Bad Neuenahr-Ahrweiler (dpa)

Wie viel Freiheit für den Fluss? - Debatte über Ahr-Verlauf

Jens Albes (Text) und Thomas Frey (Foto), dpa
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Von Jens Albes (Text) und Thomas Frey (Foto), dpa
| 29.12.2021 03:49 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
Nach der Hochwasserkatastrophe hat sich der Flusslauf der Ahr teilweise verändert. Foto: Thomas Frey/dpa
Nach der Hochwasserkatastrophe hat sich der Flusslauf der Ahr teilweise verändert. Foto: Thomas Frey/dpa
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Im Zuge des tödlichen Hochwassers hat die Ahr auch ihren Verlauf geändert. Neue Nebenarme, neue Auenlandschaften entstanden - nicht alle freuen sich darüber.

Das Ahr-Hochwasser hat mit 134 Todesopfern viel Leid gebracht - mit seinen Änderungen des Flussverlaufs aber auch ökologische Chancen geboten. Diese sind nach Ansicht von Kritikern nicht genutzt worden.

Der Hochwasserschutz sei teils sogar verschlechtert worden. Die Ahr sei an mancher Stelle heute schmaler als vor der Flut, sagt Cosima Lindemann, Vorsitzende des Naturschutzbundes (Nabu) Rheinland-Pfalz. In Ortschaften sei eine rasche Wiederherstellung des vorherigen Flussbettes verständlich. Außerorts aber seien Chancen vertan worden, Naturschutz und Hochwasservorsorge zu verbinden.

Hochwasser im Juli

Das extreme Ahr-Hochwasser am 14. und 15. Juli habe das Flussbett teils verlegt und neue Nebenarme entstehen lassen, sagt Lindemann. Diese hätten „einen hohen ökologischen Wert“ und könnten bei Hochwassern entlastend wirken. Leider sei von diesen neuen Strukturen fünfeinhalb Monate nach der Katastrophe nichts mehr zu finden: „Nebenarme sind wieder zugeschüttet worden und das Flussbett wurde in großen Teilen begradigt.“

Der Hildesheimer Biologieprofessor Wolfgang Büchs spricht von einer stellenweise „zweiten Zerstörung“ des Flusstals. Erst habe sich die Ahr beim Hochwasser den Raum geholt, „den sie eigentlich braucht“, und neue Auenlandschaften geschaffen. Dann hätten Bagger und Bulldozer bei den Aufräumarbeiten in oft unkoordinierter „Wildwestmanier“ drastisch eingegriffen. Ökologisch wertvolle Bereiche und Rückhalteflächen für Hochwasser seien verlorengegangen, das Bundesnaturschutzgesetz werde missachtet.

Der für Gewässer zuständige Abteilungsleiter bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord in Koblenz, Joachim Gerke, sagt, vor allem anfangs sei das Baggern im Fluss unabdingbar gewesen, etwa um Treibgut und Zerstörungen zu beseitigen. Im Chaos der ersten Aufräumphase „können Sie nicht die reine Lehre fahren“, meint der Abteilungsleiter. „Da sind auch ungünstige Dinge passiert.“ Es gehe um einen Ausgleich verschiedener Interessen - Natur- und Hochwasserschutz, Lebens- und Arbeitsraum der Anwohner.

Mehr Raum für den Fluss

Es bleibt laut Gerke das Hauptziel, der Ahr mehr Raum zu geben. „Das habe ich auch auf Bürgerversammlungen vorgetragen.“ Manche Bürgermeister hätten gleich Vorschläge unterbreitet, „zum Beispiel eine Wiese im Dorf abzusenken“. Nötig ist nach Einschätzung des Fachmanns allerdings ein koordiniertes überörtliches Handeln. „Man kann die Ahr nicht einfach mal breit und mal schmal machen.“ Möglichst rasch im Laufe des neuen Jahres solle ein Gewässerentwicklungskonzept für den Fluss vorliegen. Die öffentliche Hand kaufe auch Uferflächen mit Steuergeld auf.

Vor allem das mittlere Ahrtal ist sehr eng und steil. Das erschwert den Hochwasserschutz. Die Nabu-Landesvorsitzende Lindemann fordert gerade deshalb, jede Möglichkeit zu nutzen, dem Fluss mehr Raum zu geben. „Das hilft dem Naturschutz, aber letztlich auch den Menschen, die an der Ahr leben.“

© dpa-infocom, dpa:211229-99-529492/4

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