Berlin (dpa)
Corona-Krisenrunde von Bund und Ländern nächste Woche
Die Zahl der neuen Corona-Fälle überspringt eine noch nicht gekannte Schwelle - und ein Ende des rasanten Anstiegs ist nicht in Sicht. Die Politik will gegensteuern. Doch es gibt weiter Streit über die Wege.
Wegen der immer kritischeren Corona-Lage mit erstmals mehr als 50.000 Neuinfektionen an einem Tag wollen Bund und Länder über zusätzliche Schutzmaßnahmen beraten.
Am Donnerstag kommender Woche soll es dazu eine Runde der geschäftsführenden Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten geben. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz mahnte am Donnerstag zu weiterhin nötiger Vorsicht und befürwortete weitere Zugangsregeln nur für Geimpfte und Genesene (2G). Kommen sollen bald auch wieder Gratis-Schnelltests auf breiter Front. Über stärkere Kontrollen von Vorgaben und mehr Schub für die inzwischen schon leicht anziehenden Impfungen wird weiter diskutiert.
Bund-Länder-Krisentreffen
Merkel hatte zuletzt immer dringender eine neue Runde mit den Ländern eingefordert - doch tagelang gab es keine gemeinsame Linie. Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Nordrhein-Westfalens Regierungschef Hendrik Wüst (CDU), schrieb nun auf Twitter: „Gut, dass nun endlich von allen Seiten Bereitschaft für diese dringend notwendige Abstimmung da ist. Corona kennt keine Regierungspause.“ Einige Themen haben sich schon aufgestaut, unter anderem kritische Schwellen bei der Klinikbelastung und das Impfen.
Mehr Schub bei Impfungen: SPD, FDP und Grüne wollen an diesem Freitag mit Fachleuten über mehr Schwung für die Impfungen beraten. Dabei ziehen sie mittlerweile etwas an. Am Mittwoch ließen sich laut RKI 368.000 Menschen eine Spritze geben. Inzwischen sind mindestens 67,3 Prozent der Bevölkerung (56,0 Millionen Menschen) vollständig geimpft. Zeitdruck gibt es vor allem bei Auffrischungen für Millionen Ältere, deren Impfungen länger zurückliegen. Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern hatten beschlossen, dass solche Verstärkungen („Booster“) sechs Monate nach der zweiten Spritze breit angeboten werden sollen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach sich für Auffrischungen bereits nach fünf Monaten aus.
Ampel-Pläne für den Winter
Scholz sagte im Bundestag, es gelte das Land „winterfest“ zu machen. Die voraussichtlichen Regierungspartner SPD, Grüne und FDP brachten dafür einen Gesetzentwurf ein. Demnach soll die vom Bundestag festgestellte „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ am 25. November auslaufen. Diese Rechtsgrundlage für Corona-Beschränkungen in den Ländern soll aber durch eine Neuregelung ersetzt werden, die einen kleineren Maßnahmenkatalog umfasst. Unabhängig davon soll das vor vier Wochen stark eingeschränkte Angebot von Gratis-Tests wieder für alle kommen - auch für 3G am Arbeitsplatz, also Zugang nur für Geimpfte, Genesene und Getestete.
Kritik an der Ampel
Die Union attackierte die Pläne scharf. Das Auslaufen der Sonderlage sei „Realitätsverweigerung“, sagte Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU). Dies sende „das völlig falsche Signal“, es sei nicht mehr so schlimm, obwohl man vorsichtiger sein müsse. Die AfD lehnte die geplanten Corona-Maßnahmen ab. Die Linke warnte vor „leeren Versprechungen“ über ein nahes Ende der Pandemie.
Ringen um Corona-Regeln
Auch Brandenburg führt ab diesem Montag in Gaststätten, Hotels, Kinos und Theatern die 2G-Regel mit Zugang nur für Geimpfte und Genesene ein, wie das Kabinett beschloss. Probleme gibt es aber vielerorts generell schon jetzt mit laxen oder fehlenden Kontrollen von Nachweisen. Da seien Gastronomen und Veranstalter in der Pflicht und dürften sich „keinen schlanken Fuß machen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, der dpa.
Debatte um Impfpflicht
Der Deutsche Ethikrat empfiehlt nun „eine ernsthafte und rasche Prüfung einer berufsbezogenen Impfpflicht in Bereichen, in denen besonders vulnerable Menschen versorgt werden“. Konkret gehe es um Beschäftigte, die schwer oder chronisch Kranke und hochbetagte Menschen versorgen. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitut YouGov im Auftrag der dpa sprachen sich 44 Prozent dafür aus, alle in Deutschland zu Impfungen zu verpflichten. Weitere 24 Prozent wollen dies auf Berufsgruppen wie Pflegekräfte oder Krankenhauspersonal beschränken. 27 Prozent sind generell gegen eine Impfpflicht.
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