Luxemburg/Warschau (dpa)
EuGH urteilt erneut gegen Polens Justiz
Die nationalkonservative Regierung in Polen baut das Justizsystem um - ungeachtet internationaler Kritik. Nun hat der EuGH sich erneut gegen Polen gestellt. Eine andere Entscheidung steht noch aus.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Unabhängigkeit der polnischen Justiz erneut deutlich in Frage gestellt.
Die Umstände der Ernennung eines Richters einer Kammer am Obersten Gericht ließen den Schluss zu, dass Grundregeln für die Ernennung von Richtern offensichtlich missachtet worden seien, teilte der Gerichtshof in Luxemburg mit. Abschließend müsse darüber jedoch ein Gericht in Polen entscheiden (Rechtssache C-487/19). Aus Warschau kam prompt Kritik an der Entscheidung.
Die nationalkonservative PiS-Regierung baut das Justizwesen des Landes seit Jahren ungeachtet internationaler Kritik um und setzt Richter damit unter Druck. Die EU-Kommission klagte mehrfach gegen die Reformen - zum Teil wurden sie vom EuGH gekippt.
Bezirksrichter beanstandete Versetzung
Hintergrund des neuen Urteils ist der Fall des regierungskritischen Krakauer Bezirksrichters Waldemar Zurek, der vor dem Obersten Gericht seine Versetzung innerhalb des Bezirksgerichts beanstandet. Die EuGH-Richter stellten nun zunächst fest, dass eine nicht einvernehmliche Versetzung von Richtern die Grundsätze der Unabsetzbarkeit von Richtern und die richterliche Unabhängigkeit verletzen könne. Durch derlei Versetzungen könnte demnach der Inhalt gerichtlicher Entscheidungen kontrolliert werden.
Zum anderen äußerte sich der EuGH zur Ernennung eines Richters, der in der Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten am Obersten Gericht Zureks Rechtsbehelf abgelehnt hatte. Der Richter sei durch den polnischen Präsidenten Andrzej Duda 2019 unter offensichtlicher Missachtung der Grundregeln zur Ernennung von Richtern am Obersten Gericht ins Amt berufen worden.
Sollte das polnische Gericht der EuGH-Einschätzung folgen, sei auszuschließen, dass der fragliche Richter ein unabhängiges, unparteiisches und zuvor per Gesetz errichtetes Gericht darstellen könne, hieß es weiter. In diesem Fall müsse seine Entscheidung, Zureks Rechtsbehelf abzulehnen, als nicht existent angesehen werden.
Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki kritisierte das Urteil. „Das ist der Versuch, die Stabilität des Sozial- und Rechtssystems im Kern anzugreifen“, sagte der 53-Jährige der Nachrichtenagentur PAP zufolge. Die Regierung könne das nicht zulassen. Das Verdikt des Europäischen Gerichtshofes könne „hypothetisch zu einem tiefen Chaos führen“. Polnische Bürger könnten sich der Rechtmäßigkeit von gefällten Urteilen nicht mehr sicher sein.
Thema beschäftigt polnisches Verfassungsgericht
An diesem Donnerstag will sich das polnische Verfassungsgericht erneut mit der Frage befassen, ob das polnische Grundgesetz über EU-Recht steht. Eine Entscheidung dazu wurde bereits mehrfach verschoben oder Sitzungen kurzfristig abgesagt.
Morawiecki hatte die Verfassungsrichter gebeten, ein Urteil des EuGH vom März zu überprüfen. Darin hatten die obersten EU-Richter festgestellt, dass EU-Recht Mitgliedsstaaten zwingen kann, einzelne Vorschriften im nationalen Recht außer Acht zu lassen. Das gelte selbst dann, wenn es sich um Verfassungsrecht handele.
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