Berlin (dpa)

SPD: Bereit für Dreiergespräche

| 03.10.2021 04:58 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Christian Lindner (l-r, FDP), Annalena Baerbock (Grüne) und Olaf Scholz (SPD). Die umworbenen kleineren Partner haben schon einen Gesprächsfaden gefunden - nun starten auch die größeren Parteien in konkrete Sondierungen. Foto: Kay Nietfeld/dpa
Christian Lindner (l-r, FDP), Annalena Baerbock (Grüne) und Olaf Scholz (SPD). Die umworbenen kleineren Partner haben schon einen Gesprächsfaden gefunden - nun starten auch die größeren Parteien in konkrete Sondierungen. Foto: Kay Nietfeld/dpa
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SPD und Union haben sich in die Sondierungsgespräche eingeschaltet. Über den Ausgang hält man sich erstmal bedeckt. Zugleich werden in der Union die Debatten heftiger.

Eine Woche nach der Bundestagswahl kommt das Ringen um ein neues Regierungsbündnis voll in Gang. Am Sonntag traf die SPD von Kanzlerkandidat Olaf Scholz einzeln mit den Spitzen von FDP und Grünen zusammen, um Chancen einer Ampel-Koalition zu sondieren.

Am Abend kam dann die Union von Armin Laschet mit der FDP zusammen, um ein Dreierbündnis mit ihr und den Grünen auszuloten. Nach den jeweils etwas mehr als zweistündigen Gesprächen beschrieben alle Seiten eine sachliche und konstruktive Atmosphäre. „Die SPD ist jetzt bereit für Dreiergespräche“, sagte der Generalsekretär der Sozialdemokraten, Lars Klingbeil. FDP und Grüne dagegen behielten sich eine Bewertung zunächst vor - allerdings betonte die FDP, dass die Differenzen mit der SPD größer als mit der Union sind.

Parallel dazu geriet Unions-Kanzlerkandidat Laschet (CDU) nach dem Wahldebakel in den eigenen Reihen immer weiter unter Druck. Die FDP rief die Union zur internen Klärung auf.

Grüne: Dynamik entfachen

Die SPD setzt auf zügige Fortschritte in den Gesprächen für eine Ampel-Regierung. Es solle schnell entschieden werden, wie es weitergehe, sagte Klingbeil. Inhaltlich habe man mit beiden möglichen Partnern über Themen gesprochen, die das Land bewegten. Nach dem beiden Treffen nannte er konkret Klimaschutz, Digitalisierung, eine Modernisierung des Staates sowie welt- und europapolitische Fragen.

Man habe sachlich gesprochen „über die großen Aufgaben unserer Zeit“, sagte auch Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Grünen-Chef Robert Habeck betonte, der große Unterschied zwischen den Gesprächen mit FDP und SPD sei die bisherige Regierungsbeteiligung der SPD. Aber: „Wir haben auch bei der SPD eine Bereitschaft gefunden und festgestellt, tatsächlich noch einmal neu zu starten, eine Dynamik zu entfachen, die dann auch die liegengebliebenen Probleme vielleicht lösen kann.“

FDP-Generalsekretär Volker Wissing dagegen betonte am Nachmittag: „Natürlich war auch klar, dass unsere inhaltlichen Positionierungen in wesentlichen Punkten auseinander liegen.“ Dass es diese Klippen gebe, sei aber bekannt gewesen. „Klar ist auch, dass wir entschlossen sind, eine Reformregierung zu bilden, die unser Land nach vorne bringt“, betonte er. Grüne und FDP waren in den vergangenen Tagen schon zwei Mal unter sich zu vertraulichen Runden zusammengekommen.

FDP und Union: Große Gemeinsamkeiten

Nach der ersten Gesprächsrunde von FDP und Union sagte Wissing am Abend: „Wir haben ein konstruktives Gespräch geführt und haben inhaltlich wenig Klippen.“ CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sagte, er sehe große inhaltliche Gemeinsamkeiten. „Wir haben ein gemeinsames Verständnis in diesem Gespräch geschaffen, dass etwas Neues entstehen muss.“ Nur mit neuen Ansätzen könnten die großen Aufgaben für die Zukunft Deutschlands bewegt werden. Ziemiak nannte die Bewahrung des Wohlstands, den Klimaschutz und die Digitalisierung.

