Bentiu/Mogadischu (dpa)

Dürre und Fluten - Wetterextreme treffen Afrikaner hart

Eva Krafczyk, dpa
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Von Eva Krafczyk, dpa
| 22.12.2021 08:42 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Zwei Kinder im Süden von Madagaskar. Die schlimmste Dürre seit 40 Jahren gefährdet in dem vor Afrikas Ostküste gelegenen Inselstaat Madagaskar das Leben hunderttausender Menschen. Foto: Tsiory Andriantsoarana/WFP/dpa
Zwei Kinder im Süden von Madagaskar. Die schlimmste Dürre seit 40 Jahren gefährdet in dem vor Afrikas Ostküste gelegenen Inselstaat Madagaskar das Leben hunderttausender Menschen. Foto: Tsiory Andriantsoarana/WFP/dpa
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Der Klimawandel zeigt derzeit gleich zwei Gesichter in mehreren Ländern Afrikas. Hilfsorganisationen und UN sind alarmiert. Dürre und Fluten vernichten die Lebensgrundlagen Hunderttausender Menschen.

Die einen sehnen sich nach Wasser für ihre verdorrten Felder, den anderen steht es buchstäblich bis zum Hals und höher.

Während in Madagaskar die schlimmste Dürre seit Jahrzehnten herrscht und auch am Horn von Afrika Dürre zunehmend dramatische Ausmaße angenommen hat, leiden im Südsudan mindestens 850.000 Menschen unter den schlimmsten Fluten seit langem.

Die jährlichen Überschwemmungen der Regenzeit haben nicht das benötigte Nass gebracht, sondern die Vernichtung von Ernten, Häusern und Lebensgrundlagen. Extremwetter, das aufgrund des Klimawandels häufiger als früher auftritt, trifft derzeit gleich in mehreren afrikanischen Ländern die Menschen mit aller Härte.

Bilder etwa aus dem südsudanesischen Bundesstaat Unity sind dramatisch: Teilweise ragen nur die Dachspitzen der Tukuls, der traditionellen Rundhütten, aus den schlammigen Fluten. In Bentiu, einer der größeren Städte der Region, quillt das Flüchtlingslager über, das ursprünglich für Binnenflüchtlinge nach ethnischen Konflikten eingerichtet wurde. Nun sind hier die Einwohner überfluteter Dörfer gestrandet, nach oft tagelangen Fußmärschen. Die meisten konnten kaum etwas mitnehmen, ihre Ernte ist in den schlimmsten Überflutungen seit Jahrzehnten vernichtet worden. Latrinen stehen unter Wasser, Krankheiten drohen sich auszubreiten.

Lebensgrundlagen zerstört

„Wir haben im Wasser geschlafen“, berichtete etwa die Bäuerin Nyapuoa Kuol Bachuy Helfern in Bentiu. „Unsere Lebensgrundlagen sind zerstört. Wir haben nichts, um ein neues Leben zu beginnen und fragen uns alle, wie um alles in der Welt wir das überleben sollen.“ Die Familie, die Obst und Gemüse anbaute und damit ein vergleichsweise gutes Einkommen hatte, ist plötzlich auf Hilfe angewiesen - wie so viele Menschen des Landes, das ohnehin nach jahrelangem Bürgerkrieg vor seiner Unabhängigkeit stark unterentwickelt ist.

„Wir erleben im Südsudan, wie Wetterextreme die Lebensgrundlagen der Menschen zerstören: Überschwemmungen werden in Ausmaß und Länge immer extremer. Das bedeutet für die Menschen weniger Ernte und weniger Einkommen, dafür mehr Hunger und Verzweiflung“, sagt Bettina Iseli, Programmdirektorin der Welthungerhilfe, die knapp 400.000 Euro an zusätzlicher Soforthilfe bereitgestellt hat, um Familien mit dem Nötigsten zu versorgen und die aufgeweichten Deiche zu verstärken.

