Rukla (dpa)
Lambrecht pocht auf militärische Abschreckung
Der Weihnachtsbesuch der neuen Verteidigungsministerin in Litauen ist hochpolitisch. Die SPD-Politikerin sichert Bündnissolidarität zu - und ruft nach Gesprächsbereitschaft.
Zum Start gleich eine Krise: Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hat Litauen mit Blick auf die Spannungen an der Nato-Ostflanke die Unterstützung Deutschlands für eine glaubhafte Abschreckung zugesichert.
Zugleich bekräftigte die SPD-Politikerin am Sonntag, Konflikte mit Russland sollten auf dem Wege der Diplomatie beigelegt werden. „Meine erste Einsatzreise führt mich ganz bewusst nach Litauen“, sagte Lambrecht im litauischen Rukla, wo sie deutsche Soldaten des Nato-Gefechtsverbandes (eFP) in dem Land besuchte.
Die Reise findet vor dem Hintergrund wachsender Spannungen mit Russland statt, die im russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine sowie der aus Belarus befeuerten Migrationskrise an den Grenzen zu Polen und auch Litauen sichtbaren Ausdruck finden. Russland verlangt zudem Sicherheitsgarantien des Westens. Gefordert wird, dass die Nato ihre militärische Infrastruktur auf die Positionen von 1997 zurückziehe.
Der litauischen Verteidigungsminister Arvydas Anusauskas sagte bei einer Pressekonferenz mit Lambrecht, es dürfe Russland nicht erlaubt werden, rote Linien zu ziehen. Es sei auch nicht akzeptabel, wenn die Führung in Moskau über Einflusszonen in Europa verhandeln wolle oder einen Rückzug der Nato-Partner aus östlichen Mitgliedsstaaten des Bündnisses als Verhandlungsziel ausgebe. Er sagte, sein Land sei bereit zu Waffenlieferungen an die Ukraine. „Wir müssen die Ukraine mit allen Mitteln und Maßnahmen unterstützen, und Litauen ist bereit, das zu tun, auch mit der Übergabe letaler Waffen“, wurde er auf der Pressekonferenz übersetzt.
Als Reaktion auf die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland 2014 nach dem Umsturz in der Ukraine hatte die Nato die Sicherung der eigenen Ostflanke verstärkt. In den drei baltischen Staaten und Polen wurden als Teil einer „verstärkten Vornepräsenz“ (Enhanced Forward Presence) gemeinsame Kampfverbände stationiert. Sie werden alle sechs Monate ausgetauscht, auch weil die Nato-Russland-Grundakte keine dauerhafte Stationierung alliierter Truppen in Osteuropa erlaubt.
Lambrecht bekräftigte die Bedeutung des Zusammenhaltes unter den Alliierten: „Wir stehen fest an der Seite unserer Partner und Freunde.“ Die hervorragende Kooperation werde fortgesetzt. Sie sei überzeugt, dass die angespannte Lage diplomatisch gelöst werden müsse. „Zugleich bedarf es aber der glaubhaften Abschreckung. Ein ganz wichtiges Signal. Dabei leistet Deutschland mit seinen Truppen bei eFP einen wichtigen Beitrag zur Abschreckung im Bündnis“, sagte Lambrecht. „Wir sind in der Nato bereit, für die Sicherheit unserer Verbündeten entschlossen und auch geschlossen einzutreten.“
Die gemeinsamen Herausforderungen seien vielfältig. „Wir haben intensiv über die Lage an der belarussischen Grenze gesprochen“, sagte sie. „Die Lage in der Ukraine ist ernst. Wir verfolgen sie sehr, sehr aufmerksam und ich kann die Sorgen unserer baltischen Verbündeten nachvollziehen und verstehen, wenn man sich bedroht fühlt.“
Deutschland stellt etwa die Hälfte der 1200 Männer und Frauen der multinationalen Einheit in Litauen und führt diese als sogenannte Rahmennation. Mit der Reise pflegt Lambrecht auch eine Tradition ihrer Vorgänger, die stets bemüht waren, einem der Einsätze im Ausland in der Adventszeit einen Besuch abzustatten. Der Nato-Gefechtsverband ist in einer Kaserne in der Stadt Rukla zusammen mit litauischen Einheiten untergebracht. Auch Niederländer, Belgier und Norweger sind beteiligt sowie Soldaten aus Tschechien und Luxemburg.
Vor der Reise hatte Lambrecht schon auf persönliche Sanktionen gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin und seine Vertrauten als Reaktion auf die militärische Eskalation im Grenzgebiet zur Ukraine gedrängt. „Aktuell müssen wir Putin und sein Umfeld ins Visier nehmen. Die für die Aggression Verantwortlichen müssen persönliche Konsequenzen spüren, zum Beispiel, dass sie nicht mehr zum Shoppen auf die Pariser Champs Élysées reisen können“, sagte Lambrecht der „Bild am Sonntag“. „Der Aggressor ist Russland. Wir müssen alle Möglichkeiten ausschöpfen, um eine Eskalation zu stoppen. Dazu gehört auch die Drohung mit harten Sanktionen.“
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