Berlin/Kiew/Moskau (dpa)
Ukraine bittet Deutschland um Hilfe
Die Bemühungen um Entspannung im Ukraine-Konflikt laufen auf Hochtouren. Bislang ohne Durchbruch. Kiew sucht Hilfe auch in Berlin. Die Bundesregierung bleibt in einer Sache aber bei ihrem Nein.
Im Konflikt mit Russland ruft die Ukraine Deutschland zu weiterer Hilfe auf. Momentan benötige sein Land vor allem „dringend 100 000 Helme und Schutzwesten für die Freiwilligen, die sich gerade für die Landwehr melden, um ihre Heimat zusammen mit den Streitkräften zu verteidigen“, sagte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, dem „Handelsblatt“. Berlin lehnt Waffenlieferungen weiterhin ab, will aber im Februar ein Feldlazarett in die Ex-Sowjetrepublik bringen. Die USA kündigten indes inmitten der schweren Spannungen ein neues Nato-Manöver an.
Die Übung im Mittelmeer mit dem Namen „Neptune Strike 22“ soll nach US-Angaben am kommenden Montag beginnen und zwölf Tage dauern. Daran werde auch der US-Flugzeugträger „USS Harry S. Truman“ beteiligt sein. Der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, sagte, das Manöver stehe nicht im Zusammenhang mit Befürchtungen eines russischen Einmarsches in die Ukraine. „Die Übung ist nicht für die Art von Szenarien entworfen, die sich mit Blick auf die Ukraine abspielen könnten.“ Das Manöver sei zudem bereits lange in Planung.
Russland hatte zuvor verschiedene Seemanöver mit insgesamt 140 Kriegsschiffen in den nächsten Wochen etwa im Mittelmeer, Pazifik und Atlantik angekündigt. Auf russischem Gebiet laufen bereits mehrere Übungen. Das Verteidigungsministerium in Moskau verwies am Samstag auf ein Training im Gebiet Woronesch an der Grenze zur Ukraine, wo der Einsatz von Flammenwerfern geübt worden sei.
USA schicken Militärhilfe in die Ukraine
Nur wenige Stunden nach einem Treffen von US-Außenminister Antony Blinken mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow am Freitag in Genf haben die USA neue Militärhilfe in die Ukraine geschickt. In der Nacht landete eine US-Frachtmaschine auf einem Flughafen der Hauptstadt Kiew, wie die dortige US-Botschaft mitteilte. An Bord seien 90 Tonnen Fracht gewesen, darunter Munition „für die Frontverteidigung“. Weitere Lieferungen sollten folgen.
Russland hatte wiederholt dazu aufgerufen, die Ukraine nicht weiter aufzurüsten, weil dies militärische Spannungen schürte und das Land ermuntern könnte, etwa den Donbass im Osten der Ex-Sowjetrepublik anzugreifen, um sich dort die abtrünnigen Teile der Gebiete Luhansk und Donezk zurückzuholen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warnte am Samstag in einer Ansprache zum Tag der Einheit, die Grenzen seines Landes zu verletzen. „Bewahren wir die Unabhängigkeit und Einheit der Ukraine.“
Zuletzt hatte der Kreml die Lieferung von leichten Panzerabwehrwaffen aus Großbritannien an die Ukraine scharf kritisiert. Auch die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen wollen nun in den USA hergestellte Panzerabwehrraketen und Flugabwehrsysteme in die an Russland grenzende Ex-Sowjetrepublik schicken.
Keine Waffenlieferung aus Deutschland
Die Ukraine hatte auch Deutschland wiederholt um Waffenlieferungen gebeten. Die Bundesregierung hat bisher an ihrem Nein festgehalten. Der ukrainische Botschafter Melnyk sagte dazu: „Der Ernst der Lage verlangt von der Ampel-Regierung sofortiges Umdenken und Kursänderung in der Frage von Waffenlieferungen an die Ukraine“.
Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht machte in der „Welt am Sonntag“ deutlich: „Waffenlieferungen wären da aktuell nicht hilfreich - das ist Konsens in der Bundesregierung“. Die SPD-Politikerin kündigte an, im Februar werde „ein komplettes Feldlazarett übergeben, inklusive der nötigen Ausbildung, alles von Deutschland mit 5,3 Millionen Euro kofinanziert“.
Deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine lehnt auch CSU-Chef Markus Söder ab. Zur Forderung Kiews nach Aufnahme in die Nato sagte Bayerns Regierungschef der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“: „Aus meiner Sicht ist klar: Eine Nato-Osterweiterung um die Ukraine steht auf lange Zeit nicht auf der Tagesordnung.“
Berichte über Botschaftsevakuierungen
Zu Berichten über möglicherweise bevorstehende Evakuierungen von deutschem und amerikanischem Botschaftspersonal und deren Angehörigen in der Ukraine gab es noch keine definitiven Angaben aus Berlin und Washington.
Es gebe derzeit von Seiten des Auswärtigen Amts „keine Maßnahmen zur Reduzierung von Botschaftspersonal“ oder von dessen Familienangehörigen, hieß es am Samstag aus dem Auswärtigen Amt. Man beobachte aber sehr aufmerksam, „wie sich die Sicherheitslage für das Personal an unseren Auslandsvertretungen in der Ukraine darstellt“. Zuvor hatte die „Bild“-Zeitung berichtet, dass das Auswärtige Amt „an einem Evakuierungsplan für die Angehörigen der Deutschen Botschaftsmitarbeiter in der Ukraine“ arbeite.
US-Außenministerium dementiert
Auch das US-Außenministerium sagte, es habe derzeit zur Evakuierung von Familien von Botschaftspersonal „nichts anzukündigen.“ Das Ministerium betonte auch, dass US-Bürger in der Ukraine nicht mit einer von der Regierung unterstützten Evakuierungsaktion rechnen könnten, sollte sich die Haltung mit Blick auf Botschaftspersonal und Angehörige ändern. „Derzeit stehen kommerzielle Flüge zur Verfügung, um die Abreise zu unterstützen“, hieß es lediglich. Berichte hatten zuvor angedeutet, eine Evakuierung könne bereits am Montag beginnen.
Zuletzt hatte das russische Außenministerium US-Medienberichte über eine angebliche Evakuierung russischer Diplomaten und deren Familien aus der Ukraine zurückhaltend kommentiert: „Die russische Botschaft in Kiew arbeitet routinemäßig“, hieß es in Moskau.
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