Köln (dpa)
Weihbischof bekennt Schuld der Kirche bei Missbrauch
Kardinal Woelki hat das Kölner Erzbistum durch seinen Umgang mit Missbrauchsgutachten in eine tiefe Krise gestürzt. Nun ist Woelki in Auszeit, und sein Vertreter wird aktiv.
Für die Opfer brennen Kerzen vor dem Kreuz: In einem Bußgottesdienst im Kölner Dom hat der Apostolische Administrator Rolf Steinhäuser das Versagen der katholischen Kirche beim sexuellen Missbrauch durch Geistliche bekannt.
„Von Priestern und weiteren kirchlichen Mitarbeitern unseres Bistums ist eine große Zahl von Verbrechen sexualisierter Gewalt an Schutzbefohlenen verübt worden“, sagte der Weihbischof am Donnerstag. Als derzeitiger Leiter des Erzbistums sei er „Chef der Täterorganisation Erzbistum Köln“. Steinhäuser vertritt Kardinal Rainer Maria Woelki, der sich in einer mehrmonatigen Auszeit befindet.
Das Erzbistum steckt in einer Krise, seit Woelki 2020 entschieden hatte, ein Gutachten zum Umgang von Bistumsverantwortlichen mit Missbrauchsvorwürfen vorerst nicht zu veröffentlichen. Daraufhin hatte Papst Franziskus die Situation im Erzbistum von zwei Bevollmächtigten untersuchen lassen und war im September zu dem Schluss gekommen, dass Woelki zwar „schwere Fehler“ in der Kommunikation begangen habe, aber im Amt bleiben dürfe.
Steinhäuser: Es gehe um „Schuldbekenntnis“
Steinhäuser sagte, er könne sich nicht für die Täter entschuldigen, wolle aber auch nicht die Gläubigen in Mithaftung nehmen. „Dieser Gottesdienst endet nicht mit der Vergebung“, betonte er. „Wir können uns nicht selbst absolvieren. Wir bitten auch nicht die Betroffenen um Vergebung, damit es uns besser geht.“ Vielmehr gehe es um „Schuldbekenntnis, Gedächtnis der Betroffenen, Fürbitte“, sagte er in seiner Predigt. „Das Thema sexueller Missbrauch hält uns im Griff, weil sich die Verhältnisse nicht wirklich geändert haben.“
Der Betroffenenbeirat, in dem Opfer von kirchlichem Missbrauch organisiert sind, hatte den nicht öffentlichen Gottesdienst mit gestaltet. So wurden mehr als 100 Vornamen Betroffener verlesen, für die dann Kerzen entzündet wurden - plus eine große Kerze für ungenannte Opfer. In einem abgewandelten „Vater Unser“-Gebet hieß es: „Vater unser, wo bist Du gewesen, als uns der Missbrauch traf? Warum hast Du uns nicht gehört und beschützt, als wir durch diese Hölle getrieben wurden?“
Dem Betroffenenbeirat sei es wichtig gewesen, dass in dem Gottesdienst die Folgen des Missbrauchs für die Opfer sichtbar würden, sagte Sprecher Peter Bringmann-Henselder im Anschluss. „Die auf sich geladene Schuld von Verantwortlichen und Tätern musste deutlich zur Sprache kommen.“ Der Beirat habe sich den 18. November als Termin gewünscht, da dies der „Europäische Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch“ sei.
Kritik an Woelkis Abwesenheit
Während des Gottesdienstes protestierten Mitglieder der Initiative Maria 2.0 vor dem Dom. Im Vorfeld hatten unter anderen einige Betroffene Form und Zeitpunkt der Veranstaltung kritisiert. „Die eigentlichen Täter, die sich mit der Faust an die Brust schlagen und Buße leisten müssten, sind nicht dabei“, sagte etwa das frühere Beiratsmitglied Patrick Bauer der dpa. Auch dass der Gottesdienst ausgerechnet in Woelkis Abwesenheit stattfinde, sei unverständlich.
Auch die Reformbewegung „Wir sind Kirche“ übte Kritik. „Ein Bußgottesdienst kann dann Sinn machen, wenn den frommen Worten ebenso ernsthafte Taten vorausgegangen sind oder folgen würden. Das ist aber nicht der Fall“, urteilte sie. Kein einziger derer, die maßgeblich Schuld auf sich geladen hätten, sei anwesend gewesen.
„Wenn Sie sich jetzt fragen: Warum kein Wort über den Kardinal? Ganz einfach: Weil er nicht da ist“, sagte Steinhäuser in seiner Predigt. „Ich werde ihn weder beschuldigen noch versuchen ihn zu entschuldigen.“
Woelki hatte sich nach dem Urteil des Papstes eine Auszeit genommen, die bis Aschermittwoch 2022 dauern soll. Zurzeit befindet er sich im oberbayerischen Bistum Eichstätt in Exerzitien, wie eine Sprecherin des dortigen Bistums mitgeteilt hatte.
Das umstrittene Missbrauchsgutachten war im März 2021 doch noch veröffentlicht worden. Darin wurden Führungspersönlichkeiten des Erzbistums wie dem früheren Kardinal Joachim Meisner (1933-2017) und dem heutigen Hamburger Erzbischof Stefan Heße Pflichtverletzungen bei der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen vorgeworfen.
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