Hannover (dpa)
Tui sieht Comeback und will Hilfen zurückzahlen
2020 und 2021 waren hart - und haben neben Milliardenverlusten hohen Spardruck sowie Jobabbau für die Tui-Belegschaft gebracht. Der Reisekonzern peilt im Sommer nun ein Geschäft wie vor Corona an.
Glaubt man Fritz Joussen, ist in der coronageplagten Touristik nach zwei Horrorjahren Land in Sicht. Kann im kommenden Sommer eine Art neue Normalität einkehren?
Was das eigene Geschäft angeht, schätzt der weltgrößte Reiseanbieter Tui: Ja - wenn denn in Sachen Omikron und Kundenvertrauen alles so weiterläuft wie zuletzt.
Insgesamt buchen Europas Verbraucher für die Hauptsaison 2022 schon viel, obgleich auch die Zahlen der Deutschen noch nicht ganz an den Vor-Pandemie-Stand heranreichen. Das solle aber in den bevorstehenden Monaten klappen, betonte Joussen am Dienstag. Und zum Online-Auftritt vor den Aktionären versprach er: Eine erste Portion Staatshilfen über 700 Millionen Euro aus der Krise werde im April zurückfließen.
„Die Nachfrage ist über alle Märkte hoch“, sagte der Tui-Chef zur Vorlage der Zwischenergebnisse für das erste Winterquartal. Die Vorzeichen waren in den Monaten Oktober bis Dezember relativ solide: Der Konzern machte 2,4 Milliarden Euro Umsatz - etwa fünf Mal so viel wie im ersten Corona-Winter ein Jahr zuvor. Der saisontypische Verlust halbierte sich unterm Strich auf rund 384 Millionen Euro.
Frische Zahlen
Entscheidend ist vor allem, wie viele Menschen mit den Hannoveranern in diesem Jahr Urlaub machen, speziell in den warmen Monaten. Während sich manch frühere Äußerung noch eher nach Zweckoptimismus anhörte, untermauerte Joussen seine Zuversicht jetzt mit frischen Zahlen: Bis Ende Januar stehe Tui immerhin bei 72 Prozent der Sommerbuchungen, die es zu diesem Zeitpunkt 2019 gab. Der Trend zeige nach oben - laut Konzernkreisen gab es auch einen Rekord-Tagesumsatz im Internet.
In zahlreichen Ländern erwarte man einen Abbau von Kontakt- und Reisebeschränkungen, ergänzte Joussen. Für die Bundesrepublik rechne er mit weitreichenden Erleichterungen vielleicht schon bis Ostern. Die Pandemie verliere so langsam ihren Schrecken: „Wir haben gute Impf-Levels, und es kommen die ersten Covid-Medikamente. Überall in Europa öffnen sich Grenzen, werden Restriktionen zurückgeführt.“
Bei den Kunden ist die Ausgabebereitschaft aus Sicht von Tui hoch. Im Schnitt gäben die Leute bisher über ein Fünftel mehr für ihre Sommerreisen aus als 2019. Viele Menschen wollten sich etwas gönnen, dies schlage sich etwa in höherwertigen Hotels nieder. Betrachte man nur die Tui-Pauschalsparte, schaffe das Reiseweltmeister-Land Deutschland bereits den einstigen Buchungsstand. „Wir holen auf.“
Für allzu frühe Euphorie besteht indes kein Anlass. Schon einmal, 2020, war Tui mit einem kräftigen Buchungsplus ins Jahr gestartet. Was dann mit der ersten Corona-Welle folgte, warf alle Pläne über den Haufen und Tui in eine Existenzkrise, in der der deutsche Staat mit Milliardenhilfen zur Rettung eilen musste.
„Beinfreiheit“
4,3 Milliarden Euro steuerte der Bund zur Stützung der Tui bei, davon 3 Milliarden an Darlehen. Die Eigentümer schossen Kapitalerhöhungen nach, so im Herbst 1,1 Milliarden und nun nochmals 1,7 Milliarden Euro, wie die Hauptversammlung am Dienstag entschied. Ein wichtiges Ziel dabei laut der Tui-Führung: „Beinfreiheit“, um die Rückzahlung weiterer Staatshilfen anzugehen. Das zuletzt hinzugekommene Kapital darf das Management entsprechend nutzen, um eine stille Beteiligung des Bundes abzulösen. Gleichzeitig dürfen weitere Anleihen ausgegeben werden, die sich bei Bedarf noch in Tui-Aktien umwandeln lassen.
Die Unterstützung durch den Steuerzahler war umstritten - Kritiker meinten, der Vorstand habe in den Jahren vor der Pandemie seine Hausaufgaben besser erledigen müssen. Joussen hatte schon zuvor ein Sparprogramm entworfen, das in der akuten Krise dann erweitert wurde. Bis zum Herbst will er es „zu 90 Prozent“ abgeschlossen haben, 2023 sollen die jährlichen Kosten um 400 Millionen Euro gesunken sein.
Den Maßnahmen fielen weltweit Jobs zum Opfer. „7000 von 8000 sind realisiert“, sagte Joussen zu den Streichungen. Unter anderem mit Piloten, Kabinenpersonal und Reisebüro-Teams gab es Krach, bei der Airline Tuifly neben Abfindungen auch Kündigungen. „Wir haben versucht, es zu vermeiden“, so der Chef. „Aber das ging eben nicht immer.“ Zudem mussten viele Saisonarbeitskräfte in den Urlaubsländern gehen. Joussen sagte, auch auf der Führungsebene werde gekürzt.
Neue Hotels entstehen
Parallel muss weiter investiert werden. Neue Hotels entstehen - Tui will sie künftig aber nur betreiben statt besitzen, Fondsanleger übernehmen die Finanzierung. Insgesamt fuhr die Hotelsparte schon im Winter einen Gewinn ein, die Auslastung lag „fast auf Normalniveau“.
In der Kreuzfahrtsparte dagegen werde man „zurückkommen zum Sommer dieses Jahres“, hieß es. Im ersten Geschäftsquartal sank hier der bereinigte Verlust (32 Millionen Euro) auf gut ein Drittel seines Vorjahreswerts. 14 von 16 Schiffen sind derzeit wieder im Einsatz. So wichtig die Ozeanriesen für Tui sind: Ihre bisher dürftige Ökobilanz und die regelmäßige Überfüllung von Hafenstädten sollen aus Sicht von Umweltschützern nach Corona keinesfalls Bestand haben.
Auf eine Frage des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre sicherte Joussen zu: „Ein klimaneutraler Kreuzfahrtbetrieb ist das langfristige Ziel.“ Schweröl als Treibstoff werde nur noch bei Modellen eingesetzt, wenn spezielle Abgastechnik eingebaut ist. „Und es ist wichtig, dass wir uns um Flüssiggas und Landstrom kümmern.“ Bei CO2-intensiven Flugtrips machten sich derweil viele Kunden klar: „Es muss nicht immer eine Reise ans Ende der Welt sein.“
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