Die Union sei bereit, sich der Verantwortung zu stellen. Mit Blick auf ihr Wahldebakel sagte Ziemiak, die Union habe keinen Anspruch auf die Führung der Regierung, mache aber ein Angebot. Ein Jamaika-Bündnis mit FDP und Grünen hätte viele Chancen für das Land.

CSU-Generalsekretär Markus Blume lobte: „Das war ein guter Start, der Lust auf mehr macht.“ Es habe sich gezeigt, dass beide Seiten „in wesentlichen inhaltlichen Punkten“ ganz dicht beisammen lägen. Nun gehe es darum, eine neue Zeit zu gestalten und nicht nur den Status quo zu verwalten. „Think big“ sei der Anspruch, nicht die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner.

Für diesen Dienstag ist ein erstes Treffen von Union und Grünen geplant. Die SPD war bei der Wahl mit 25,7 Prozent stärkste Kraft geworden. Die Union stürzte auf 24,1 Prozent. Die Grünen legten auf 14,8 Prozent zu, auch die FDP verbesserte sich auf 11,5 Prozent.

Wissing betonte, nötig sei eine stabile Regierung. Den Zeitungen der Funke-Mediengruppe hatte er zuvor mit Blick auf di Querelen bei der Union gesagt: „Die Union muss zudem klären, ob sie an einem Strang zieht.“

Die Grünen zeigten sich zuversichtlich, einer künftigen Koalition anzugehören. „Wenn wir uns nicht komplett dämlich anstellen, werden wir in den nächsten vier Jahren diese Regierung nicht nur mittragen, sondern maßgeblich mitbestimmen“, sagte Habeck am Samstag bei einem Kleinen Parteitag. Baerbock sagte, ihre Partei sei von sieben Millionen Menschen gewählt worden, darunter viele junge. Dies gebe einen Auftrag, als Teil der Regierung für eine wirkliche Erneuerung des Landes zu sorgen. Über einen Koalitionsvertrag und die personelle Aufstellung einer möglichen Regierung sollen die 120.000 Grünen-Mitglieder abstimmen.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich zeigte sich zuversichtlich, schnell zu guten Ergebnissen zu kommen. „Wir werden uns alle auf Augenhöhe begegnen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sagte der „Welt am Sonntag“: „Wir müssen diesmal nicht bis zum Umfallen sondieren, denn wir wollen eine Ampel, in die alle drei Partner ihre Stärken einbringen. So gesehen könnten wir im Oktober mit den formellen Koalitionsverhandlungen beginnen und sie bis Dezember abschließen.“

Kritik an Laschet

In der CDU wird zugleich immer offener über eine inhaltliche und personelle Neuaufstellung diskutiert. „Dafür muss es einen Bundesparteitag geben, spätestens im Januar“, sagte Parteivize Jens Spahn der „Welt am Sonntag“. „Dass im Wahlkampf Fehler passiert sind und unser Spitzenkandidat nicht richtig gezogen hat, kann niemand leugnen.“ Unabhängig vom Ausgang der Sondierungen müsse klar sein: „Einfach so weitermachen ist keine Option.“

Mehrere CDU-Politiker forderten ein Mitgliedervotum über eine personelle Neuaufstellung, falls Sondierungen mit FDP und Grünen scheitern. Der Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann sagte „Bild“: „Um die Einbindung der Mitglieder werden wir bei der nächsten Entscheidung über den Vorsitz nicht herumkommen.“ Junge-Union-Chef Tilman Kuban, sagte der „Welt am Sonntag: „In der CDU darf jetzt kein Stein mehr auf dem anderen bleiben.“ Er forderte eine inhaltliche und personelle Neuausrichtung. Es sei „Zeit für junge Köpfe“.

© dpa-infocom, dpa:211003-99-458179/19

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