London (dpa)
„Geld. Kohle. Autos. Bäume.“: Boris Johnsons Plan fürs Klima
In Glasgow will Großbritannien als Gastgeber der Weltklimakonferenz die größten Umweltsünder überzeugen, sich dem Kampf gegen die Klimakrise zu widmen. Doch auch bei den Briten gibt es Aufholbedarf.
„Geld. Kohle. Autos. Bäume.“ - So fasst Boris Johnson, der seine Politik gern in Slogans mit wenigen Worten verpackt, seine klimapolitischen Prioritäten zusammen.
Von manchem soll es zum Wohle des Planeten deutlich mehr geben (Bäume, Geld), von anderem soll sehr schnell sehr viel weniger verbrannt werden (Kohle). Als Gastgeber der Weltklimakonferenz COP26 geriert sich der britische Premierminister derzeit gern als Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Zeit, den grünen Anstrich etwas genauer zu betrachten.
Bis zum Jahr 2050 will Großbritannien klimaneutral werden. Bis 2035 sollen die Emissionen um 78 Prozent gesenkt werden, bis 2030 bereits um mindestens 68 Prozent. Das ist zwar mehr, als andere Staaten versprechen, liegt aber auch noch weit in der Zukunft. Wenige Tage, bevor in Glasgow Staats- und Regierungschefs aus aller Welt aufeinander treffen werden, stellt die britische Regierung nun überfällige Maßnahmen vor, die den Weg zu den Zielen ebnen sollen.
Maßnahmen der Briten
Eine große Schwachstelle, für die unter anderem die Aktivisten von Insulate Britain massive Verbesserungen fordern, sind die oft schlecht isolierten, mit Gas beheizten Häuser in Großbritannien: Sie sorgten in den vergangenen Jahren für rund ein Fünftel der britischen CO2-Emissionen. Nun sollen Haushalte in England und Wales künftig einen Zuschuss von 5000 Pfund (rund 5910 Euro) erhalten, wenn sie ihre Gasboiler gegen klimafreundlichere Wärmepumpen eintauschen. Zudem sollen ab 2035 keine neuen Gasboiler mehr eingebaut werden.
Kritiker weisen jedoch darauf hin, dass es sich dabei nicht um ein Verbot handelt, sondern lediglich um eine Absichtserklärung. Außerdem halten Umweltorganisationen die dafür geplanten 450 Millionen Pfund über die nächsten drei Jahre für unzureichend. Der Resolution Foundation zufolge können damit rund 90.000 Wärmepumpen bezuschusst werden. Das unabhängige Climate Change Committee, das die Regierung berät, sagt jedoch: Bis 2025 wären 450.000 Wärmepumpen notwendig, um die ausgegebenen Ziele in Reichweite zu halten.
Nichts überstürzen
Dass Johnson nichts überstürzen will, machte er in einem Gastbeitrag in der „Sun“ deutlich: Es werde nicht dazu kommen, dass „die Grünhemden von der Boiler-Polizei mit ihren Sandalen-bekleideten Füßen die Tür eintreten“, um den alten Boiler zu entfernen, schrieb er - mutmaßlich, um konservative Wähler zu beschwichtigen, für die der Schutz des Planeten nicht zu den obersten Prioritäten zählt.
Kohleausstieg und E-Autos
Beim Kohleausstieg hingegen hat Großbritannien Deutschland einiges voraus: Bereits im Jahr 2024 soll das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet werden. Stattdessen setzt das Land als Übergangstechnologie weiter auf Atomstrom, sogar neue Kraftwerke sind noch in Planung. Gleichzeitig will man das „Saudi-Arabien der Windenenergie“ werden und mit heimischem grünen Strom, viel davon aus Offshore-Windparks, auch das Problem steigender Energiepreise miterledigen. Bis 2030 soll die aktuelle Windkraftleistung von zehn Gigawatt vervierfacht werden. Einem BBC-Bericht zufolge würde dies genug Strom für alle Haushalte des Landes liefern.
Die neuen Pläne sehen außerdem vor, mehr Elektroautos auf die Straßen zu bringen. Ab 2030 sollen keine Benziner und Diesel-Fahrzeuge mehr verkauft werden. Dafür gibt es Zuschüsse für Ladesäulen sowie den Kauf von sauberen Fahrzeugen in Höhe von 620 Millionen Pfund.
Beim Climate Action Tracker, der die ausgegebenen Ziele von Staaten systematisch analysiert, bekommt das Vereinigte Königreich in Bezug auf das Pariser Ziel einer Erderwärmung von maximal 1,5 Grad die Bewertung „fast ausreichend“ (Stand: Mitte September). Allerdings klaffe bislang eine große Lücke zwischen den ausgegebenen Zielen und konkreten Maßnahmen, schreiben die Experten. Deutschland liegt beim Climate Action Tracker mit der Bewertung „unzureichend“ bislang deutlich hinter Großbritannien.
Das britische Finanzministerium, das in Westminster eher als Bremser beim Klimaschutz gilt, kam in einem aktuellen Gutachten zu dem Schluss, dass „die Kosten globalen Nichthandelns die Kosten des Handelns bei weitem übersteigen“. Man müsse neue Finanzierungsquellen erschließen und dürfe nicht immer weiter Schulden aufnehmen, hieß es.
Prinzip Hoffnung
Wo Maßnahmen fehlen, setzt Johnson auf das Prinzip Hoffnung: So investiert er in die Entwicklung von CO2-Speichertechnologien und Wasserstoffförderung und setzt darauf, dass selbst Fliegen bald emissionsfrei möglich sein wird. Großbritannien gehe „eine große Wette“ auf grüne Technologien ein, gab er in einem Interview zu.
Sein COP-Beauftragter Alok Sharma wird unterdessen nicht müde, die Staatengemeinschaft zu ehrgeizigerem Handeln aufzurufen. So verlangt Großbritannien etwa von anderen Nationen einen zügigen Abschied von der Kohle. Die Weltklimakonferenz sei keine Gelegenheit für schöne Fotos, sagte Sharma kürzlich in Paris. Sie sei die „letzte beste Möglichkeit, das 1,5 Grad-Ziel im Rahmen des Möglichen zu halten“.
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