Berlin (dpa)
Streit über weiter nötige Corona-Absicherungen im Frühling
In den nächsten vier Wochen sollen die Corona-Alltagsauflagen nach und nach wegfallen. Und was gilt dann? Die Länder wollen eine Palette möglicher Krisenmaßnahmen behalten - doch dagegen gibt es Einspruch.
Nach den Bund-Länder-Beschlüssen zu einem weitgehenden Ende der Corona-Beschränkungen bis zum Frühlingsbeginn entbrennt Streit über länger nötige Absicherungen.
Die mitregierende FDP stellt sich gegen Forderungen der Länder und aus der Ampel-Koalition zu breiter angelegten Eingriffsmöglichkeiten für die Zeit ab dem 20. März. Die Grünen dringen dagegen auf einen weiter gefassten Maßnahmenkatalog für eine mögliche Verschlechterung der Corona-Lage, der über reine Maskenpflichten hinausgehen sollte. Die bundesweite Rechtsbasis für solche Maßnahmen läuft am 19. März aus.
FDP-Vize Johannes Vogel sagte am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur: „Die tiefgreifenden Einschränkungen müssen mit dem beginnenden Frühling enden wie in unseren europäischen Nachbarländern auch.“ Dabei sei die FDP-Fraktion natürlich bereit, in der Koalition über Wünsche der Länder zu Änderungen des Infektionsschutzgesetzes zu sprechen. „Aber wir machen uns deren Wunschkatalog ausdrücklich nicht zu eigen“, betonte Vogel, der auch FDP-Fraktionsgeschäftsführer ist.
FDP-Vize Wolfgang Kubicki sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, die geforderten Instrumente seien „eine Verstetigung des bisherigen angstgetrieben Maßnahmenregimes“. Er könne Basismaßnahmen zum Schutz vulnerabler Gruppen in entsprechenden Einrichtungen akzeptieren. Für weitergehende finde er keine Rechtfertigung mehr. FDP-Fraktionschef Christian Dürr nannte eine Verlängerung der Maskenpflicht denkbar.
Was wird mit Regeln zu Abstand und Masken?
Bund und Länder hatten am Mittwoch vereinbart, über den 19. März hinaus „Basisschutzmaßnahmen“ zu ermöglichen. Die Länder zählen dazu unter anderem Maskenpflichten in Innenräumen, Bussen und Bahnen, Testvorgaben sowie Pflichten zum Nachweis von Impf-, Genesenen- und Teststatus. Solche Möglichkeiten seien auch für Schulen und Kitas nötig. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte zugesichert, er werde sich dafür verwenden, dass Regelungen zu Masken, Abstand und anderen Schutzmaßnahmen im Gesetzgebungsprozess aufgegriffen werden.
Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sagte der dpa: „Die aktuelle Lage erlaubt Lockerungen, aber keinen Leichtsinn. Eine Trendumkehr ist jederzeit möglich.“ Die Länder bräuchten daher für den Frühling einen flexiblen Maßnahmenkatalog - und für regionale Corona-Ausbrüche ein breites Instrumentarium. „Die Maskenpflicht allein reicht dafür nicht aus.“ Auch Zugangsbeschränkungen müssten dann schnell reaktiviert werden können. Insgesamt sei es richtig, mit einem Stufenplan für Planbarkeit und Perspektive zu sorgen. Parameter wie die Hospitalisierungsrate oder die Anzahl der betreibbaren Betten blieben für die Umsetzung der Öffnungsschritte entscheidend.
Gibt es eine hohe Dunkelziffer?
Die Sieben-Tage-Inzidenz ging laut Robert Koch-Institut (RKI) erneut auf nun 1385,1 zurück - nach 1401,0 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen am Vortag. Die Gesundheitsämter meldeten 235.626 neue Fälle an einem Tag. Experten gehen derzeit aber von einer hohen Zahl von Fällen aus, die nicht amtlich erfasst sind.
Städtetag-Präsident Markus Lewe (CDU) sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, es müsse jetzt schnell geklärt werden, dass „der gesamte Instrumentenkasten“ auch nach dem 19. März zu Verfügung stehe. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, forderte, verletzliche Bevölkerungsgruppen müssten weiter geschützt werden. „Für staatliche Maßnahmen braucht es deshalb weiterhin eine wirksame gesetzliche Ermächtigung anstelle eines liberalen Aktionismus“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) sagt der dpa: „Lockerungen in den Schulen müssen kommen. Aber wir sollten behutsam sein, um den Präsenzunterricht nicht durch steigende Infektionszahlen zu gefährden.“ Bei deutlich sinkenden Corona-Zahlen sollte „regional differenziert und unter Berücksichtigung der Impfquote von Kindern und Jugendlichen“ gelockert werden. „Dabei geht es zum Beispiel um ein reduziertes Testen und das Abnehmen der Maske am Platz. Wir müssen den Kindern den Weg zurück in die Normalität ebnen.“
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