Düsseldorf (dpa)
Wegen Sturmgewehren: Haenel streitet mit Behörde vor Gericht
Die Rüstungsfirmen Heckler & Koch und C.G. Haenel als Opponenten in einem Gerichtsverfahren - mal wieder, diesmal ist auch das Bundeswehr-Beschaffungsamt mit von der Partie.
Ein kurzer Gruß musste reichen, mehr hatten sich die Chefs der beiden Waffenschmieden nicht zu sagen.
Umgeben von ihren Anwälten, blieben die Manager am Mittwoch im Düsseldorfer Oberlandesgericht entfernt voneinander stehen, als sie auf den Beginn der Verhandlung in einem Rechtsstreit warteten: Jens Bodo Koch von Heckler & Koch auf der einen Seite und Olaf Sauer von C.G. Haenel auf der anderen Seite. Ihre Finanzchefs waren mitgekommen. Die Chefetage der beiden Rüstungsfirmen war komplett vertreten - das verdeutlichte die Bedeutung der Verhandlung für beide Unternehmen.
Es geht um 120.000 Sturmgewehre, die der Bund im Jahr 2017 ausgeschrieben hat. 2020 bekam überraschend die kleine Waffenfirma Haenel aus Suhl in Thüringen den Zuschlag. Der große Konkurrent Heckler & Koch war düpiert - erstmals seit sechs Jahrzehnten sollte er nicht mehr Sturmgewehre an die deutsche Armee liefern. Dem Bundeswehr-Beschaffungsamt kamen später allerdings Zweifel: Sollten bei dem Haenel-Gewehr vom Modell CR223 etwa Patentrechtsverletzungen vorliegen? Das Amt ruderte zurück, schloss Haenel im März 2021 vom Vergabeverfahren aus und entschied sich doch für H&K.
Haenel ließ nicht locker
Der kleine Konkurrent wehrte sich dagegen vor dem Bundeskartellamt, scheiterte aber. Haenel ließ nicht locker und ging in Berufung - am Mittwoch kam es zu der Verhandlung vor dem OLG Düsseldorf. Der Streit war hitzig und eine Vorentscheidung der Kammer nicht erkennbar. Am 6. April soll das Urteil verkündet werden.
Die Klage von Haenel richtete sich gegen den Bund, also das Bundeswehr-Beschaffungsamt. H&K war als „Beigeladene“ mit dabei. War es rechtens, Haenel damals aus dem Rennen zu werfen? Absolut, betonten die Vertreter des Beschaffungsamts. Bekäme man ein Produkt geliefert, das patentrechtliche Mängel habe, wäre das „schlicht und ergreifend eine Katastrophe“, sagte einer der Behördenanwälte.
Mehrfach wurden Nadelstiche gesetzt, um den Gegner schlecht aussehen zu lassen. So sagte ein Anwalt von Heckler & Koch mit Blick auf die Vertreter des Wettbewerbers: „Ein ordentlicher Kaufmann, der ein Produkt auf den Markt bringt, muss sich vergewissern, dass es gegen kein Patent verstößt.“ Später monierte ein anderer Jurist aus Reihen von H&K, Haenel habe „unsauber gespielt“.
Patent für winzige Öffnungen
Bei dem Patent geht es um „Fluiditätsdurchtrittsöffnungen“ - also winzige Öffnungen im Gewehr, mit denen Wasser abfließen und eine rasche Schussbereitschaft ermöglicht werden soll, etwa wenn Soldaten durch Flüsse gewatet sind. „Over the Beach“ heißt das im Branchen-Sprech. Haenel hält das Patent für nichtig, auch weil so eine Bauweise schon seit langem Standard sei in der Rüstungsindustrie. H&K sieht es anders: Das Patent bestehe nicht bloß aus Bohrungen, sondern „es hat viele Facetten“, so einer der Firmenanwälte.
In einem separaten Verfahren war das Düsseldorfer Landgericht im November 2021 zu dem Schluss gekommen, dass Haenel das H&K-Patent verletzt habe. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig, die Thüringer gingen in Berufung. Haenel argumentiert, dass es gar keine Verletzung gegeben haben könne, weil das Patent nichtig sei. Eine entsprechende Klage hat die Firma beim Bundespatentgericht eingereicht - wann dies entschieden wird, ist noch offen.
Durfte das Beschaffungsamt Haenel ausschließen oder nicht? Die Vorsitzende Richterin machte deutlich, dass sie einem Vergabefehler, auf den die Vorinstanz ihre Entscheidung contra Haenel gestützt hatte, keine große Bedeutung beimisst. Auch eine mögliche Patentverletzung durch die Verwendung eines Magazins vom US-Hersteller Magpul spielt für das baldige Urteil keine Rolle, wie aus den Ausführungen der Richterin deutlich wurde.
Die juristische Auseinandersetzung konzentrierte sich auf die angebliche „Over the Beach“-Patentverletzung. „Da spielt die Musik“, sagte die Richterin mit Blick auf diesen Aspekt. Sie machte deutlich, dass dies kein Patentgericht sei und dass sie sich bei der Bewertung des Patent-Sachverhalts auf Gutachten verlassen müsse. Dies könnte als Fingerzeig verstanden werden, dass sie den Ausschluss für rechtens hält - eine glasklarer Wegweiser war das aber nicht.
© dpa-infocom, dpa:220302-99-357332/3