Kiel (dpa)
Zahnarzt wegen Dreifachmordes vor Gericht
Wurde ein Zahnarzt aus Westensee aus Rache zum Dreifachmörder? Auf seine Frau soll er 48 Schüsse mit einer Maschinenpistole abgegeben haben.
Es gibt nicht mal Zeit für Hilfeschreie. Heimlich verfolgt der Mann seine Frau laut Anklage zu ihrem neuen Bekannten und tötet sie am 19. Mai 2021 im Eingangsbereich von dessen Doppelhaushälfte.
Ohne etwas zu sagen eröffnet der Zahnarzt aus Westensee den Ermittlungen zufolge in Dänischenhagen das Feuer, als sich seine Opfer begrüßen. Zwei Magazine schießt der Täter leer, er lädt dafür nach. Zweimal 25 Schuss in Salven. 48 Schusswunden stellt die Gerichtsmedizin später alleine bei der Frau fest.
Ihr 53 Jahre alter Bekannter stirbt laut Anklage durch Schüsse in Herz, Lunge, Leber und Niere, bevor der Angeklagte nach Kiel flüchtet. Dort erschießt er demnach einen weiteren Mann. Auch dieser Tod wirkt wie eine Hinrichtung: Das Opfer treffen insgesamt fünf Schüsse ins Gesicht und den Kopf, wie Oberstaatsanwalt Achim Hackethal vor dem Kieler Landgericht vorträgt. Dort muss sich der 48-Jährige seit Mittwoch wegen dreifachen heimtückischen Mordes aus niedrigen Beweggründen verantworten.
Neun Monate nach den Taten nimmt der Zahnarzt auf der Anklagebank Platz, in olivgrüner Jacke, den Kragen hochgeschlagen, der Blick fixiert die Anwesenden. Der Anklageverlesung folgt er aufmerksam. Er ist Jäger, musste seine Waffen aber nach gewalttätigen Übergriffen auf seine Frau abgeben. Die Waffen, mit denen er schoss, besaß er laut Anklage illegal. Woher sie stammen, prüft die Staatsanwaltschaft noch.
Den Vorwürfen nach wollte der Angeklagte seine Frau wegen der Trennung bestrafen. Den neuen Mann an ihrer Seite habe er wegen der Beziehung zu ihr ebenfalls zur Rechenschaft ziehen wollen. Das dritte Opfer, einen gemeinsamen Bekannten des Ehepaares, soll er erschossen haben, weil der 52 Jahre alte Elektriker seiner Frau nach Auffassung des Angeklagten seine Seitensprünge verraten habe und damit für das Scheitern der Ehe verantwortlich sei, sagte Hackethal.
Laut Anklage folgte der Angeklagte seiner getrennt von ihm lebenden Frau am 19. Mai unbemerkt in einem Leihwagen. An ihrem Auto habe er schon Tage zuvor einen GPS-Sender angebracht und die Tat geplant, sagte Hackethal. Nachbarn nahmen die Schüsse in Dänischenhagen als „Rattergeräusche“ wahr, „als wenn man Kieselsteine in ein Behältnis füllt“, wie sie aussagen.
Sie beschreiben der Polizei das Fluchtfahrzeug, ein Großalarm folgt, der zeitweise auch das Kieler Brauereiviertel lahmlegt. Eine 49 Jahre alte Nachbarin sagte aus, der Mann sei mit einer großen Waffe in der Hand zu dem Auto gerannt und „wie eine besengte Sau“ weggefahren.
Noch am Abend des 19. Mai stellte sich der Zahnarzt in Hamburg der Polizei und räumte die Verbrechen ein. Seither schweigt er zu den Vorwürfen. Polizisten berichteten am Mittwoch, dass er bei der Festnahme zuvorkommend und „ganz normal, freundlich“ wirkte. Er habe eine halbautomatische Pistole mit langem Schalldämpfer in die Klappe der Eingangsschleuse gelegt und auf Fragen mit vor sich verschränkten Armen symbolisiert, dass er festgenommen werden wolle, sagte ein Polizeiangestellter. Mit dieser Waffe soll er den Elektriker erschossen haben. Die Maschinenpistole habe er zuvor bei einem Bekannten im Garten abgelegt, der sie zerlegte und entsorgte.
Zu Prozessbeginn äußerte sich der Angeklagte nur kurz. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters Jörg Brommann, ob er verwitwet sei, antwortete er: „Leider.“ Sein Verteidiger kündigte eine mögliche Aussage seines Mandanten für den 10. März an. Eine weitere Verteidigerin warf Medien eine gnadenlose Vorverurteilung und „üble Zuschreibungen“ wie „Killer-Zahnarzt“ vor. Ihr Mandant sei bereits als vollumfänglich schuldig dargestellt worden.
Eine zeitweise eng mit dem Paar bekannte Polizistin sprach vor Gericht von großen Eheproblemen, zahlreichen Seitensprüngen des Mannes, auch in Justizvollzugsanstalten, in denen er als Zahnarzt beschäftigt war, und von der Eifersucht der Frau. Schließlich habe die 43-Jährige ihn im Sommer 2020 verlassen. Die Frau habe befürchtet, dass ihr Mann sie erschießen könnte.
Die Polizistin brach den Kontakt zu dem Angeklagten nach eigenen Angaben wegen dessen Gewalttätigkeiten ab. Der Mann habe für sie zwei Gesichter gehabt, sagte die 44-Jährige. Anfangs habe er sich um die Familie bemüht, mit dem Aufbau der eigenen Praxis sei er unzuverlässig und abgelenkt gewesen. Auf die Frage eines Nebenklage-Vertreters, ob sie Angst vor dem Angeklagten habe, sagte sie: „Jetzt? Ja.“
Ein Landwirt berichtete von einer angeblichen Handelslizenz des Angeklagten für Waffen. Kurz vor den Taten habe ihn der Angeklagte angerufen und gesagt: „Du glaubst es nicht, meine Frau betrügt mich.“ Er habe nur geantwortet: „"Das hätte ich auch." Er war ein Arschloch für mich“ - wegen der Gewalt gegen seine Frau.
Gegen den Zahnarzt hatte wegen gewalttätiger Übergriffe auf seine Frau bereits eine Schutzanordnung bestanden. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm auch vor, seine Ex-Frau Ende 2020 in deren Wohnung brutal misshandelt zu haben. Mit den Worten „Jetzt mache ich Dich fertig“ sei er damals auf sie losgegangen, habe ihr ins Gesicht geschlagen und dann mehrfach gegen Kopf und Gesicht des nun am Boden liegenden Opfers getreten, sagte Hackethal.
Das Gericht hat auch einen psychiatrischen Gutachter zur Frage der Schuldfähigkeit bestellt. In einem vorläufigen Gutachten soll er von der vollen Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgehen. Zu den Nebenklägern gehört die Mutter der getöteten Ehefrau. Zwei Kinder des in Dänischenhagen Erschossenen verfolgten den Prozess vor Ort. Die Frau hinterlässt vier gemeinsame minderjährige Kinder. Das Urteil wird am 30. März erwartet.
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