Berlin (dpa)
Omikron und die kritische Infrastruktur
Auch wenn Omikron wohl weniger schwere Erkrankungen hervorruft, viele Ansteckungen gleichzeitig könnten Ausfälle in wichtigen Bereichen der Infrastruktur verursachen. Ein Blick in verschiedene Sektoren.
Ist es nur die Ruhe vor dem Sturm oder treten die Befürchtungen wegen der sich schnell ausbreitenden Omikron-Variante doch nicht ein? Seit Wochen ist die Politik in großer Sorge wegen möglicher Ausfälle in wichtigen Bereichen der Infrastruktur des Landes.
Am Montag war das erneut Thema bei den Beratungen von Bund und Ländern. Vor dem Jahreswechsel wurden bereits Kontaktbeschränkungen weiter verschärft. Daneben wurden auch Isolations- und Quarantänevorgaben gelockert, damit nicht zu viel Personal gleichzeitig ausfällt. Einige Bereiche melden inzwischen Probleme, andere nicht.
Energie und Wasser
Energie- und Wasserversorger bezeichnen die Lage momentan als „weiterhin entspannt“. Besonders für Leitwarten und Entstörungsdienste werde die Lage aber regelmäßig neu bewertet, heißt es beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. „Insbesondere für das Kernschlüsselpersonal bestehen seit Beginn der Pandemie besondere vorsorgende Schutzmaßnahmen, um den Eintrag und die Ausbreitung von Infektionen zu verhindern.“ Zu den Notfallplänen zählen demnach etwa Schichtpläne mit längeren Arbeitszeiten, Kontaktverbote zwischen Teams und die Reaktivierung kürzlich in Rente gegangener Mitarbeiter. Bislang müssten aber keine Maßnahmen verschärft werden.
„Aktuell gehen 90 Prozent unserer Mitgliedsunternehmen davon aus, den Betrieb auch über die kommenden Wochen hinweg aufrecht zu erhalten, selbst wenn 30 Prozent der Mitarbeiter ausfallen sollten“, sagte Ingbert Liebing, der Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen, dessen Mitglieder neben Energie- und Wasserbetrieben auch Müllabfuhren, Straßenreinigung und Telekommunikationsanlagen betreiben. Bei höheren Ausfallzahlen sprach er sich dafür aus, den Einsatz von symptomlosen Infizierten in Schlüsselpositionen zu erlauben. Liebing betonte jedoch: „Derzeit ist durch die Omikron-Variante kein erhöhtes Risiko für die Ver- und Entsorgungssicherheit zu befürchten.“
Öffentliche Verkehrsmittel
Im Nahverkehr haben dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) zufolge nur die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) das Angebot eingeschränkt. In der Hauptstadt sind die Infektionszahlen besonders hoch. Weitere Verkehrsunternehmen mit Angebotseinschränkungen seien nicht bekannt, teilte der VDV auf Anfrage mit. Bei der Deutschen Bahn ist der Krankenstand nach Gewerkschaftsgaben zwar inzwischen höher als üblich. Es gibt aber noch keine Personalengpässe, die zu einer Einschränkung des Zugverkehrs führen würden. „Aktuell läuft der Betrieb ruhig und weitgehend reibungslos“, teilte der Konzern mit.
Logistik
Alarmmeldungen gibt es aus der Logistik-Branche bisher nicht: Es seien keine außergewöhnlich hohen Krankenstände zu verzeichnen“, teilte ein Sprecher des Bundesverbands Spedition und Logistik mit. „Die Speditionshäuser sind im Umgang mit dem anhaltenden Pandemiegeschehen inzwischen äußerst routiniert, so dass trotz dünner Personaldecken absehbar keine versorgungsrelevanten Ausfälle größeren Ausmaßes für die Bevölkerung zu befürchten sind.“
Kliniken
Weniger positive Rückmeldungen kommen dagegen aus den Kliniken. Dort werden derzeit überdurchschnittlich hohe Personalausfälle beklagt. Fast drei Viertel der Krankenhäuser berichten von höheren Personalausfällen in patientennahen Bereichen als um diese Jahreszeit üblich, wie aus einer Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts unter mehr als 240 Kliniken von Mitte der Woche hervorgeht. Der Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, sagte der dpa: „Die Daten lassen vermuten, dass die deutlich höheren Personalausfälle auf Omikron-Infektionen bei Krankenhausmitarbeitenden zurückzuführen sind.“
Jedes zweite Krankenhaus gab in der Umfrage an, wegen des Personalmangels derzeit seine Betten auf den Allgemeinstationen nicht voll betreiben zu können, fast jedes zweite sagt dies über seine Intensivstationen. Besonders hoch ist der Krankenstand nach Angaben der Krankenhausgesellschaft unter den Pflegekräften.
Bei weiter so rasant steigenden Corona-Infektionszahlen sieht die Ärzteorganisation Marburger Bund die Kliniken bereits in wenigen Tagen an ihrer Belastungsgrenze. „Spätestens Anfang Februar wird es in den Krankenhäusern deutschlandweit sehr eng werden, wenn die Infektionszahlen weiterhin in diesem Tempo steigen“, sagte die Vorsitzende Susanne Johna den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag).
Schulen
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands sprach vor wenigen Tagen im Interview bei „Welt“ von einem „permanenten Ausnahmezustand“ an den meisten Schulen, von „deutlich erhöhten Infektionszahlen“ und gestiegenen Quarantänemaßnahmen bei Lehrkräften und Schülern. Die aktuellsten Zahlen der Kultusministerkonferenz zur Corona-Lage an Schulen in der Woche vom 10. bis 16. Januar, als alle Bundesländer nach den Weihnachtsferien wieder zurück im Schulbetrieb waren, bestätigen das nur zum Teil.
Demnach waren an deutschlandweit gut 28.000 Schulen und Berufsschulen mit etwa 10 Millionen Schülerinnen und Schülern, zu denen Rückmeldungen aus den Bundesländern vorlagen, 77.000 Corona-Fälle bei Schülerinnen und Schülern bekannt, 10.000 weniger als vor Weihnachten, und darüber hinaus 111.000 Quarantäne-Fälle, genauso viele wie vor den Weihnachtsferien. Bei den knapp 900 000 in die Statistik einbezogenen Lehrkräften gab es einen Anstieg: 5900 Corona- und 3700 Quarantäne-Fälle waren bekannt. Vor Weihnachten waren es 5300 und 2700.
Handel
Im deutschen Einzelhandel halten sich die Auswirkungen der Omikron-Welle auf den Krankenstand bisher noch in Grenzen. „Die Unternehmen berichten uns aktuell noch nicht von einem erhöhten Personalausfall durch Corona-Erkrankungen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Stefan Genth, der dpa. Man habe aber Vorbereitungen getroffen, wie Stellvertreter-Regelungen und Rotationsmodelle.
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