Berlin (dpa)
Merz, Röttgen oder Braun: CDU vor neuem Machtkampf
Nach ihrem katastrophalen Ergebnis bei der Bundestagswahl will sich die CDU neu sortieren. Merz, Röttgen oder Braun: Der künftige Vorsitzende muss die Partei einen und in der Opposition profilieren.
Es ist viel von Erneuerung die Rede in der CDU - personell wie bei den Inhalten. Doch am Anfang steht ein Machtkampf um die Führung der Partei - der dritte innerhalb von nur drei Jahren.
Nach dem Außenpolitiker Norbert Röttgen und dem geschäftsführenden Kanzleramtschef Helge Braun dürfte an diesem Montagabend auch Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz seine Bewerbung für die Parteispitze offiziell machen. Merz, Röttgen und Braun stehen für unterschiedliche Politikstile und Ausrichtungen der Partei. Doch alle drei stehen vor den gleichen riesigen Herausforderungen.
Nach dem historischen Desaster mit nur noch 24,1 Prozent bei der Bundestagswahl suchen die in der Ära von 16 Jahren Kanzlerin Angela Merkel regierungsverwöhnten Christdemokraten ihre Aufstellung für harte Oppositionsjahre. Der Nachfolger des nach nicht einmal einem Jahr bei der Bundestagswahl auch als CDU-Chef gescheiterten früheren NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet muss schwierige Aufgaben gleichzeitig meistern: Einer völlig verunsicherten CDU neues Selbstvertrauen geben und eine weitere Spaltung verhindern. Das schwer beschädigte Verhältnis zur kleinen bayerischen Schwester CSU kitten. Eine neue inhaltliche Profilierung vorantreiben - und auch noch kraftvoller Oppositionsführer sein.
Keiner der drei prominenten Kandidaten wird das im Solo schaffen, allen dürfte das bewusst sein. Jünger soll das CDU-Führungsteam in Präsidium und Vorstand künftig sein, und weiblicher. Doch auch wenn alle drei Kandidaten im parteiinternen Wahlkampf um den Vorsitz nun versuchen dürften, ein eigenständiges Team um sich zu versammeln: Der Personalpool an jüngeren Frauen oder Fachexperten in der Fraktion, die das künftige Gesicht der CDU sein könnten, ist für alle ähnlich.
Merz, Röttgen und Braun - ein Überblick:
Friedrich Merz
Der Wirtschaftsexperte ist nicht nur für seine Anhänger in der Poleposition für die erste Runde der Befragung der rund 400.000 CDU-Mitglieder über den künftigen Vorsitzenden vom 4. bis 16. Dezember. Selbst Kritiker vermuten, dass der 66-Jährige bei den im Schnitt mehr als 60 Jahre alten Mitgliedern vorne liegen dürfte - auch wegen seines Bekanntheitsgrades. Der Sauerländer nimmt schon zum dritten Mal Anlauf auf das Vorsitzendenamt, nachdem Merkel 2018 ihren Rückzug vom Parteivorsitz angekündigt hatte.
Merz dürfte vor allem von jenen gewählt werden, die sich nach den Merkel-Jahren der politischen Mitte nach einer Rückbesinnung auf konservative Kernwerte der Partei sehnen. Unter den Frauen hatte er bei seinen früheren Bewerbungen meist nur wenige Anhänger.
Viele Fans, ist in der CDU zu hören, hat Merz bei den Konservativen und im Osten des Landes und auch beim Unions-Nachwuchs von der Jungen Union und im Wirtschaftsflügel. Seine Anhänger hoffen, dass er mit messerscharfer Analyse und manchmal polarisierendem Auftritt die künftigen Ampel-Koalitionäre in Bedrängnis bringt. Kritiker befürchten, genau diese Qualitäten könnten dazu führen, dass die Spaltung innerhalb der CDU nicht kleiner wird. Zudem ist bekannt, dass Merz und CSU-Chef Markus Söder nicht gerade beste Freunde sind.
Norbert Röttgen
Wo er die politische Zukunft der CDU sieht, hat der 56-Jährige bei seiner Präsentation erneut klar gemacht: als „Volkspartei der gesellschaftlichen Mitte“. Ein Zeichen dafür, dass er die Partei weiblicher machen will, dürfte seine Kandidatin für den Generalsekretärsposten sein: Die in Berlin noch weitgehend unbekannte Bundestagsabgeordnete und Chefin der Hamburger Frauen Union, Franziska Hoppermann (39). Als sonderlich beliebt gilt Röttgen allerdings bei Anhängern von Merkel oder Laschet und im mächtigen NRW-Landesverband nicht.
Die Ankündigung, eng mit Söder und Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus zusammenarbeiten zu wollen, wird auch ein wohl überlegter Schachzug Röttgens gewesen sein. Brinkhaus dürfte fürchten, dass Merz im Falle eines Sieges bei der Vorsitzendenwahl zum Fraktionsvorsitz greifen könnte, um sich eine möglichst machtvolle Position in der Opposition zu sichern. Von einem Parteivorsitzenden Röttgen hätten Brinkhaus und seine Anhänger jedenfalls nichts zu befürchten. Das gilt auch für den Fall, dass Braun am Ende doch noch als Sieger vom Platz geht: Auch der Hesse hat schon deutlich gemacht, dass er als Parteichef mit Brinkhaus an der Fraktionsspitze weiterarbeiten will.
Helge Braun
Der 49 Jahre alte Hesse gilt als Überraschungskandidat. Er hat damit zu kämpfen hat, dass er als Kanzleramtschef einer der wichtigsten Vertrauten von Angela Merkel ist. Doch genau dies dürfte auch ein Kalkül hinter seiner Kandidatur sein - Braun mag hoffen, viele Stimmen von Merkel-Anhängern zu bekommen.
Hört man sich in der CDU um, glauben manche an ein respektables Ergebnis - aber nicht daran, dass Braun am Ende auf Platz eins oder zwei liegt. Zugleich wird aber in den Lagern aller Kandidaten eingeräumt: Niemand könne derzeit sagen, wie die CDU-Basis wirklich ticke und wie stark die einzelnen Lager seien. Die Chancen für Röttgen seien durch die Bewerbung von Braun eher gestiegen, vermuten manche. Denn bei drei Kandidaten sei nicht unwahrscheinlich, dass sich noch eine Stich-Runde an die erste Befragung anschließe, wenn dort keiner eine absolute Mehrheit bekommt.
Dass sich Braun nicht auf verlorenem Posten sieht, machte er schon bei seiner Vorstellung deutlich. In einer Mail an die „lieben Freundinnen und Freunde“ in der Partei legte er ein Neun-Punkte- Programm zur Reform der Partei vor. Erforderlich seien zudem eine „Positionsbestimmung“, eine „Zukunftsagenda“ und die Klärung besonders auseinanderfallender Positionen. Ob das die Mitglieder am Ende überzeugt?
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