Berlin/Frankfurt (dpa)

Ölmarkt: Spritpreise steigen - Bund gibt Reserve frei

Andreas Hoenig und Bernhard Funck, dpa
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Von Andreas Hoenig und Bernhard Funck, dpa
| 02.03.2022 15:19 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Ein Ölschlauch. Foto: Christian Charisius/dpa
Ein Ölschlauch. Foto: Christian Charisius/dpa
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Am Ölmarkt ist es wegen des Ukraine-Kriegs zu einem Preisschub gekommen, außerdem gibt es Ängste vor Lieferausfällen. Auch Berlin reagiert nun: Strategische Ölreserven werden freigegeben.

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine führt zu Turbulenzen auf den Ölmärkten - und an der Tankstelle zu steigenden Spritpreisen.

Um den Markt zu beruhigen und die Preise zu stabilisieren, gab die Bundesregierung in einem international abgestimmten Schritt einen kleinen Teil der nationalen Ölreserve frei. Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte zugleich, aktuell gebe es in Deutschland keine Einschränkung der Versorgung mit Öl.

Starker Anstieg der Preise seit Kriegsbeginn

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine lässt die Ölpreise in immer neue Höhen steigen. Am Mittwoch markierten die als besonders wichtig geltenden Sorten Brent und West Texas Intermediate (WTI) mehrjährige Höchststände. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete knapp 114 US-Dollar und damit so viel wie zuletzt im Jahr 2014. Ein Fass der US-Sorte WTI wurde mit mehr als 112 Dollar gehandelt. Das ist der höchste Stand seit dem Jahr 2011.

Seit Jahresbeginn sind die Ölpreise um rund 45 Prozent gestiegen, allein seit Wochenbeginn um mehr als zehn Dollar. Ausschlaggebend sind vor allem Ängste wegen möglicher Lieferausfälle infolge des Kriegs in der Ukraine. Fachleute halten es für möglich, dass große Volkswirtschaften wie die USA die Einfuhr russischen Erdöls sogar komplett verbieten könnten. Als möglich gelten auch Gegensanktionen seitens Russland bis hin zu einem völligen Ausfuhrstopp.

Russland ist einer der größten Ölförderer und -exporteure der Welt. Der Anteil von Importen aus Russland an den Rohöleinfuhren nach Deutschland liegt bei rund 35 Prozent. Schon vor Beginn des Kriegs waren die Rohölpreise stark gestiegen - Grund war auch eine anziehende Nachfrage im Zuge der weltwirtschaftlichen Erholung nach Einbrüchen in der Corona-Pandemie.

Industrienationen geben Reserven frei

Gegen den Ölpreisanstieg, der Unternehmen und Verbraucher stark belastet, wollen sich die Industrienationen stemmen. Am Dienstag gab die Internationale Energieagentur (IEA) - ein Verbund großer Industrieländer wie Deutschland - die Freigabe von 60 Millionen Barrel aus den strategischen Rohölreserven ihrer Mitgliedstaaten bekannt.

Deutschland leistet nun laut Ministerium einen Beitrag entsprechend des deutschen Anteils am Erdölverbrauch der IEA-Länder von 5,4 Prozent. Bezogen auf die Gesamtmenge von 60 Millionen Barrel seien dies 434.000 Tonnen Öl. Dies entspreche rund 3 Prozent der deutschen Erdölreserve, verringere die Reichweite der strategischen Reserven jedoch nur auf die gesetzlich vorgegebenen 90 Tage, da derzeit die Erdölreserven mit 93 Tagen über dem gesetzlich festgelegten Soll vlägen.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erklärte: „Wir leisten damit einen Beitrag im internationalen Konzert. In Zeiten wie diesen ist es wichtig, geschlossen zu handeln.“ Am Rande eines Besuchs in Washington hatte er gesagt: „Ich sehe vor allem, dass diese Reserve dazu da ist, dass wir in Deutschland sicherstellen, dass - sollte eine Lieferkette reißen - wir genug Öl im Land haben.“

In Deutschland wurden nach Angaben des Ministeriums bislang drei Mal strategische Ölreserven freigegeben. Die Anlässe waren demnach der Golfkrieg 1990/91, die von den Hurrikanen „Katrina“ und „Rita“ 2005 angerichteten Schäden in den USA sowie der Ausfall libyscher Ölexporte im Jahr 2011.

An den Ölmärkten führte der IEA-Schritt jedoch nicht zu einer Beruhigung, vielmehr stiegen die Preise weiter an. Dies dürfte auch an der vergleichsweise geringen Menge liegen: Vor der Corona-Pandemie wurden allein an einem einzigen Tag weltweit mehr als 90 Millionen Barrel Erdöl nachgefragt. Laut Experte Carsten Fritsch von der Commerzbank könnten die freigegebenen IEA-Reserven einen Lieferausfall Russlands gerade mal zwei Wochen lang ausgleichen.

Zurzeit sieht es aber nicht danach aus, dass die Welt auf ein Einspringen großer Förderländer wie Saudi-Arabien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten setzen kann. Seit dem vergangenen Sommer hebt der Ölverbund Opec+, dem auch Russland angehört, seine Förderung schrittweise und moderat an. Heute beschlossen die Opec+-Förderländer, ihrem vorsichtigen Kurs vorerst treu zu bleiben.

Von Rekord zu Rekord

Die Benzin- und Dieselpreise steigen inzwischen im Tagesrhythmus auf neue Rekordhöhen. Wie der ADAC am Mittwoch mitteilte, stieg der Preis für Super E10 in Deutschland am Dienstag auf durchschnittlich 1,827 Euro - gut ein Cent mehr als am Montag und 8,6 Cent mehr als vor einer Woche. Diesel verteuerte sich auf 1,756 Euro - 2 Cent mehr als am Montag und gut 10 Cent mehr als vor einer Woche. Hauptursache seien Russlands Krieg in der Ukraine und die wachsende Nervosität am Rohölmarkt.

Thomas Engelke, Energieexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband, begrüßte den Schritt der IEA. Die hohen Heizölpreise setzten viele Verbraucher unter erheblichen finanziellen Druck, eine Entlastung wäre deshalb sehr hilfreich. Wenn die Teilfreigabe der Reserve auch in den nächsten Tagen keine Wirkung auf den Marktpreis entfalten sollte, sollte bei möglichen weiteren Schritten sehr vorsichtig verfahren werden. „Oberste Priorität muss die Versorgungssicherheit haben.“

Russland scheint nicht zu profitieren

Viel ist in diesen Tagen von der „Kriegskasse“ Russlands die Rede - Ziel von westlichen Finanzaktionen vor allem im Finanzbereich ist, dass Russland diese nicht oder weniger stark nutzen kann. Zumindest von den steigenden Ölpreisen scheint das rohstoffreiche Land allenfalls begrenzt zu profitieren: Am Ölmarkt ist zu beobachten, dass russisches Erdöl derzeit mit starken Abschlägen angeboten wird, sich aber dennoch kaum Käufer finden. Laut Commerbank-Experte Fritsch scheuen Abnehmer aufgrund der unsicheren Lage Käufe aus Russland.

© dpa-infocom, dpa:220302-99-354698/7

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