London (dpa)
Machtkampf bei den Tories - Warten auf „Partygate“-Bericht
Großbritannien wartet gespannt auf einen internen Bericht: Haben Premier Johnson und seine Mitarbeiter mit Partys Corona-Regeln verletzt? Und wie detailliert darf das öffentlich geschildert werden?
Wegen der „Partygate“-Affäre um den britischen Premierminister Boris Johnson wird ein Machtkampf innerhalb der Konservativen Partei immer deutlicher.
Der Johnson-Kritiker und einflussreiche Abgeordnete Tom Tugendhat warf am Samstag seinen Hut in den Ring, um Johnsons Nachfolger zu werden. Zuvor hatte die Zeitung „Daily Mail“ berichtet, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Parlament habe die Unterstützung mehrerer Tory-Abgeordneter aus der Mitte der Partei. Es wird erwartet, dass sich weitere Kandidaten erklären, sobald der mit Spannung erwartete interne Untersuchungsbericht zu dem Skandal um Lockdown-Partys in der Downing Street publik wird.
Der Report der Spitzenbeamtin Sue Gray wird aber aller Voraussicht nach zunächst nur in einer stark zensierten Version veröffentlicht. Das hängt mit Ermittlungen der Londoner Polizei zusammen. Die Behörde bat in einer Erklärung darum, „in dem Bericht des Cabinet Office nur minimalen Bezug auf die Veranstaltungen zu nehmen, die von der Metropolitan Police untersucht werden“. Damit solle „jegliche Voreingenommenheit“ bei den Ermittlungen verhindert werden.
Offizielle Vorstellung Anfang der Woche?
Die Übergabe des Berichts an Premierminister Johnson steht kurz bevor, wie mehrere Zeitungen am Samstag schrieben. Mit der offiziellen Vorstellung im Londoner Unterhaus wird aber nicht vor Anfang der Woche gerechnet. Justizexperten zeigten sich erstaunt über die Zensurbitte der Polizei. Die interne Ermittlerin Gray schildere nur Fakten und fordere keine personellen Konsequenzen. Die Opposition pocht auf eine vollständige Veröffentlichung.
Für Johnson dürfte die Verzögerung eine willkommene Nachricht sein. Bei der polizeilichen Ermittlung könnte es später lediglich darum gehen, ob Beteiligte Bußgelder zahlen müssen. Damit wäre die Sprengkraft beider Untersuchungen, von denen nicht weniger als Johnsons politisches Überleben abhängt, deutlich abgeschwächt. Auch eine Revolte in seiner Fraktion würde damit unwahrscheinlicher.
Jede Kenntnis abgestritten
Johnson hatte bislang so gut wie alle Fragen zu den Partys unter Verweis auf die laufenden Untersuchungen abgeschmettert und jegliche Kenntnis von Lockdown-Verstößen abgestritten. Nach einem Bericht der Zeitung „Daily Telegraph“ vom Samstag könnte der Druck auf den Premier aber weiter steigern. Demnach hat seine Ehefrau Carrie Johnson im Juni 2020 in Nachrichten mit einem Beamten auf ein Geburtstagsständchen sowie einen Kuchen für den Premier gedrungen. Private Zusammenkünfte waren damals wegen strenger Corona-Regeln verboten. Landesweit sagten Menschen ihre Partys deshalb ab.
Regierungsmitarbeiter und auch Johnson sollen aber während der Pandemie mit Feiern die eigenen Regeln missachtet haben. Sollte sich das bestätigen, gilt ein Misstrauensvotum gegen Johnson, für das sich mindestens 54 Tory-Abgeordnete schriftlich gegen ihn positionieren müssten, als wahrscheinlich. Als Favoriten auf eine Nachfolge gelten bisher Außenministerin Liz Truss und Finanzminister Rishi Sunak. Beide streiten bisher öffentlich alle Ambitionen ab.
Der Johnson-Kritiker Tugendhat sagte dem Sender Times Radio, das Amt des Premierministers bedeute ein „gewaltiges Privileg“. „Es muss einem nicht peinlich sein, wenn man seinem Land dienen will“, sagte Tugendhat. Der Außenexperte hat als Soldat in Afghanistan gedient und den überstürzten Abzug britischer Truppen aus dem Land wiederholt scharf kritisiert.
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