Hannover (dpa)

Wende oder Atempause? Conti-Geschäft erholt, aber unsicher

| 09.03.2022 09:52 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Der Neubau der Continental-Konzernzentrale in Hannover. Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Der Neubau der Continental-Konzernzentrale in Hannover. Foto: Julian Stratenschulte/dpa
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Continental glaubt, die schwersten Erschütterungen der Corona-Krise und die erste Phase des teuren Konzernumbaus hinter sich zu haben. Doch schon ballen sich neue Risiken zusammen.

Nach zwei harten Verlustjahren hat sich Continental aus den roten Zahlen befreit, stellt sich wegen des Krieges in der Ukraine und weiterer Risiken aber auf neue Probleme für die globale Autobranche ein.

Der Zulieferer und Reifenhersteller aus Hannover erzielte 2021 unterm Strich 1,46 Milliarden Euro Gewinn. Davor hatten der Corona-Absatzeinbruch sowie der Konzernumbau das Dax-Unternehmen belastet. Zuletzt gelang eine Stabilisierung - obwohl das Marktumfeld „anhaltend turbulent“ war, wie es am Mittwoch hieß.

Elektronik-Engpässe hatten die Industrie weltweit getroffen. Aufträge konnten nicht abgearbeitet werden. „Bei der Versorgung rechnen wir in der zweiten Jahreshälfte mit einer leichten Verbesserung“, sagte Finanzchefin Katja Dürrfeld. Die Mehrkosten für Beschaffung und Logistik dürften sich aber bei bis zu 2,3 Milliarden Euro einpendeln.

Alternativen zum Werk in Russland gesucht

Jetzt blickt die Branche mit großer Sorge nach Osteuropa. Angesichts der Invasion in die Ukraine beschloss auch Continental, seine Fertigung in und seinen Außenhandel mit Russland vorerst komplett zu stoppen. „Die Situation ist extrem dynamisch, sie verändert sich jeden Tag, jede Stunde“, berichtete Vorstandschef Nikolai Setzer.

Man prüfe alternative Standorte für die Belieferung aus Kaluga, wo der Konzern ein Werk für Reifen und Maschinenteile hat. Der Anteil des Umsatzes in der Russischen Föderation sei mit unter einem Prozent gering. Zumindest indirekt könnten sich jedoch Lieferprobleme von Autobauern bei Kabelbäumen aus der Ukraine auswirken, glaubt Setzer.

Noch geht das Management für 2022 von anziehenden Geschäften aus. Es warnte allerdings: „Sollte die geopolitische Lage angespannt bleiben oder sich gar verschlechtern, kann dies eine nachhaltige Störung in Produktion, Lieferketten und Nachfrage verursachen.“ Conti rechnet im aktuellen Szenario mit 38 Milliarden bis 40 Milliarden Euro Umsatz.

„Das abgelaufene Geschäftsjahr hat uns erneut stark gefordert“, bilanzierte Setzer. Conti verpasste sich eine neue Struktur, welche die Rolle des autonomen Fahrens aufwerten soll. Gerüchte über einen möglichen Börsengang der Sparte wollte er nicht kommentieren. Eher zugeknöpft gab sich Setzer auch dazu, was das Projekt des Großkunden Volkswagen mit dem Rivalen Bosch in diesem Bereich bedeutet: „Wir sind mit allen Kunden im permanenten Austausch, wir sind offen für Kooperationen.“

Rohstoffe werden teurer

Reifen könnten unterdessen teurer werden. „Wir sehen weitere substanzielle Preiserhöhungen bei Rohstoffen, nicht nur bei Metallen, sondern auch bei ölbasierten, die für unser Reifengeschäft wichtig sind“, erklärte Setzer. Dürrfeld sagte der Nachrichtenagentur dpa-AFX: „Wir haben 2021 unsere Preise regelmäßig überprüft, haben das auch dieses Jahr vor. Was wir durchsetzen können, hängt aber von der Marktlage ab.“

Die Conti-Führung setzt ihren Sparkurs fort, in dessen Rahmen alte Jobs aus Hydraulik und Mechanik ab- und neue Tätigkeiten aufgebaut werden. In der Qualifikation der Belegschaft gebe es Fortschritte. Derzeit bildeten sich rund 23 000 Menschen in der eigenen Software-Akademie weiter. Noch mehr nähmen an Onlinekursen teil.

2020 hatten veränderte Bewertungen früherer Zukäufe wie Siemens-VDO auf die Bilanz gedrückt. Der Umsatz konnte nach einem 15-prozentigen Minus nun um 6 Prozent auf 33,8 Milliarden Euro zulegen - stärker als von Experten gedacht. Dabei wurden nur die fortgeführten Geschäfte einbezogen. Die Antriebssparte spaltete Conti in die Firma Vitesco ab. Seither hat der Konzern rund 190.000 Beschäftigte.

Bei dem nach Bosch zweitgrößten deutschen Autozulieferer lief das Kerngeschäft infolge der Chipkrise schlechter als die profitablen Reifen- und Maschinenbaubereiche, die laut Dürrfeld trotz erhöhter Rohstoffpreise „sehr gute Zahlen“ vorlegten. Das Automotive-Segment hat jedoch einen hohen Auftragseingang von 18,6 Milliarden Euro.

Wieder Dividende geplant

So liefen neue Display-Technologien oder Hochleistungsrechner gut. Außerdem erhielten „sieben der zehn volumenstärksten Hersteller von Elektrofahrzeugen“ Reifen von Conti. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sanken 2021 leicht auf 2,6 Milliarden Euro. Beim autonomen Fahren will der Konzern hier aber drauflegen.

Die Aktionäre sollen nach der Nullrunde 2021 wieder eine Dividende bekommen. Der Hauptversammlung am 29. April werden 2,20 Euro je Papier vorgeschlagen. Aus dem Betriebsrat hieß es: „Wenn der Vorstand dies angesichts einer sehr schwierig einzuschätzenden Wirtschaftslage für machbar hält, muss das auch für eine finanzielle Anerkennung für die Beschäftigten gelten.“ Er fordert eine „Verbundenheits-Prämie“.

Zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hannover wegen mutmaßlicher Verwicklungen von Technikern in die Diesel-Abgasmanipulationen bei VW meinte Setzer: „Den vorliegenden Sachverhalt klären wir konsequent und vollumfänglich auf.“ Unregelmäßigkeiten der internen Aufarbeitung hatten im Herbst zum Rücktritt des langjährigen Conti-Finanzvorstands Wolfgang Schäfer geführt. Vitesco bildete inzwischen Rückstellungen von 80 Millionen Euro für mögliche juristische Auseinandersetzungen oder Ausgleichspflichten gegenüber dem früheren Mutterkonzern.

© dpa-infocom, dpa:220309-99-445165/3

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