Sofia (dpa)
Neue Anti-Korruptions-Partei siegt bei Neuwahl in Bulgarien
Bulgarien kann nach drei Anläufen auf eine Regierung hoffen. Eine neue Anti-Korruptionspartei gilt dabei als „Erlöserin“ aus einer politischen Sackgasse - auch wenn das Parlament zersplittert ist.
Zwei bulgarische Absolventen der US-Eliteuniversität Harvard konnten in der Wahlnacht ihre Freude kaum verbergen.
Denn ihre neu gegründete Partei „Wir führen den Wandel fort“ (PP) gewann am Sonntag mit rund 25 Prozent überraschend die dritte Parlamentswahl in Bulgarien seit dem Frühjahr. Der Anti-Korruptions-Partei der früheren Interims-Minister Kiril Petkow und Assen Wassilew werden nun gute Chancen eingeräumt, nach einem monatelangen Patt eine Koalitionsregierung in Sofia zu bilden.
Die von Korruptionsvorwürfen belastete bürgerliche GERB des im April abgewählten Regierungschefs Boiko Borissow landete amtlichen Zwischenergebnissen zufolge mit 22 Prozent auf Platz zwei. Insgesamt sieben Parteien, unter ihnen eine nationalistische, dürften ins neu gewählte Parlament einziehen.
Petkow kündigte überfällige Justizreform an
„Der Erfolg der beiden (Harvard-Absolventen) liegt darin, dass sie eine positive Tagesordnung angeboten haben“, sagte der renommierte Politologe Parwan Simeonow zur Wahlagenda von Petkow und Wassilew. Ihre oberste Priorität heißt „Null Korruption“ in Bulgarien, das laut Transparency International zu den korruptesten EU-Ländern gehört. Petkow kündigte eine überfällige Justizreform an. Kontrolle über öffentliche Gelder sowie mehr Innovationen sind weitere Reformziele.
„Bulgarien schlägt einen neuen Weg ein“, verkündete der PP-Co-Vorsitzende Kiril Petkow in der Wahlnacht. Die PP wolle Gespräche mit anderen Parteien aufnehmen. Eine Zusammenarbeit mit Borissows GERB und der Türkenpartei DPS schloss Petkow, der als Kandidat für den Posten des Regierungschefs gilt, aus.
Das ärmste EU-Land braucht dringend eine handlungsfähige Regierung, sind sich Bürger sowie Beobachter einig. Es steht vor Bergen von Problemen wie etwa eine heftige vierte Corona-Welle, steigende Energie-Preise, drohende Wirtschaftskrise und nicht zuletzt eine Blockade der EU-Aufnahmegespräche mit Nordmazedonien durch Sofia. Diese Probleme könnte nur eine gewählte Regierung anpacken.
Radew strebt eine Wiederwahl an
Staatspräsident Rumen Radew kündigte gleich am Tag nach der Wahl an, er wolle das Parlament in kürzester Zeit einberufen. „Ich hoffe, die Parteien werden dieses Mal ihre Differenzen überwinden (...) und wir eine stabile Mehrheit haben, die eine Regierung formiert“, sagte er.
Radew strebt eine Wiederwahl an, da seine Amtszeit als Staatschef Anfang Januar 2022 endet. Er gewann zwar mit gut 49 Prozent die erste Runde der Präsidentenwahl am Sonntag, doch eine Stichwahl soll entscheiden, ob er weitere fünf Jahre im Amt bleibt. Radews Herausforderer ist der mit rund 22 Prozent zweitplatzierte Rektor der Universität Sofia, Anastas Gerdschikow.
Der Wahlsieg der Radew nahe stehenden Anti-Korruptions-Partei hatte verheerende Folgen für das restliche Anti-Borissow-Lager. Die Partei ITN von Entertainer Slawi Trifonow, die als Hoffnungsträger die Wahl im Juli gewonnen hatte, kam jetzt mit 9,7 Prozent auf Platz fünf. Auch die Sozialisten erlitten mit gut 10 Prozent eine schwere Niederlage. Der Co-Chef von Demokratisches Bulgarien, Hristo Iwanow, trat nach einem enttäuschenden Wahlergebnis von nur 5,9 Prozent zurück. Und die lautstarke Protestpartei „Richte dich auf BG! Wir kommen!“ bleibt mit 2,2 Prozent außerhalb des Parlaments.
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