Berlin (dpa)
Koalition beschließt milliardenschweres Entlastungspaket
Seit Monaten ächzen Verbraucher unter steigenden Preisen beim Tanken und Heizen. Die Sanktionen gegen Russland könnten die Lage noch verschärfen. Die Regierung schnürt ein Entlastungspaket - reicht es?
Die Ampel-Koalition reagiert auf die explodierenden Energiepreise und hat ein milliardenschweres Entlastungspaket für die Bürgerinnen und Bürger beschlossen. Es enthält Entlastungen auf der Stromrechnung genau wie Steuererleichterungen und Einmalzahlungen für besonders Bedürftige.
„Wir lassen die Menschen nicht allein in der gegenwärtigen Situation“, sagte FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner am Mittwoch nach Beratungen des Koalitionsausschusses. Offen ist, ob die Maßnahmen ausreichen, um den Preisanstieg an der Tankstelle und die erwarteten Nachzahlungen bei den Abrechnung für Strom und Heizen auszugleichen.
Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang sprach von einem starken Paket, „mit dem wir für die ganze Gesellschaft ein Angebot haben, und ich glaube gerade in schwierigen Zeiten eine Form von Sicherheitsanker bieten für die Menschen in diesem Land.“ Es sei wichtig, dass das Leben in seinen Grundbedürfnissen auch bezahlbar bleibe, betonte SPD-Chefin Saskia Esken. Einigen Bausteinen des Pakets müssen die Länder noch zustimmen, Lindner und Esken zeigten sich hier allerdings zuversichtlich.
Energiepreise drastisch gestiegen
Die Entlastungen kommen, weil die Preise für Heizöl, Gas, Sprit und Strom in den vergangenen Monaten drastisch gestiegen sind. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts mussten Verbraucher im Januar 20,5 Prozent mehr für Energie zahlen als ein Jahr zuvor. Besonders kräftig zogen im Jahresvergleich die Preise für Heizöl (plus 51,9 Prozent) und Erdgas (plus 32,2 Prozent) an.
Doch jetzt könnte es noch schlimmer kommen. Nach der russischen Eskalation der Ukraine-Krise erwarten Experten, dass vor allem der Gaspreis noch einmal kräftig steigt - denn Russland ist Deutschlands wichtigster Gaslieferant.
Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte das Entlastungspaket auch in diesen Zusammenhang gestellt: „Wir können ja kaum in den Weltmarktpreis eingreifen, bei Gas oder bei Öl“, sagte der Grünen-Politiker im Deutschlandfunk.
Mittelfristig will die Bundesregierung dafür sorgen, dass Deutschland durch einen schnelleren Ausbau des Ökostroms aus Wind und Sonne weniger abhängig von fossilen Energieträgern wie russischem Gas wird.
Bis dahin sollen folgende Maßnahmen den Preisanstieg für die Bürger abfedern:
Frühere Abschaffung der EEG-Umlage
Es ist der zentrale Baustein des Pakets: Schon ab Juli sollen die Bürger die EEG-Umlage zur Förderung von Ökostrom nicht mehr über die Stromrechnung zahlen. Ursprünglich war dieser Schritt erst für Anfang 2023 geplant. Die Koalition erwartet ausdrücklich, dass die Energieversorger die Entlastung auch in vollem Umfang an die Verbraucher weitergeben - sicher ist das jedoch nicht.
Bisher beträgt die Umlage über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 3,72 Cent pro Kilowattstunde. Nach Berechnungen des Preisportals Verivox sorgt eine Abschaffung zur Jahresmitte dafür, dass ein Drei-Personen-Haushalt mit Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden in diesem Jahr rund 89 Euro spart. Bei Haushalten mit einem Jahresverbrauch von 6000 Kilowattstunden geht es demnach um rund 133 Euro. Ob das den allgemeinen Preisanstieg ausgleichen kann, ist allerdings offen. Den Bund kostet die vorzeitige Abschaffung laut Lindner rund 6,6 Milliarden Euro. Die EEG-Umlage soll künftig über den Bundeshaushalt finanziert werden.
Höhere Pendlerpauschale für Fernpendler
Angesichts der gestiegenen Spritpreise soll die am 1. Januar 2024 anstehende Erhöhung der Pauschale für Fernpendler - ab dem 21. Kilometer - vorgezogen werden. Sie soll rückwirkend zum 1. Januar 38 Cent betragen. Der Bundesrat muss allerdings zustimmen.
Wer weniger weit pendeln müsse, werde über eine höhere Werbungskostenpauschale ebenfalls entlastet, betonten die Koalitionsspitzen. Die Pendlerpauschale ist in der Steuererklärung Teil der Werbungskosten.
Derzeit beträgt die Pauschale bis zum 20. Kilometer 30 Cent, ab dem 21. Kilometer 35 Cent. Eine höhere Pendlerpauschale war vor allem bei den Grünen umstritten. Die Koalition verabredete nun, noch in dieser Legislaturperiode eine Neuordnung der Pendlerpauschale zu schaffen, die ökologisch-soziale Belange besser berücksichtigen soll.
Sofortzuschlag für Familien mit Kindern und kleinen Einkommen
Hier drückt die Koalition bei einer bereits vereinbarten Leistung aufs Gas: Der Sofortzuschlag für von Armut betroffene Kinder soll zum 1. Juli 2022 auf den Weg gebracht werden. Er soll in Höhe von 20 Euro pro Monat bis zur Einführung der Kindergrundsicherung denjenigen Kindern helfen, die besondere finanzielle Unterstützung brauchen. Der Kinderzuschlag beträgt seit dem 1. Januar 2022 bis zu 209 Euro monatlich je Kind und deckt zusammen mit dem Kindergeld den Bedarf eines Kindes.
Einmalzuschlag für Leistungsempfänger
Bezieher von Arbeitslosengeld II, Grundsicherung und Sozialhilfe sollen einen einmaligen Zuschuss von 100 Euro bekommen. Davon profitieren Millionen Menschen. Im Papier ist die Rede von einem „Coronazuschuss“.
Höhere Freibeträge in der Steuererklärung
Davon profitieren alle Arbeitnehmer, die eine Steuererklärung einreichen: Die Werbekostenpauschale - offiziell Arbeitnehmerpauschbetrag - wird rückwirkend zum Jahresbeginn um 200 Euro auf 1200 Euro erhöht. Außerdem steigt der Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer von derzeit 9984 Euro auf 10 347 Euro. Beide Maßnahmen zusammen kosteten den Staat rund vier Milliarden Euro, sagte Lindner.
Auf dem Weg: Heizkostenzuschuss für Geringverdiener
Das Kabinett hat ihn bereits beschlossen - jetzt wird der einmalige Heizkostenzuschuss für finanzschwache Haushalte im Bundestag debattiert. Der Plan der Bundesregierung sieht vor, Mehrbelastungen für Haushalte, die Wohngeld bekommen, für Auszubildende und Studierende mit geringen Einkommen durch eine Einmalzahlung abzufedern. Ein Single-Haushalt soll im Sommer einen Zuschuss von 135 Euro bekommen, Familien entsprechend mehr. An den Summen gab es allerdings einige Kritik: Das Geld reiche lange nicht bei allen aus, um die im Sommer erwartete Nachzahlung zu stemmen, meinen Verbraucherschützer.
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