Johannesburg (dpa)
Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu ist tot
Sein ansteckendes Lachen war legendär: Desmond Tutu bekam als einer der bekanntesten Wortführer im Kampf gegen Südafrikas einstiges rassistisches Apartheid-System den Friedensnobelpreis.
Desmond Tutu ist tot. Der weltbekannte südafrikanische Friedensnobelpreisträger, Menschenrechtler und emeritierte Erzbischof starb am Sonntag im Alter von 90 Jahren, wie Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa bekanntgab.
Als prominentester Geistlicher des Landes war er jahrzehntelang das moralische Gewissen des Kap-Staates. Gemeinsam mit Nelson Mandela kämpfte er gegen das rassistische Apartheidsystem, das die weiße Dominanz festschreiben wollte. Nach dessen Überwindung prägte er einst den Begriff der „Regenbogennation“. „Für viele in Südafrika und auch der Welt war sein Leben ein Segen“, schrieb seine Stiftung. Er sei ein außergewöhnlicher Mensch gewesen, dessen Stimme Gewicht gehabt habe.
Weltweite Trauer
Das Nobelpreiskomitee sprach in einer Stellungnahme von einer „betrüblichen Nachricht“, der britische Premierminister Boris Johnson würdigte ihn als wichtige Persönlichkeit im Kampf gegen die Apartheid und beim Aufbau eines neuen demokratischen Südafrikas. Auch Queen Elizabeth II. erinnerte sich an seine „große Herzlichkeit und seinen Humor“, den sie bei mehreren Treffen erlebt habe.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erklärte: „Mit ihm ist einer der international markantesten Kämpfer gegen Apartheid und für Demokratie und Menschenrechte von uns gegangen.“ Sein unerschütterliches Engagement sollte allen ein Vorbild sein, „uns unablässig gegen Rassismus und Ungleichbehandlung zu engagieren“.
Der ehemalige US-Präsident Barack Obama würdigte Tutu als einen „Mentor, einen Freund und einen moralischen Kompass für mich und so viele andere.“ Obama hatte Tutu 2009 mit einer Freiheitsmedaille im Weißen Haus geehrt. US-Präsident Joe Biden und seine Ehefrau Jill würdigten Tutu als einen „wahren Dieners Gottes und des Volkes“. „Wir hatten das Glück, in den letzten Jahren bei mehreren Gelegenheiten Zeit mit ihm zu verbringen“, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung am Sonntag. Die Kraft seiner Botschaft von Gerechtigkeit, Gleichheit und Versöhnung im Kampf gegen Rassismus und Extremismus sei immer zu spüren gewesen. „Er folgte seiner spirituellen Berufung, eine bessere, freiere und gleichere Welt zu schaffen.“ Sein Vermächtnis sei grenzüberschreitend und werde über Jahrhunderte nachhallen.
David Sassoli, der Präsident des Europaparlaments, würdigte ihn als eine echte Inspiration und „einen Giganten im Kampf gegen Südafrikas Apartheid“. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron äußerte sich ähnlich. EU-Ratspräsident Charles Michel nannte Tutu einen „Giganten, der gegen die Apartheid aufstand“: „Ein Mann, der mit starken Engagement für die Menschenwürde sein Leben der Freiheit gewidmet hat.“ Papst Franziskus ließ über ein Telegramm mitteilen, mit Trauer von der Nachricht über Tutus Tod erfahren zu haben. Er würdigte darin dessen Einsatz für die Versöhnung in Südafrika.
Bereits am Mittag waren auf TV-Bildern Menschen zu sehen, die Blumen vor seinem Denkmal in Kapstadts Waterfront niederlegten. Die Stadtverwaltung will als Verbeugung vor Tutus Vermächtnis in den kommenden Tagen das Wahrzeichen der Stadt - den alles überragenden Tafelberg - im bischöflichen Violett anstrahlen.
Stimme des Widerstands
Ob Rassendiskriminierung oder andere Ungerechtigkeit: Tutu fand stets klare Worte. Als streitbarer anglikanischer Gottesmann wurde er zur Stimme des Widerstands und erhielt 1984 für seinen gewaltlosen Einsatz gegen das Apartheidregime den Friedensnobelpreis. „Er nahm Gott, Gottes Willen und Gottes Schöpfung todernst“, schrieb Kapstadts Erzbischof Thabo Makgoba. Nach Angaben der aus Kapstadt stammenden Infrastrukturministerin Patricia de Lille starb Tutu friedlich im Kreise seiner Familie. „Er sah so friedlich aus - er schloss einfach seine Augen“, sagte sie bei einer kurzen Gedenkveranstaltung.
Mit seinem außergewöhnlichen Intellekt sei Tutu inspirierend, prinzipienfest und pragmatisch gewesen, meinte Präsident Ramaphosa. Er betonte: „Der Tod des emeritierten Erzbischofs Desmond Tutu ist ein weiteres Kapitel der Trauer im Abschied unseres Landes von einer Generation herausragender Südafrikaner, die uns ein befreites Südafrika hinterlassen haben.“
Nach Angaben der amtierenden Koordinatorin von Tutus Büros, Ramphela Mamphele, war Tutu am Morgen in einem Seniorenheim in Kapstadt gestorben. Südafrika und die Welt hätten eines ihrer moralischen Vorbilder verloren. „Der Erzbischof war ein moralischer Kompass für unsere Gesellschaft“, sagte im TV-Sender eNCA Verne Harris von der Nelson-Mandela-Stiftung. Er sei seiner Zeit oft voraus gewesen.
Aufarbeitung der Apartheid
Der am 7. Oktober 1931 in der Bergbaustadt Klerksdorp bei Johannesburg geborene Tutu war nach dem Ende der Apartheid einer der Verfechter der Aussöhnung zwischen Schwarz und Weiß. Er übernahm 1996 den Vorsitz der Wahrheits- und Versöhnungskommission, die die Verbrechen der Apartheidzeit aufarbeitete. Obwohl er sich dem heute regierenden Afrikanischen Nationalkongress (ANC) seines Freundes Nelson Mandela im Anti-Apartheid-Kampf verbunden fühlte, kritisierte er den ANC später für Missstände oder Fehlentwicklungen.
Aus der Öffentlichkeit zog er sich nach der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika immer mehr zurück. Obwohl er zunehmend zur Behandlung ins Krankenhaus musste, meldete er sich aber bei ihm ungerecht erscheinenden Ereignissen noch immer stets lautstark zu Wort. Er hinterlässt seine Frau Leah und vier Kinder.
Einen seiner letzten öffentlichen Auftritte hatte er Mitte September 2019, als ihm der britische Prinz Harry bei einer Afrikareise seine Familie vorstellte und der bereits sehr gebrechlich wirkende Tutu dem kleinen Archie einen Kuss auf die Stirn hauchte.
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