Berlin (dpa)
SPD-Spitze sieht Ukraine-Kurs bestätigt
Wo geht es lang bei der SPD in der Ukraine-Krise? Parteiführung und Kanzler haben eine Position vorgegeben. Doch nicht alle ziehen mit. An deren Adresse richtet Parteichef Klingbeil ein Machtwort.
Nach einem Spitzentreffen der SPD zur Ukraine-Krise sieht sich die Parteiführung in ihrer Doppelstrategie gegenüber Russland bestärkt: Androhung harter Sanktionen für den Fall eines russischen Einmarsches in die Ukraine und gleichzeitig Gespräche über eine Entspannung der brenzligen Lage.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), die vor allem wegen ihres Engagements für die Gaspipeline Nord Stream 2 zu den Russland-nahen Parteivertretern zählt, stellte sich am Dienstag demonstrativ hinter Kanzler Olaf Scholz. „Ich unterstütze den Kurs von Bundeskanzler Scholz, der alles dafür tut, dass der Konflikt auf diplomatischem Weg gelöst wird“, sagte sie in Schwerin. „Dazu muss Russland seinen Beitrag leisten. Es ist jetzt das Allerwichtigste, dass wir Frieden haben und dass nicht Krieg in Europa entsteht.“
Zuvor war Parteichef Lars Klingbeil abweichenden Positionen wie der von Altkanzler Gerhard Schröder mit einem Machtwort begegnet. Die Entscheidung über die SPD-Position werde von ihm selbst, seiner Co-Vorsitzenden Saskia Esken und Kanzler Scholz getroffen, sagte er am Montagabend in den ARD-„Tagesthemen“. „Das, was wir sagen, gilt für die gesamte SPD.“
Scholz hat lange gezögert
Die von der SPD geführte Bundesregierung war in den vergangenen Tagen wegen ihres Agierens in der Ukraine-Krise international immer stärker in die Kritik geraten. Deutschland wird vorgeworfen, Russland in der Krise nicht stark genug unter Druck zu setzen.
Scholz (SPD) hatte lange gezögert, bevor er sich klar positionierte. Dann erteilte er gleichzeitig mit der Sanktionsdrohung an Russland der Lieferung tödlicher Waffen an die Ukraine eine klare Absage - anders als einige Bündnispartner. Das wird von der Ukraine, aber auch von Ländern wie Polen oder den baltischen Staaten kritisiert. In den USA wird ebenfalls die Frage gestellt, ob Deutschland noch ein verlässlicher Partner ist.
Klingbeil: „ Sagen ganz klar, von wem die Eskalation ausgeht“
Klingbeil hatte für Montag 20 führende SPD-Politiker aus Bund und Ländern zu Beratungen über den Ukraine-Kurs der Partei eingeladen. Anschließend sagte er in den ARD-„Tagesthemen“: „Wir sagen ganz klar, von wem die Eskalation ausgeht. Wir sagen deutlich: Alle Optionen liegen auf dem Tisch. Und jetzt geht es darum, Diplomatie und Frieden zu organisieren.“ Das sei der gemeinsame Weg der SPD, „und der wird von allen getragen, die Verantwortung in der Sozialdemokratie übernommen haben und übernehmen“.
Zwei ehemalige Parteivorsitzende, die keine Verantwortung mehr in der Partei tragen, hatten die Parteilinie in der vergangenen Woche durchkreuzt: Altkanzler Gerhard Schröder und Ex-Außenminister Sigmar Gabriel. Schröder hatte der Ukraine wegen ihrer Forderungen nach Waffenlieferungen „Säbelrasseln“ vorgeworfen. Gabriel hatte eine Debatte „ohne Tabus“ über deutsche Waffenlieferungen gefordert.
Kühnert sieht keine Einflussmöglichkeit auf Schröder
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert machte im „RTL/ntv Frühstart“ deutlich, dass er keine Einflussmöglichkeit der Parteiführung auf Schröder sieht. „Gerhard Schröder ist ein erwachsener Mann, selbst wenn wir den Versuch unternehmen würden, ihm ausreden zu wollen was er tut, wäre das vermutlich nicht erfolgreich.“ Die Zurückhaltung des Kanzlers in der Ukraine-Debatte verteidigte Kühnert: „Es wäre keine gute Führung, wenn der Bundeskanzler durch die Medien wandert, um Schlagzeilen zu machen.“
Das SPD-Präsidium hatte sich bereits vor einer Woche auf einer Klausurtagung hinter die Linie von Kanzler Scholz gestellt. Beim Thema Waffenlieferungen steht der Regierung in nächster Zeit noch eine schwierige Entscheidung bevor. Estland will neun Artilleriegeschütze aus früheren DDR-Beständen in die Ukraine liefern und hat die Bundesregierung um Zustimmung gebeten. Klingbeil hat bereits signalisiert, dass er gegen eine Genehmigung ist. „Ich halte nichts von Waffenlieferungen in Krisengebiete, egal aus welchem Land sie kommen“, sagte er bereits am Sonntag im ZDF auf eine Frage nach den Haubitzen.
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