Berlin (dpa)
Neue Spitze: Klingbeil und Esken führen SPD
Scholz ist Kanzler, die Ampel steht. Nun hat auch die Kanzlerpartei SPD ihr Spitzenpersonal für die Regierungszeit bestimmt. Die Aufgabe: aus der Wahl-Überraschung einen Dauerauftrag machen.
Mit Kanzler Olaf Scholz und der neuen Doppelspitze aus Lars Klingbeil und Saskia Esken will die SPD ein „sozialdemokratisches Jahrzehnt“ gestalten.
Ein weitgehend digitaler Parteitag wählte den bisherigen Generalsekretär Klingbeil (43) am Samstag in Berlin mit 86,3 Prozent zum Vorsitzenden, die 60-jährige Parteichefin Esken wurde mit 76,7 Prozent im Amt bestätigt.
„Es geht nicht darum, eine Legislaturperiode zu gestalten, wir wollen die 20er Jahre prägen, die jetzt vor uns liegen“, sagte Scholz in der ersten Parteitagsrede eines sozialdemokratischen Kanzlers seit 16 Jahren. Er wolle erreichen, dass das Land mit Zuversicht in die Zukunft blicke und die Menschen wieder optimistischer seien. „Es geht gut aus“, gab der 63-Jährige als Devise für seine Regierungszeit aus.
Scholz mahnte dazu, dass das von der neuen Bundesregierung mit Grünen und FDP öffentlich Angekündigte nun auch umgesetzt wird. „Das ist keine kleine Sache, das ist eine existenziell wichtige Angelegenheit für das Vertrauen für Politik.“ In der „Bild am Sonntag“ kündigte der Kanzler an, regelmäßig persönliche Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern führen zu wollen - davon profitiere auch er selbst, „denn es erdet mich, und ich gewinne viele Einsichten hinzu“.
Klingbeil bleibt unter Ergebnis von Walter-Borjans
Die Wahlen zur neuen Führungsspitze müssen noch per Briefwahl bestätigt werden - das dürfte aber eine Formsache sein. Esken konnte ihr im Vergleich zu früheren Vorsitzendenwahlen niedriges Ergebnis von 2019 (75,9 Prozent) geringfügig verbessern. Klingbeil kam auf weniger Zustimmung als sein Vorgänger Norbert Walter-Borjans mit 89,2 Prozent.
Zum neuen Generalsekretär wurde der frühere Juso-Chef Kevin Kühnert gewählt, der vor zwei Jahren mit dafür gesorgt hatte, dass Scholz nicht Parteichef wurde. Der 32-Jährige kam auf 77,8 Prozent der Stimmen. Neuer Partei-Vize wurde der nordrhein-westfälische SPD-Landesvorsitzende Thomas Kutschaty.
Klingbeil: „ Haben dieses Land nach 16 Jahren entfesselt“
Die SPD war bei der Bundestagswahl im September zum ersten Mal seit 2002 wieder stärkste Partei geworden und stellt mit Scholz den vierten SPD-Kanzler der Bundesrepublik. „Wir haben dieses Land nach 16 Jahren entfesselt, und zwar von dem Muff der Konservativen“, sagte Klingbeil zu den mehr als 600 Delegierten, die zum größten Teil digital zugeschaltet wurden.
Klingbeil sprach von einer neuen Kultur in der SPD im Umgang miteinander und im Auftreten nach außen. „Führung und gute Führung macht nicht aus, dass man Maulheld ist“, sagte er. „Politik muss doch nicht andauernd Krawall sein.“ Esken sagte, sie wolle helfen, dass die SPD „die linke Volkspartei“ sei. „Wir werden dieses Land verändern, wir werden es stärken, und wir werden es gerechter machen.“
Vier Landtagswahlen in 2022
Den Überraschungssieg bei der Bundestagswahl will die Parteispitze bei den vier Landtagswahlen im nächsten Jahr zu einer Erfolgssträhne ausbauen. „Ein Sieg bei der Bundestagswahl, das reicht mir nicht, ich will mehr“, sagte Klingbeil. Es gebe jetzt die Chance, ein „sozialdemokratisches Jahrzehnt“ zu gestalten.
Im nächsten Jahr wird in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und im Saarland gewählt. Davon wird derzeit nur Niedersachsen von einem SPD-Ministerpräsidenten regiert. Vor allem in Nordrhein-Westfalen will die SPD die Macht zurückerobern. Diese Wahl gilt als größte Bewährungsprobe der Sozialdemokraten nach dem Regierungswechsel in Berlin.
Kühnert: „Die Partei ist Kopf und Herz“
Kühnert rief zu einer klaren Aufgabenteilung zwischen Regierung und Partei auf. „Fraktion und Regierung sind für uns als SPD unsere Hände, die mit Geschick und Können die Wirklichkeit formen und verändern können“, sagte er. „Die Partei ist Kopf und Herz der sozialdemokratischen Bewegung.“ Er selbst wolle als Generalsekretär der SPD „Hüter und Trager ihrer Programmatik“ sein und sie in der Öffentlichkeit kommunizieren. „Wir brauchen hier kein ritualisiertes Heckmeck zwischen der Basis-SPD und der Regierungs-SPD, um uns zu erinnern, dass unsere Partei noch am Leben ist“, betonte er.
Umstrittene Beschlüsse zu Impfpflicht und Belarus
Die inhaltlichen Beschlüsse traten beim Wahl-Parteitag in den Hintergrund - zwei zuvor strittige Entscheidungen gab es jedoch. So sprach sich der SPD-Parteitag für eine Impfpflicht gegen Corona aus - im Bundestag allerdings sollen die Abgeordneten weiter ohne Fraktionszwang, also nur ihrem Gewissen verpflichtet, abstimmen. Außerdem beschloss der Parteitag eine Resolution zur Aufnahmen notleidender Menschen von der polnisch-belarussischen Grenze. Deutschland solle mit einer „Koalition der aufnahmebereiten Mitgliedstaaten“ vorangehen und Polen Unterstützung bei der Versorgung der Menschen „auch in den eigenen Ländern“ anbieten.
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