Frankfurt/Main (dpa)
Linken-Politikerin sagt als Zeugin in „NSU 2.0“-Prozess aus
Sie wurde als „Volksschädling“ beschimpft und sexistisch beleidigt. Im Verfahren um die „NSU 2.0“-Drohschreiben-Serie hat nun Linken-Chefin Wissler berichtet, wie es ihr damit erging.
Im Prozess um die „NSU 2.0“-Drohschreiben hat am Donnerstag die Linken-Politikerin Janine Wissler als Zeugin zu Todesdrohungen und Beleidigungen ausgesagt.
Sie habe die beiden ersten Drohschreiben mit der Unterschrift „NSU 2.0“ im Februar 2020 erhalten, sagte die Bundesvorsitzende der Partei vor dem Landgericht Frankfurt. Zu diesem Zeitpunkt habe sie bereits von den Drohschreiben gegen die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz gewusst und sehr zügig das Landeskriminalamt (LKA) informiert.
„Natürlich hat mich das beunruhigt“, sagte Wissler über die Schreiben, denen noch zahlreiche andere folgten. Sie habe auch Schutzmaßnahmen für ihre Wohnung getroffen. „Natürlich wird man ein Stück weit vorsichtiger“, räumte die Politikerin ein. Dass öffentliche Auftritte und Veranstaltungen seltener wurden, habe allerdings nicht an den Drohschreiben mit beleidigenenden, bedrohlichen und sexistischen Äußerungen gelegen, sondern an den schon wenig später folgenden Einschränkungen in der Corona-Pandemie.
In dem Verfahren muss sich ein 54 Jahre alter Mann aus Berlin verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft Alexander M. unter anderem Beleidigung in 67 Fällen, versuchte Nötigung und Bedrohung vor. Außerdem geht es um die öffentliche Aufforderung zu Straftaten, um Volksverhetzung, um den Besitz kinder- und jugendpornografischer Schriften sowie einen Verstoß gegen das Waffengesetz.
Nicht als gefährdet eingestuft
Das LKA habe sie nicht als akut gefährdet eingestuft, sagte Wissler. Angesichts des Mordes an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hätten sie die Vorfälle aber durchaus beunruhigt. Zudem sei das zweite Drohschreiben kurz nach dem rassistischen Anschlag von Hanau im Februar 2020 bei ihr eingegangen.
In der Vergangenheit habe sie immer wieder Beleidigungen oder Drohschreiben erhalten - etwa während des Wahlkampfs oder im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit im NSU-Untersuchungsausschuss, berichtete Wissler. Neu an der Drohschreiben-Serie sei die Verwendung ihrer privaten Adresse und Mobilnummer, die nicht öffentlich zugänglich sei. Auch Nachahmer habe es gegeben, nachdem öffentlich bekannt geworden war, dass sie zu den Adressatinnen der Drohserie gehörte. „Ich bekomme bis jetzt Drohmails, in denen von "NSU 2.0" die Rede ist“, sagte Wissler. In einigen Fällen habe sie daraufhin Anzeige erstattet.
Die Serie der Drohschreiben hatte im August 2018 mit Todesdrohungen gegen Basay-Yildiz und ihre Familie begonnen. Die Schreiben waren mit „NSU 2.0“ unterzeichnet - in Anspielung auf die rechtsextreme Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Unter den Adressaten der Schreiben waren Privatpersonen und Personen des öffentlichen Lebens sowie Behörden. Besonders häufig betroffen und heftigen Beleidigungen und Drohungen ausgesetzt waren Frauen, die öffentlich engagiert und erfolgreich sind. In seiner Einlassung in der vergangenen Woche hatte Alexander M. bestritten, die Schreiben verfasst zu haben.
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