Berlin (dpa)

Hohe Energiepreise setzen Ampelkoalition unter Druck

| 21.02.2022 11:17 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
BDI-Präsident Siegfried Russwurm warnt wegen drastisch steigender Kosten für Strom und Gas vor einer Abwanderung mittelständischer Unternehmen. Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa
BDI-Präsident Siegfried Russwurm warnt wegen drastisch steigender Kosten für Strom und Gas vor einer Abwanderung mittelständischer Unternehmen. Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa
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Die gestiegenen Ausgaben für Strom und Gas machen vielen Haushalten zu schaffen. Aber auch die Wirtschaft sieht die Entwicklung mit Sorge. Mehrere Verbände richten jetzt konkrete Wünsche an den Bund.

Wegen des steilen Anstiegs der Energiepreise mehren sich die Rufe nach einem schnellen Gegensteuern der Bundesregierung. Während die Verbraucherzentralen größere Entlastungen für Privathaushalte fordern, warnen Wirtschaftsvertreter vor einer Verlagerung der Produktion ins Ausland.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) erklärte, die Pläne der Ampelkoalition für Privatleute gingen nicht weit genug. Einige Maßnahmen seien „bei weitem nicht ausreichend oder noch völlig unklar in ihrer Umsetzung“, sagte Thomas Engelke, Teamleiter für Energie und Bauen im vzbv, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

So müsse das geplante Klimageld - eine Kompensation für den CO2-Preis - pro Kopf gezahlt werden, und die Abschaffung der EEG-Umlage zur Senkung des Strompreises müsse in voller Höhe bei den privaten Haushalten ankommen, forderte Engelke. Außerdem müsse der Heizkostenzuschuss für Wohngeld-Empfänger, Studierende mit Bafög und Auszubildende mit Ausbildungsgeld mit im Schnitt mindestens 500 Euro pro Haushalt deutlich höher liegen als bisher geplant.

Lindner: Auch Mitte der Gesellschaft belastet

Finanzminister Christian Lindner will sich dafür einsetzen, dass auch die breite Mitte der Gesellschaft entlastet wird. Im TV-Sender „Welt“ sagte der FDP-Chef: „Für mich ist wichtig, dass wir uns dabei nicht nur konzentrieren auf Menschen, die bedürftig sind, wie Wohngeldempfänger, sondern dass wir erkennen, dass auch in der breiten Mitte der Gesellschaft, bei Menschen, die vielleicht sogar über ein vorzeigbares Einkommen verfügen, dass auch dort die Inflation stark zuschlägt.“ Nötig seien auch Instrumente, die Pendler, Beschäftigte und Soloselbstständige erreichen.

SPD-Chef Lars Klingbeil sagte mit Blick auf den Koalitionsausschuss am Mittwoch, die SPD gehe mit dem Ziel in die Gespräche, „dass wir ein großes Entlastungspaket auf den Weg bringen“.

Im Koalitionsausschuss rede man über eine Reihe von Sofortmaßnahmen, sagte Lindner. „EEG-Umlage, Heizkostenzuschuss und andere Maßnahmen dieser Art – durchaus ist die Pendlerpauschale auch ein Instrument über das wir sprechen.“ Ein Paket zur Sofortentlastung werde es noch diese Woche geben. Allerdings sei auch klar, dass der Staat die Energiepreise nicht dauerhaft subventionieren könne. Langfristig müsse man versuchen, die Preissteigerungen über Steuersenkungen abzufedern, sagte Lindner. Die Steuersätze und Freibeträge könnte man im kommenden Jahr entsprechend anpassen, stellte Lindner in Aussicht.

Beschlossen wurde bisher vom Kabinett nur der Heizkostenzuschuss. Außerdem sind sich SPD, Grüne und FDP einig, dass die EEG-Umlage früher als geplant abgeschafft werden soll - möglichst zur Jahresmitte. Zu möglichen weiteren Maßnahmen zählen eine Erhöhung der Pendlerpauschale, ein Kindersofortzuschlag und eine Klimaprämie.

Eine Erhöhung der Pendlerpauschale lehnen die Verbraucherzentralen ab. Dies „wäre der falsche Weg“, weil davon vor allem Haushalte mit hohem Einkommen profitieren würden, sagte Marion Jungbluth, Teamleiterin Mobilität und Reisen des vzbv. Sie forderte stattdessen ein einkommensunabhängiges Mobilitätsgeld.

Industrie warnt vor Abwanderung

Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, warnte vor den Folgen der gestiegenen Energiepreise für die Produktion in Deutschland. „Die Lage ist so ernst, dass selbst standorttreue mittelständische Unternehmen aus diversen Branchen über eine Verlagerung ins Ausland nachdenken müssen“, sagte Russwurm in Berlin.

Einer BDI-Umfrage. zufolge, an der 418 mittelständische Unternehmen verschiedener Größen, Regionen und industrieller Branchen teilnahmen, sehen 65 Prozent in den gestiegenen Energiepreisen eine starke und 23 Prozent sogar eine existenzielle Herausforderung. 84 Prozent der Firmen sind demnach der Ansicht, dass die Bundesregierung die weitere Erhöhung der CO2-Preise überdenken und mit flankierenden Maßnahmen zur Entlastung von Unternehmen ergänzen sollte.

Russwurm wies darauf hin, dass die Energiekostensteigerungen so hoch seien wie seit der Ölkrise der 1970er Jahre nicht mehr. „Rasches politisches Handeln ist gefordert.“

Metallverarbeiter: Kompensation nötig

Der Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung mahnte, die Abschaffung der EEG-Umlage reiche dabei zum Gegensteuern nicht aus. Die Bundesregierung müsse den Mittelstand entlasten, „sonst steht Deutschland bald ohne mittelständische Industriebetriebe da“, sagte Hauptgeschäftsführer Christian Vietmeyer. Für Unternehmen, die im europäischen und internationalen Wettbewerb stehen und auf fossile Energien angewiesen seien, müsse es Kompensationen geben.

Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, sagte, eine vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage wäre ein wichtiger Schritt für Unternehmen und Verbraucher und „auch ein Signal pro Elektromobilität“, da der Ladestrom günstiger werde. „Im nächsten Schritt muss auch die Stromsteuer runter, um die Energiekosten weiter zu senken“, sagte Müller.

© dpa-infocom, dpa:220221-99-224315/6

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