London/Wilhelmshaven (dpa)

„Stromautobahn“ nach Großbritannien soll Handel vereinfachen

| 31.10.2021 05:56 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
Das Endstück eines 516 Kilometer langen Seekabels für Strom wird von dem Kabelverlegeschiff „Boka Connector“ im Watt unter dem Deich hindurch an Land gezogen. Mit einer „Stromautobahn“ unter Wasser wollen Deutschland und Großbritannien einfacher Elektrizität handeln und austauschen. Foto: Carsten Rehder/dpa
Das Endstück eines 516 Kilometer langen Seekabels für Strom wird von dem Kabelverlegeschiff „Boka Connector“ im Watt unter dem Deich hindurch an Land gezogen. Mit einer „Stromautobahn“ unter Wasser wollen Deutschland und Großbritannien einfacher Elektrizität handeln und austauschen. Foto: Carsten Rehder/dpa
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Großbritannien braucht Strom aus dem Ausland, auch weil es den heimischen Preis endlich drücken will. Und hier kommt Deutschland ins Spiel.

Mit einer „Stromautobahn“ unter Wasser wollen Deutschland und Großbritannien einfacher Elektrizität handeln und austauschen. Das 720 Kilometer lange Unterseestromkabel „NeuConnect“ soll von 2026 an Wilhelmshaven mit der Halbinsel Hoo an der Themse-Mündung verbinden.

Der sogenannte Interkonnektor kann bis zu 1,4 Gigawatt Strom in beide Richtungen transportieren - das ist genug Energie für rund 1,5 Millionen Haushalte. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach bei ihrem Abschiedsbesuch in Großbritannien Anfang Juli mit Premierminister Boris Johnson über das Vorhaben.

„NeuConnect kann aus Sicht der Bundesregierung erhebliche volks- und energiewirtschaftliche Vorteile bieten“, teilte das Wirtschaftsministerium in Berlin auf Anfrage mit. So biete das Projekt Chancen, das deutsche Übertragungsnetz zu entlasten, Kosten zu senken und erneuerbare Energien grenzüberschreitend zu integrieren. Zwar gehört „NeuConnect“ zum Bundesbedarfsplan, allerdings beteiligt sich die Bundesregierung nicht finanziell.

Auch die britische Regierung, die das Vorhaben ebenfalls unterstützt, zahlt kein Geld für das 1,4 Milliarden Pfund (1,66 Mrd Euro) teure Kabel. Die Kosten für das derzeit größte deutsch-britische Einzelprojekt übernimmt ein Investorenkonsortium. „NeuConnect wird uns dabei helfen sicherzustellen, dass erneuerbare Energien nicht verschwendet werden“, hieß es vom Wirtschaftsministerium in London. Erst vor kurzem hatte Großbritannien mit Norwegen das bisher weltweit längste Unterseestromkabel in Betrieb genommen. Zwischen Deutschland und dem skandinavischen Land besteht bereits ein Interkonnektor durch die Nordsee: „Nordlink“ ermöglicht einerseits den Zugang zu deutschem Windstrom und in die andere Richtung zu Strom aus norwegischen Wasserkraftwerken.

Die Briten hoffen mithilfe der Verbindung vor allem auf niedrigere Kosten für Verbraucher. Der Preis für Strom ist bisher dauerhaft höher als in Deutschland. Bislang ist das Land ein Strom-Importeur, 2020 wurden 5,4 Prozent des Strombedarfs aus dem Ausland gedeckt. Das Land betreibt bereits mehrere Interkonnektoren, etwa mit Frankreich, Irland oder den Niederlanden. Weitere sind geplant. Deutschland seinerseits kann mit „NeuConnect“ überschüssigen Strom abgeben. „Die erstmalige Verbindung zweier der größten europäischen Energiemärkte wird zu einer widerstandsfähigeren und nachhaltigeren Stromversorgung in Deutschland und Großbritannien führen“, hieß es von NeuConnect Deutschland GmbH.

Premierminister Johnson will grüne Energien deutlich voranbringen und Großbritannien bis 2040 zum „Saudi-Arabien der Windkraft“ formen. Die Kapazität soll sich von 10 Gigawatt 2019 bis 2030 vervierfachen. Damit will das Vereinigte Königreich zum Strom-Exporteur werden, wie die bundeseigene Gesellschaft Germany Trade and Invest (GTAI) in einer Analyse schreibt.

Bisher aber ist Großbritannien von Stromimporten abhängig. Das nutzt auch Frankreich derzeit im Streit um Fischfangrechte im Ärmelkanal und droht damit, die Lieferungen auf die Kanalinsel Jersey auszusetzen. Ohnehin kann der Interkonnektor mit Frankreich derzeit nach einem Brand in einem britischen Stromverteilzentrum nicht mit voller Kapazität arbeiten. Das hatte den Druck auf die Elektrizitätspreise im Vereinigten Königreich drastisch erhöht.

© dpa-infocom, dpa:211031-99-805054/2

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