Warten auf den Regen

In Teilen Somalias, Äthiopiens und Kenias dagegen warten die Menschen sehnsüchtig auf Regen. Die somalische Regierung hat vor wenigen Wochen den Notstand ausgerufen, das UN-Nothilfebüro OCHA von einer dramatischen Lage gesprochen. Nach den jüngsten Berichten sind mehr als 3,2 Millionen Menschen von den Auswirkungen der Dürre betroffen, rund 169.000 sind bislang aus ihren Dörfern geflohen, um anderswo Wasser oder Weideland für ihre Tiere zu finden.

„Die derzeitige Dürre hat Lebensgrundlagen zerstört und Familien an den Rand einer Katastrophe gebracht“, warnte Khadija Diriye, die somalische Ministerin für Katastrophenschutz, am Montag.

Nach UN-Einschätzungen ist Somalia das Land in Afrika, das am schwersten von Dürre betroffen ist. In den kommenden Monaten könnte die Zahl der Menschen, die wegen der Dürre ihre Dörfer verlassen müssen, auf bis zu 1,4 Millionen steigen - und die Ernte im Januar dürfte aktuellen Berechnungen zufolge um 50 bis 60 Prozent unterhalb des Zehn-Jahre-Durchschnitts liegen. „Das Leben der Menschen in Somalia steht auf dem Spiel, und wir haben keine Zeit zu verlieren“, betonte Martin Griffith, der Leiter des UN-Nothilfebüros OCHA.

Klimawandel besonders zu spüren

Tatsächlich gehört Afrika südlich der Sahara zu den Regionen der Welt, in denen die Folgen des Klimawandels besonders dramatische Folgen haben. Auch die Häufung von Dürren oder Fluten hat zugenommen. „Wir sprechen von sogenannten kaskadischen Effekten“, sagt Christoph Gornott, Agrarwissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Professor an der Universität Kassel. Er befasst sich vor allem mit der Anpassung landwirtschaftlicher Systeme. Von kaskadischen Effekten wird gesprochen, wenn Auswirkungen des Klimawandels wiederum weitere Auswirkungen auf nicht unmittelbar vom Klimawandel betroffene Bereiche haben – es also eine Kette von Klimawandeleinflüssen gibt – und somit bereits bestehende Probleme noch verstärken.

Ein Beispiel: „In Afrika gibt es meist sehr alte Böden, die häufig nährstoffarm und erosionsanfällig sind“, erläutert Gornott. Bei Trockenheit bestehe die Gefahr von Winderosion, bei Fluten wird ein Teil des Bodens vom Wasser weggerissen. Langfristig drohten durch den Klimawandel sinkende landwirtschaftliche Erträge und im Fall von Dürren und Fluten Ernteausfälle - und das in einer Region, die ohnehin als „vulnerabel“, also verwundbar, gilt und mit zahlreichen anderen Problemen zu kämpfen hat. „Das wiederum hat schnell Auswirkungen auf die Ernährungssituation, so wie jetzt in Madagaskar. Diese kaskadischen Effekte haben wir in Europa weniger stark“, so Gornott.

Durch den klimawandelbedingten Temperaturanstieg komme es zu einer stärkeren Erwärmung der Landmasse. In dem fast überall warmen Klima afrikanischer Länder mache das nicht nur körperliche Arbeit anstrengender, auch auf das Wachstum von Pflanzen haben die veränderten Bedingungen Auswirkungen. Durch die höhere Temperatur werde zudem dem Boden Wasser entzogen - auch in jenen Gebieten, in denen es mehr als in vergangenen Jahren und Jahrzehnten regnet.

Nicht alle Probleme etwa der Bodenerosion seien auf den Klimawandel zurückzuführen, auch Abholzung etwa zur Produktion von Holzkohle spiele eine Rolle. Wichtig sei, über die reine Nothilfe hinaus die betroffenen Staaten zu unterstützen, Resilienz gegen die Folgen von Klimawandel zu schaffen, beispielsweise durch Aufforstung, betont der Wissenschaftler. „Die Zeit zum Handeln wird immer knapper.“

© dpa-infocom, dpa:211222-99-473855/2

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