Berlin (dpa)
Nachbesserung am Energie-Entlastungspaket gefordert
Mit einem Milliardenpaket will die Bundesregierung den Bürgern helfen, die hohen Energiepreise zu stemmen. Doch bis man das alles im Geldbeutel spürt, wird es dauern. Viele Maßnahmen träfen außerdem die Falschen, wird kritisiert.
Das Entlastungspaket der Koalition zum Ausgleich für die hohen Energiepreise reicht nach Ansicht von Verbraucherschützern, Verbänden und Opposition noch lange nicht aus.
Sie forderten deutliche Nachbesserungen und weitere Hilfen. Die Entlastungsschritte griffen zu kurz oder kämen bei den Bürgern womöglich gar nicht an, urteilte der Verbraucherzentrale Bundesverband. Deshalb seien jetzt Bundestag und Bundesrat gefragt.
Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte sich am Mittwochabend darauf verständigt, dass die Ökostrom-Umlage bereits ab Juli nicht mehr über die Stromrechnung, sondern über den Bundeshaushalt gezahlt werden soll. Die Pendlerpauschale soll rückwirkend zum 1. Januar für Fernpendler angehoben werden. Die Werbekostenpauschale in der Steuererklärung soll ebenfalls rückwirkend um 200 Euro auf 1200 Euro steigen, auch der Grundfreibetrag wird angehoben. Von Armut betroffene Kinder sollen zudem ab Juli einen Sofortzuschlag von 20 Euro pro Monat erhalten. Bezieher von Arbeitslosengeld II, Grundsicherung und Sozialhilfe sollen einen einmaligen Zuschuss von 100 Euro bekommen.
Auch Pendlerpauschale stößt auf Kritik
„Die Maßnahmen der Bundesregierung dämpfen den Kostendruck, der auf den Haushalten lastet, leicht ab“, sagte Thorsten Storck vom Vergleichsportal Verivox zur vorzeitigen Abschaffung der EEG-Umlage. Die Preise für Strom, Gas, Heizöl und Sprit blieben jedoch hoch und forderten trotzdem einen immer größeren Teil der Haushaltskasse. Thomas Engelke vom Verbraucherzentrale Bundesverband betonte, es sei nicht garantiert, dass die Stromanbieter die Entlastung durch den Wegfall der EEG-Umlage überhaupt an die Haushalte weitergäben. „Eine verbraucherfreundliche Regelung sieht anders aus.“
Auch die geplante Anhebung der Pendlerpauschale für Fernpendler ab dem 21. Kilometer stößt auf Kritik. „Von ihr profitieren vor allem Haushalte mit hohem Einkommen“, kritisierten Verbraucherschützer. Sozial gerechter sei die Einführung eines einkommensunabhängigen Mobilitätsgeldes. Auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD) bezeichnete die Maßnahme als „sozial ungerecht“. „Untere Einkommensgruppen, die von steigenden Energie- und Spritpreisen am härtesten betroffen sind, werden auch mit einer höheren Entfernungspauschale nicht entlastet, da sie kaum oder keine Steuern zahlen.“
Der ADAC dagegen betonte, die Pendlerpauschale entlaste nicht nur Autofahrer, sondern unabhängig vom Verkehrsmittel alle Menschen mit langen Arbeitswegen. Sie anzuheben sei richtig - idealerweise aber nicht erst ab dem 21., sondern ab dem 1. Kilometer.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund forderte weitere Hilfen. „Die Anhebung des Grundfreibetrages ist wenig ambitioniert und sollte um 2500 Euro höher ausfallen“, sagte Vorstandsmitglied Stefan Körzell der Deutschen Presse-Agentur. „Die Kosten des CO2-Preises im Mietwohnungsbau sind fair aufzuteilen. Insgesamt bleibt eine gerechtere Finanzierung der Transformation auf der Tagesordnung.“
Görke: Entlastungsschritte kommen zu spät
Der Finanzpolitiker der Linken, Christian Görke, hält die Entlastungsschritte für zu spät. Höhere Pendlerpauschale und Werbungskosten wirkten sich erst mit der Steuererklärung aus, gab er zu bedenken. „Die Entlastung kommt erst Mitte 2023 und nützt vor allem Spitzenverdienern.“ Dabei liege eine schnelle Maßnahme auf der Hand: „Der Staat verdient über die Mehrwertsteuer kräftig mit an den explodierenden Energiepreisen“, sagte Görke. „Deshalb: Die Mehrwertsteuer auf Energie für ein halbes Jahr von 19 Prozent auf 7 Prozent absenken.“ Das entlastet unmittelbar alle Bürger beim Tanken, Heizen und Kochen.
Auch aus der Wirtschaft kam Kritik: Die Industrie werde nicht ausreichend entlastet, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands BDI, Joachim Lang. „Die Preissteigerungen von Strom und Gas nehmen den Unternehmen aktuell die Luft zum Atmen.“ Angesichts dieser Lage sei die Abschaffung der EEG-Umlage zu wenig. Die Bundesregierung müsse dringend die Netzentgelte reduzieren und die Strom- und Gassteuer auf den europäischen Mindestsatz absenken. Die Unternehmen müssten global wettbewerbsfähig bleiben. Auch steuerliche Hilfen für Unternehmen passierten nur halbherzig.
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