Bonn (dpa)
Behörde senkt Rendite für Netzbetreiber
Der Eigenkapitalzinssatz für die Betreiber von Energienetzen sinkt. Diese Bonner Behördenentscheidung ist für Stromkunden in Deutschland eine gute Nachricht. Verbraucherschützer sind dennoch unzufrieden.
Mit neuen Renditen für Netzbetreiber hat die Bundesnetzagentur ein Signal der Entspannung für die Strom- und Gaspreise gegeben.
Die Regulierungsbehörde veröffentlichte in Bonn sogenannte Eigenkapitalzinssätze, die Netzbetreiber bekommen. Diese Rendite wird sinken, das steht nun fest. Wirksam werden die neuen Vorgaben 2023 beim Strom und 2024 beim Gas.
Dann könnten die von den Endkunden getragenen Netzentgelte etwas geringer ausfallen - vorausgesetzt es kommt zu keinem starken Anstieg von Kosten, welche die Betreiber in Rechnung stellen dürfen. Ein weiterer Kostenzuwachs ist durchaus möglich, weil der Ausbau der Netze und die Maßnahmen zur Systemsicherheit teuer sind.
Das Netzentgelt macht derzeit etwa ein Viertel der Energiepreise für die Haushalte aus. Laut Bundesnetzagentur betrug das Netzentgelt beim Strom im vergangenen Jahr für Haushalte durchschnittlich 7,50 Cent pro Kilowattstunde und beim Gas 1,56 Cent.
Als Grund für die Senkung des Zinssatzes nannte die Behörde die allgemeinen Niedrigzinsen. „Die gesunkenen Zinssätze spiegeln das geringere Zinsniveau an den Kapitalmärkten wider“, erklärte Netzagentur-Chef Jochen Homann. Investitionen in die Netze blieben trotzdem „dauerhaft attraktiv“. Zugleich wies er darauf hin, dass die Renditen der Betreiber von den Netznutzern bezahlt werden, also von Verbrauchern, Industrie und Gewerbe. „Diese dürfen nicht unnötig belastet werden.“
Der Eigenkapitalzinssatz für Neuanlagen sinkt nach der Behördenentscheidung von derzeit 6,91 Prozent vor Körperschaftssteuer auf 5,07 Prozent und bei Altanlagen von 5,12 auf 3,51 Prozent. Diese Verzinsung macht nur einen Teil der Netzentgelte aus. Den größten Batzen machen Kosten für Bau, Betrieb und Instandhaltung aus.
Die Senkung des Zinssatzes führt Branchenkreisen zufolge dazu, dass Netzbetreiber binnen fünf Jahren knapp zwei Milliarden Euro weniger bekommen als sie nach dem alten Zinssatz erhalten hätten. Um diesen Betrag werden also Unternehmen und Privatleute binnen fünf Jahren entlastet.
Aus der Energiebranche kam Kritik. Kerstin Andreae vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) nannte die geringere Rendite „ein völlig falsches Signal“. „Dieser Zinssatz gefährdet die Leistungsfähigkeit der Netzbetreiber und die Investitionen in die Netzinfrastruktur, die für Klimaschutz und Versorgungssicherheit notwendig sind“, erklärte die Verbandschefin und betonte, dass die Netze „das Rückgrat der Energiewende“ seien. Der Energiekonzern EnBW wies darauf hin, dass man im europäischen Vergleich wegen der Energiewende in Deutschland den größten Investitionsbedarf in Netze habe. „Wir bekommen nun aber eine im europäischen Vergleich extrem niedrige Kapitalverzinsung.“ Das passe nicht zusammen.
Es gibtauch ganz andere Sichtweisen. Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE) vertritt Strom- und Gaslieferanten, die kein eigenes Netz haben und Durchleitungsgebühren für die Netznutzung zahlen. BNE-Geschäftsführer Robert Busch nannte es „enttäuschend, dass die Bundesnetzagentur die Chance verspielt, Verbraucher, Industrie und Gewerbe deutlicher zu entlasten“. Überhöhte Netzrenditen machten den Strom nun weiterhin unnötig teuer. „Gerade in Zeiten steigender Energiepreise muss jeder Spielraum genutzt werden, um staatlich veranlasste oder regulierte Bestandteile beim Strompreis zu reduzieren“, sagte Busch.
Busch verwies auf ein von seinem Verband und vom Energieversorger Lichtblick in Auftrag gegebenes Gutachten, demzufolge ein Kapitalmarktzins von nur 3,79 Prozent bei Neuanlagen und damit 1,28 Prozentpunkte weniger als jetzt beschlossen angebracht gewesen wäre. „Netz-Investitionen wären auch bei einer wesentlich deutlicheren Senkung noch immer ein lukratives Geschäft für die Betreiber.“
Auch Verbraucherschützer schüttelten mit dem Kopf. Die neuen Zinssätze seien viel zu hoch, sagte Thomas Engelke vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Der Verbraucher müsse auch künftig viel zu tief in die Tasche greifen als dies für einen funktionierenden Netzausbau nötig sei.
Den einen ist die Senkung also zu stark, den anderen ist sie zu schwach. Aus Sicht der Grünen-Bundestagsabgeordneten Ingrid Nestle wurde hingegen ein guter Mittelweg gefunden. „Die aktuelle Rendite sichert meiner Einschätzung nach die Finanzierung des Netzausbaus, ohne Verbraucherinteressen zu ignorieren“, sagte die Politikerin.
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