Berlin (dpa)
Streit um Maskenpflicht an Schulen
Der Streit um die Maskenpflicht an Schulen tobt weiter. Ärztevertreter plädieren für einen generellen Wegfall. Eine bekannte Virologin stellt sich mit deutlichen Worten dagegen.
Über die Abschaffung der Maskenpflicht an Schulen wird angesichts wieder steigender Infektionszahlen hart gestritten. Der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach, sprach sich für die Aufhebung aus.
„Ich halte eine generelle Fortsetzung einer Maskenpflicht in Schulen für unangemessen“, sagte Fischbach den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Ärztepräsident Klaus Reinhardt äußerte sich ähnlich. Experten wie die Virologin Melanie Brinkmann warnten hingegen davor.
Der wochenlange Rückgang der Infektionszahlen scheint derweil beendet zu sein. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) den vierten Tag in Folge leicht: auf 64,4 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche. Am Vortag hatte der Wert bei 64,3 gelegen, vor einer Woche bei 60,6 (Vormonat: 76,9).
Maßnahmen an Infektionsgeschehen anpassen
Fischbach vom Kinder- und Jugendärzte-Verband sagte, er sehe keinen Grund, warum Grundschüler im Unterricht grundsätzlich weiterhin Maske tragen sollten, zumal sie erheblich weniger zum Infektionsgeschehen beitrügen als Jugendliche und Erwachsene. Die Entscheidung müsse sich jeweils an den Inzidenzwerten und am Lebensalter der Kinder ausrichten. Es könne nicht sein, dass den Jüngsten das Maskentragen „weiterhin von der Gesellschaft zugemutet wird, um auf diejenigen Rücksicht zu nehmen, die sich einer Impfung verweigern“.
Ärztepräsident Reinhardt sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Es ist völlig unangemessen, dass Kinder und Jugendliche stundenlang im Unterricht eine Maske tragen müssen, während die Erwachsenen abends maskenlos ins Lokal gehen können.“ Allerdings gelten in der Gastronomie vielerorts strengere Abstands- und Testregelungen als in den Schulen.
In Bayern beispielsweise soll die Maskenpflicht ab nächster Woche im Unterricht wegfallen. Auch in Baden-Württemberg und Sachsen wird ein solcher Schritt für die nächste Zeit erwogen. Im Saarland muss seit Freitag generell keine Maske mehr in der Schule getragen werden. An Berliner Schulen wird sie bis zur sechsten Klasse aufgehoben. In Brandenburg ist das bereits der Fall.
Deutsche Lehrerverband skeptisch
Der Deutsche Lehrerverband bewertete das Vorgehen skeptisch, die Bildungsgewerkschaft VBE rief ebenfalls zur Vorsicht auf. Das Coronavirus geht nach RKI-Daten besonders stark bei Kindern ab dem Vorschulalter und Jugendlichen bis 19 Jahren um. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnte zuletzt vor einer Corona-Welle im Herbst und Winter.
Die Frage der Gefährdung von Kindern und Jugendlichen durch Covid-19 wird schon seit langem kontrovers diskutiert. Befürworter strengerer Sicherheitsmaßnahmen an Schulen argumentieren, dass auch Kinder schwer erkranken könnten, und weisen auf mögliche Langzeitfolgen („Long Covid“) hin.
Kinder- und Jugendmediziner hatten Anfang September dagegen in einem offenen Brief für weniger strenge Maßnahmen geworben: Es sei wissenschaftlicher Konsens, dass Kinder und Jugendliche selbst nur in seltenen Fällen schwer erkranken und in der Regel schnell genesen würden.
Die Virologin Melanie Brinkmann vom Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung hält die Abschaffung der Maskenpflicht an Schulen für verfrüht. „Wenn man etwas abschaffen möchte, dessen Nutzen wissenschaftlich erwiesen ist und das fast nichts kostet, kann man das machen. Die Frage ist nur, ob es klug ist“, sagte sie der „Rheinischen Post“. „Bei der hohen Anzahl an Nicht-Geimpften, und hierzu zählen die Kinder, halte ich diese Entscheidung für verfrüht - und ehrlich gesagt auch für ziemlich dumm.“
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn warb für mehr Impfungen bei älteren Menschen.
Insgesamt sind nach Daten des Ministeriums nun 53,7 Millionen Menschen oder 64,6 Prozent der Bevölkerung vollständig mit der meist nötigen zweiten Spritze geimpft. Mindestens eine erste Impfung bekommen haben 56,7 Millionen Menschen oder 68,1 Prozent der Bevölkerung.
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