Brüssel (dpa)
Wie blickt die Welt auf die Wahl in Deutschland?
Im Ausland ist Deutschland seit Jahren fest mit dem Namen Angela Merkel verbunden. Mit Spannung, aber teils auch mit etwas Sorge wird nun auf die Entwicklungen nach der Bundestagswahl geblickt.
Wer führt künftig das bevölkerungsreichste und wirtschaftlich stärkste Land der Europäischen Union? In anderen Hauptstädten und in den Brüsseler EU-Institutionen werden die beginnenden Gespräche über die Bildung einer neuen Bundesregierung genau verfolgt werden.
Die ersten Reaktionen auf den knappen Ausgang der Wahl am Sonntag fallen sehr unterschiedlich aus. Ein Überblick:
USA
„Donnerwetter... Sie sind beständig“ - mit diesen Worten kommentierte US-Präsident Joe Biden am Sonntag Berichte über den Vorsprung der SPD bei der Bundestagswahl. Dass der wohl mächtigste Präsident der Welt mit einem Kanzler Olaf Scholz Probleme hätte, gilt als unwahrscheinlich. Beide Politiker feierten zuletzt zum Beispiel den Durchbruch für eine globale Mindeststeuer für international tätige Unternehmen als großen Erfolg.
Polen
Die nationalkonservative PiS-Regierung in Warschau freut sich vor allem über das gute Abschneiden der Liberalen. „Die FDP wird das Zünglein an der Waage, und das ist für uns eine hervorragende Nachricht“, kommentierte Polens Botschafter in Berlin, Andrzej Przylebski. Die Außenminister der Partei - wie zum Beispiel Hans-Dietrich Genscher - seien für Polen immer gut gewesen. Ob die neue Regierung von der SPD oder der CDU geführt werde, macht demnach keinen großen Unterschied. „Was die SPD betrifft, so gibt es eine Angst vor zu großer Empathie gegenüber Russland, aber das bezieht sich eher auf die Parteiführung als auf Scholz“, sagte Przylebski. Die Grünen seien Russland gegenüber vorsichtiger, was für Polen hilfreich sei.
Russland
Der Kreml hat nach der Bundestagswahl Interesse an einem Ausbau der Beziehungen signalisiert. „Uns eint die Einsicht, dass Probleme nur im Dialog gelöst werden können und sollten“, sagte Sprecher Dmitri Peskow am Montag in Moskau der Staatsagentur Ria Nowosti zufolge. Der Nachfolger von Angela Merkel im Kanzleramt wird allerdings ein schweres Erbe antreten. Das Verhältnis zwischen Berlin und Moskau ist derzeit äußerst angespannt, unter andere wegen Hackerangriffen auf deutsche Politiker und die Inhaftierung des Kremlgegners Alexej Nawalny. Vor allem von den Grünen muss Russland Widerstand gegen die Inbetriebnahme der umstrittenen Ostseepipeline Nord Stream 2 befürchten
China
„Wir hoffen und erwarten, dass die neue deutsche Regierung ihre pragmatische und ausgewogene China-Politik fortsetzt“ - ohne einer Partei direkt zu gratulieren, hat Peking nach der Bundestagswahl die Hoffnung auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit mit Deutschland geäußert. Ausdrücklich wurde in einer Stellungnahme des Außenministeriums der Einsatz von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gewürdigt, die in ihrer Amtszeit großen Wert auf den Ausbau der Beziehungen zur Volksrepublik gelegt habe. „China weiß dies sehr zu schätzen“, sagte Sprecherin Hua Chunying. Vor der Wahl hatten Beobachter in China Befürchtungen geäußert, dass sich unter einer neuen Bundesregierung das Verhältnis verschlechtern und sich Deutschland eher an den USA orientieren könnte, die ein internationales Bündnis gegen Peking schmieden.
Europäische Union
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wurden lange Zeit Ambitionen auf die Nachfolge von Angela Merkel als Bundeskanzlerin nachgesagt. Die CDU-Politikerin äußerte sich am Montag zunächst nicht öffentlich zum Wahlausgang - in ihrer Behörde und auch in der Vertretung der Mitgliedstaaten wird das knappe Wahlergebnis allerdings eher mit Sorge gesehen. Befürchtet wird vor allem, dass es bis zur Bildung einer neuen Regierung in Berlin nicht möglich sein dürfte, auf EU-Ebene größere Entscheidungen zu treffen. Problematisch könnte das unter anderem für die jüngst vorgestellten Gesetzesprojekte zum Erreichen der EU-Klimaschutzziele sein.
Frankreich
Wie von der Leyen äußerte sich auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zunächst nicht zum Wahlergebnis. Auch im Élysée-Palast hofft man vor allem darauf, dass sich die Koalitionsverhandlungen in Berlin nicht zu sehr in die Länge ziehen werden. Zum Start der französischen EU-Präsidentschaft im Januar braucht Frankreich einen starken Partner, um gemeinsam Projekte etwa in den Bereichen Verteidigung und Wirtschaft voranzutreiben. Einen Wunschpartner gibt es in Paris offiziell nicht. Noch vor der Wahl hatte der Élysée die FDP in der Rolle des Königsmachers und damit als entscheidenden Part in den Koalitionsverhandlungen gesehen.
Österreich
Im Gegensatz zu Österreichs jubelnden Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen hat sich der konservative Regierungschef Sebastian Kurz nach der deutschen Bundestagswahl zurückhaltend geäußert. „Das Wahlergebnis in Deutschland lässt verschiedenste Konstellationen zu, und die kommenden Wochen werden zeigen, wer künftig den Kanzler in Deutschland stellen wird“, sagte der Kanzler und ÖVP-Parteichef am Montag. Kurz hatte noch vor Kurzem vor einem Linksbündnis gewarnt, das aus seiner Sicht Deutschland und Europa zum Schlechteren verändern würde. Am Tag nach der Wahl äußerte Kurz nur den allgemeinen Wunsch, Österreichs „bewährte Zusammenarbeit mit der zukünftigen deutschen Bundesregierung fortsetzen zu können“.
Spanien
Der sozialistische Regierungschef Pedro Sánchez gratulierte Scholz zu „großartigen Ergebnissen“. Spanien und Deutschland würden weiter für ein starkes Europa und einen gerechten und grünen Wiederaufbau nach der Corona-Krise arbeiten, bei dem niemand zurückgelassen werde, kommentierte er. Mit großer Aufmerksamkeit wird in Ländern wie Spanien vor allem beobachtet, wie sich eine künftige Bundesregierung zur Frage gemeinsamer Schulden der EU und der Rückkehr zu einer strengeren Haushaltsdisziplin aufstellen wird.
Großbritannien
Von Premierminister Boris Johnson gab es zunächst keine Reaktion auf die deutschen Wahlergebnisse. Der Chef der sozialdemokratischen Labour-Partei, Keir Starmer, gratulierte hingegen Scholz und sprach von einer inspirierenden Kampagne.
Norwegen
Der Wahlsieg der Sozialdemokraten in Norwegen vor gut zwei Wochen hat sich als gutes Omen für die SPD erwiesen. Nachdem Olaf Scholz damals Jonas Gahr Støre gratuliert hatte, erwiderte der voraussichtliche nächste norwegische Regierungschef diese jetzt in Richtung Berlin. „Herzliche Glückwunsche aus Norwegen!“, schrieb der Norweger am Sonntagabend auf Twitter an Scholz und die SPD gerichtet. Es handele sich um ein „beeindruckendes Ergebnis nach einem inspirierenden Wahlkampf“. Er freue sich auf die enge Zusammenarbeit.
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