischen Post“. „Völlig inakzeptabel sind im Übrigen die Unterstellungen gegen die Arbeit der Staatsanwaltschaft. Das gehört sich einfach nicht, auch nicht im heißesten Wahlkampf, denn es untergräbt das Vertrauen in unseren Rechtsstaat.“
Scholz betonte in dem von ProSieben, Sat.1 und Kabeleins ausgestrahlten Triell, dass unter ihm als Finanzminister in der Geldwäschebekämpfung schon viel verbessert worden sei. So seien bei der FIU einst 100 Beschäftigte im Einsatz gewesen. „Jetzt sind da 500 beschäftigt, demnächst werden es 700“, sagte Scholz. Den Zeitungen „Straubinger Tagblatt/Landhuter Zeitung“ und „Abendzeitung“ sagte er: „Die FIU soll die Verdachtsmeldungen auf Geldwäsche, von denen es jetzt pro Jahr mittlerweile fast 150.000 gibt, nicht mehr nur weiterleiten, sondern wie in anderen Ländern zuvor ordnen und bewerten.“ Dafür sei die FIU unter anderem massiv personell aufgestockt worden, mehr Zugriffsrechte auf Datenbanken anderer Behörden seien geschaffen worden.
„Wir haben europäische Regeln umgesetzt und es gibt jetzt noch eine externe Betrachtung aller Sachabläufe, um die Behörde optimal aufzustellen. Was man in so kurzer Zeit machen kann, wurde gemacht“, sagte Scholz. „Deutsche Behörden arbeiten mit anderen deutschen Behörden, auch mit der Staatsanwaltschaft in Osnabrück, gut zusammen und sie geben Vorgänge raus, nach denen sie gefragt werden.“
Die Durchsuchung im Finanzministerium gab Anlass für Spekulationen auf einen Wahlkampf-Hintergrund - unter anderem, weil der Chef der Osnabrücker Staatsanwaltschaft, Bernard Südbeck, ebenso CDU-Mitglied ist wie Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza. Der Sprecher der Ermittlungsbehörde wies die Spekulationen zurück. Die Ermittlungen würden nicht von Südbeck geleitet, sagte er. Der Verfassungsrechtler Joachim Wieland hält die Durchsuchung dennoch für rechtswidrig. Es gebe „durchgreifende Zweifel an der erforderlichen Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung“, schrieb er in einem Blogeintrag. „Für das scharfe Schwert einer Durchsuchung ist kein Anlass ersichtlich. Sie war nicht erforderlich und deshalb rechtswidrig.“
Die Osnabrücker Ermittlungen dürften unterdessen kein schnelles Ergebnis bringen. Sie würden „noch einige Zeit in Anspruch nehmen“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft.
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