Berlin (dpa)
Kabbeleien bei Koalitionsverhandlungen um Finanzpolitik
Bei den Sondierungen haben SPD, Grüne und FDP noch Harmonie demonstriert. Inzwischen geht es um die schwierigen Details. Und da wird auch öffentlich mal der Ellenbogen ausgefahren.
In den Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und FDP wird mit dem Einstieg ins Ringen um die Details auch der Ton etwas weniger harmonisch als bisher.
So will FDP-Chef Christian Lindner seiner Partei nicht die Schuld daran zuschieben lassen, wenn es keine Steuerentlastungen für Mittelstand und Geringverdiener geben sollte. Es sei „ein Mythos, dass eine Entlastung der arbeitenden Mitte nur mit kompensatorischen Steuererhöhungen anderswo finanzierbar wäre“, sagte er der „Bild am Sonntag“ („BamS“). SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz und Grünen-Chef Robert Habeck hatten angedeutet, wegen der strikten Ablehnung von Steuererhöhungen durch die FDP sei in der Finanz- und Steuerpolitik keine große Bewegung möglich.
„Ich entnehme leider öffentlichen Äußerungen der Vorsitzenden von SPD und Grünen, dass beide offenbar die Entlastung von Gering- und Normalverdienern nicht mehr verfolgen“, sagte Lindner. Es sei nun einmal „Realität, dass SPD und Grüne nach ihren Wahlkämpfen für mehr Umverteilung die FDP-Forderung nach einer Steuerentlastung für alle ausschließen. Das müssen wir akzeptieren.“ Aber: „Beim Ziel der Stärkung der Mitte sollte nicht Stillstand Programm werden“, sagte Linder und betonte die weitere Gesprächsbereitschaft seiner Partei.
Dienstwagenprivileg in der Kritik
Die Grünen wollen ihre Vorhaben auch durch die Abschaffung unwirksamer und klimaschädlicher Subventionen finanzieren, stellen dabei aber nicht die Pendlerpauschale infrage, wie ihr Bundesgeschäftsführer Michael Kellner klargestellt hat. Der Erhöhung der Pendlerpauschale hätten die Grünen vor zwei Jahren zugestimmt, „auch jetzt steht sie nicht infrage“, schrieb er am Samstag auf Twitter. Herangehen wolle seine Partei aber etwa an das Dienstwagenprivileg sowie an die Steuerbefreiung von Rohöl bei der Plastikproduktion.
Zuvor hatte der FDP-Vorsitzende Christian Lindner betont, dass Subventionsabbau nicht zu einer Steuererhöhung für die arbeitende Mitte werden dürfe, „wie es bei der Pendlerpauschale der Fall wäre“. Die Pendlerpauschale, also die steuerliche Absetzbarkeit von Fahrtkosten für den Weg zur Arbeit, gilt als klimaschädlich, weil sie auch die Nutzung des Autos begünstigt und dazu ermutigt, weit weg vom Arbeitsplatz zu wohnen.
Die Koalitionsverhandler von SPD, Grünen und FDP führen seit Mittwoch Detailgespräche in 22 Arbeitsgruppen zu einzelnen Politikfeldern. Die Gruppen sollen bis zum 10. November ihre Positionen erarbeiten.
CSU-Chef Markus Söder malte ein mögliches Auseinanderdriften der Gesellschaft an die Wand. „Man muss aufpassen, dass die Ampel nicht zu einer Spaltung unserer Gesellschaft führt“, sagte der bayerische Ministerpräsident der „BamS“. „Es droht eine Koalition aus vermeintlich Besserwissenden der Grünen und Besserverdienenden der FDP.“ Absehbar sei: „Diese Koalition steht für mehr Zuwanderung, mehr Verschuldung und höhere Kosten.“
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